ERWACHEN - Advaita Vedanta

Hallo Radha,

es gibt ja nicht umsonst so viele Meditationstechniken ;)
Man sollte nur mit den Methoden auch sehr achtsam umgehen; immer wieder schauen, ob die gewählte Technik auch tatsächlich noch "funktioniert". Ich habe die Erfahrung gemacht, dass sich mein Verstand sehr schnell an ein Technik gewöhnt und eine "Umgehungsstrategie" entwickelt, um mich wieder mit seinen Tätigkeiten zu verwickeln. Dann lasse ich diese Technik für eine gewisse Zeit fallen und probiere etwas anderes aus.


"Nein, es ist nicht meine Erfahrung, wobei ich sagen muß.....ein kleines bißchen doch. Denn wenn ich mich beobachte, kann, *bevor* ich in ein Muster reingehe, etwas anderes geschehen."

ja, meine Frage war ein bisschen provokativ gestellt, weil ich aufgrund Deiner Formulierung nicht ganz sicher war, ob Du es selbst erfahren hast oder "nur" etwas darüber gehört hast.

ja, ich erlebe es auch so, wie Du schreibst: "denn wenn ich mich beoabchte, kann, bevor ich in ein Muster reingehe, etwas anderes geschehen."


Aber ich bezeichne das als "Entscheidung" weil:
ich kann mich entscheiden, mich zu beobachten und
ich kann mich entscheiden, nicht in das Muster reinzugehen, nicht automatisch auf einen Auslöser zu reagieren - sondern bewusst zu bleiben, der Beobachter zu bleiben, offen zu bleiben für eine authentische Reaktion jenseits der angelernten Muster.

Damit gibt es für mich auch einen Entscheidenden.
Und soweit ich das von Menschen, die schon "weiter am Weg sind" als ich gehört und gesehen habe, treffen auch sie noch Entscheidungen. Aber diese Entscheidungen habe eine andere Grundlage. Sie werden nicht mehr aufgrund eigener Wünsche, Vorlieben, Anhaftungen etc. getroffen - sondern im Einklang, in Hingabe an den Fluß des Lebens, an das Göttliche


Ich wünsche Dir ein schönes Wochenende
sam
 
Werbung:
Lieber Sam,

ich danke Dir recht herzlich für das Aufmerksammachen auf die Reaktion des Verstandes auf lang gewohnte Meditationstechniken!
Das nehme ich mir zu Herzen und werde das *beobachten* *gg*
Das ist angekommen! :))

Tja.
Das mit dem Entscheidenden, selbst wenn er nicht mehr angehaftet ist usw. läßt mich irgendwie seufzen. :-(
Ist ein langer Weg raus aus dem Ego, was?
Jedoch im Einklang mit dem Fluß, dem Göttlichen ist ja auch schon mal was.

Nunja, ich übe mich weiterhin und schau mal, was passiert.


Lieben Dank für Deine Antworten.
Dir auch ein schönes Wochenende.

Alles Liebe
Radha :))
 
Liebe Radha,

Du sagst:

„Ich bin in einem Forum, wo eine Person mit ihrem philosophischen Wissen außerordentliche Härte zeigt und das unter dem Deckmantel: Für die Wahrheit einstehen.“



Vielleicht findest Du in folgender Geschichte ein paar inspirierende Gedanken:






Es gibt in einigen Zen–Tempeln Japans eine alte Sitte:
Gewinnt ein Wandermönch das buddhistische (philosophische) Streitgespräch
mit einem der Mönche des Tempels,
so kann er die Nacht über bleiben.
Wenn nicht, muss er weiterwandern.

Im Norden Japans gab es einen solchen Tempel,
der von zwei Brüdern geleitet wurde.
Der ältere Bruder war sehr gelehrt,
der jüngere aber ziemlich dumm,
und er hatte nur ein Auge.

Eines Abends kam ein Wandermönch
und bat um Unterkunft.
Der ältere Bruder war sehr müde
weil er viele Stunden studiert hatte,
und so bat er den Jüngeren,
das Streitgespräch zu übernehmen.

„Mach es zur Bedingung,
dass das Gespräch in Schweigen stattfindet“,
sagte der ältere Bruder.

Etwas später kam der Wanderer
zum älteren Bruder und sagte:
„Das ist ein toller Bursche, dein Bruder!
Er hat die Debatte sehr schlau gewonnen.
Ich muss also weiter. Gute Nacht.“

„Bevor du gehst“, sagte der ältere Bruder,
erzähl mir doch bitte den Ablauf des Gesprächs.“

„Nun“, sagte der Wanderer,
„zuerst hielt ich einen Finger hoch – der repräsentierte Buddha.
Dann hielt dein Bruder zwei Finger hoch –
für Buddha und seine Lehre.
Daraufhin hielt ich drei Finger hoch,
für Buddha, seine Lehre und seine Anhänger.
Da hielt dein Bruder mir die geballte Faust vors Gesicht,
was hieß, dass alle drei aus einer Erkenntnis kommen.“

Und damit verabschiedete sich der Wanderer.

Kurz darauf kam der jüngere Bruder herein.
Er sah sehr verstört aus.
„Ich höre, du hast die Debatte gewonnen!“ sagte der Ältere.
„Gewonnen? Von wegen!“ sagte der Jüngere,
„dieser Wandermönch ist ein ganz frecher Kerl,.
„So?“, sagte der Ältere.
„erzähl mir – worüber habt ihr denn debattiert?“

„Nun“ sagte der Jüngere,
„kaum hatte er mich gesehen, da hielt er einen Finger hoch,
um mich zu kränken, weil ich nur ein Auge habe.
Aber da er ein Fremder war, wollte ich höflich sein,
also hielt ich zwei Finger hoch,
um ihm zu seinen zwei Augen zu gratulieren.
Daraufhin hielt der unverschämte Mensch drei Finger hoch,
um mir zu zeigen, dass wir zusammen nur drei Augen hätten.
Da wurde ich wütend und drohte ihm mit der Faust –
Und da ging er.“
Der ältere Bruder lachte.:tongue:





Deine andere Frage werde ich ein anderes Mal zu beantworten versuchen.

Liebe Grüße von Manosha
 
Manosha!

Das ist aber ein Hammer, Dein Beitrag. *lach
Und ehrlich gesagt verstehe ich ihn nicht, im Zusammenhang mit dem Satz, den Du von mir vorangestellt hast.

Das einzige, was bei mir angekommen ist, ist, daß jeder nur aus seiner eigenen Sichtweise den anderen interpretieren kann.
Irgendwie hatte ich gehofft, daß der, der offensichtlich als Dumm erkannt wurde, vielleicht doch mehr Weisheit innehatte, als man so dachte.
Das war aber nicht an dem.

Vielleicht sehe ich da was nicht und Du kannst mir helfen.

Wie war das denn nu gemeint? *gg*
 
Liebe Radha,


Du sagst:

„Das einzige, was bei mir angekommen ist, ist, dass jeder nur aus seiner eigenen Sichtweise den anderen interpretieren kann.“



Ja beide,
sowohl der dumme Bruder,
als auch der Mönch,
haben nicht wirklich den jeweils anderen gesehen.

Sie haben nur ihre eigenen Interpretationen gesehen.


Ja,

„jeder kann den anderen nur aus seiner eigenen Sichtweise interpretieren.“




Aus welchem „Stoff“ besteht dann aber der „Andere“?

Aus einer fortlaufenden Interpretation, nicht wahr?
Aus einer Konstruktion, die nichts mit der Wirklichkeit des anderen zu tun hat.

Wenn der dumme Bruder nur seine eigene Konstruktion sieht,
dann bedeutet das, dass er die reale Person, seinen Gesprächspartner nicht in „seiner Wirklichkeit“ sieht.

Was sieht er also?

Er sieht sich selbst im „Anderen“.
Der Dumme sieht sich selbst im „Anderen“.

Der „Andere“ hebt einen Finger. Und weil der dumme, einäugige Bruder nur ein Auge hat,
denkt er: „Der da will mich kränken, weil ich nur ein Auge habe.“


Der da?

Welcher „der da“?

„Der da“ ist er selbst. Er sieht sein eigenes Gesicht.
Aber er (der dumme Bruder mit nur einem Auge) nimmt das gar nicht zur Kenntnis. Er glaubt, dass es das Gesicht des anderen Menschen ist.
Und jetzt fängt der einäugige dumme Bruder an, sich über den „Anderen“, den Mönch zu ärgern. Er wird wütend und droht „ihm“ mit der Faust.

Man muss sich einmal bewusst machen, was da passiert.
Es sieht seine eigene Interpretation, seine Konstruktion, sich selbst, sein Gesicht

Er sieht sich selbst, reagiert mit Wut und droht mit der Faust!



Warum?


Nur aus Vergesslichkeit!

Denn wenn er es NICHT vergisst, dass er sich selbst sieht, dann würde er auch nicht wütend werden.



Das wäre ja auch etwas verrückt, wenn das passieren würde

Radha, stell Dir vor, Du stellst Dich vor einen Spiegel, betrachtest Dein Spiegelbild und machst ein paar Grimassen.
Wirst Du dann wütend?
Ist das schon einmal passiert?
Hast Du schon einmal vergessen, dass Dein Spiegelbild „Du selbst“ bist?

Stell Dir einen Menschen vor, der sich ernsthaft mit seinem Spiegelbild streitet.

Du würdest ihn als „dumm“ bezeichnen, oder?
Ich würde es tun!

Wir alle würden es tun, auch Du, der Du jetzt in diesem Forum diese Zeilen mitliest.

Du sagst:
„Irgendwie hatte ich gehofft, dass der, der offensichtlich als Dumm erkannt wurde, vielleicht doch mehr Weisheit innehatte, als man so dachte. „



Ja, Radha, wir alle, mich eingeschlossen,
hoffen, dass der, der offensichtlich als „dumm“ erkannt wurde,
vielleicht doch mehr Weisheit innehatte, „als man so dachte“.

Und warum tun wir das?

Weil wir alle nämlich so sind wie der „Dumme“, und wir hoffen, dass wir mit dieser Dummheit, mit dieser Einäugigkeit, irgendetwas Großartiges erreichen können,
zum Beispiel ein philosophisches Streitgespräch zu gewinnen,
oder das große Glück in der „Selbstvergessenheit“ zu finden.

Wir sind die „Dummen“, weil wir nur mit einem Auge schauen und
nicht mit Zweien, obwohl wir Zwei haben.
Wir machen vom zweiten Auge keinen Gebrauch!
Wir sind Einäugige, die glauben, dass die eigene Faust, die zuschlägt, ein anderes Gesicht träfe.


Die Faust trifft das eigene Gesicht.


Und wir alle vergessen das ständig.
Das ist es, was das Chaos erzeugt:

Unsere eigene Vergesslichkeit.

Doch zum Glück gibt es einen Weg aus dieser Vergesslichkeit.
Wir können lernen unser zweites Auge zu gebrauchen.

Wir können unsere Intelligenz freilegen.

Wir können lernen, uns zu erinnern.

Meditation ist der Schlüssel.

Der Intelligente erkennt:
„Buddha, seine Lehre und seine Anhänger kommen
alle drei aus einer Erkenntnis, aus einer Quelle.“

Und zu dieser Quelle, zu dieser Erkenntnis
gelangt man durch richtige Meditation.

Meditation ist der Anfang vom Ende des Wissens, des falschen Wissens.
Dann beginnt Vedanta.
„Vedanta“ heißt: das Ende des falschen Wissens und der Anfang des wahren Wissens.


Und wenn Du Dich dann irgendwann einmal über einen anderen ärgerst und dann urplötzlich aufschreckst und Dich erinnerst, dass „Du“ es bist, den Du da siehst, dann,
in diesem Moment……beginnst Du zu lachen.

Denn dann sieht man einerseits wie „dumm“ man war und andererseits, wie gut es tut, aufzuwachen.

In dieser Wachheit liegt Freude, Wärme, Frieden und Mitgefühl.

Erst dann, in dieser Klarheit, verstehst Du den Unterschied zwischen Philosophie und Maharshi
beziehungsweise zwischen Philosophie und Advaita Vedanta

Und erst dann kannst Du erkennen, was für einen Sieg es bedeutet ein „Buddha“ zu sein.
Erst dann erkennst Du, was es bedeutet ein „König“ zu sein.
Erst wenn der Ring der „Unwissenheit“ ins Feuer geworfen wird,
kann der König zurückkehren.


Dann verstehst Du ES „vollkommen“



Möge Dein Weg Dich zu dieser „Vollkommenheit“ führen,



manosha
 
Lieber Manosha,

hab tiefsten Dank für Deinen langen, ausführlichen Beitrag.
Ich habe ihn mehrmals durchgelesen und bin einige Tage damit *schwanger* gegangen.
Natürlich war von Anfang an klar, was Du damit gemeint hast, jedoch ich habe versucht, es Stück für Stück auf die Situationen anzuwenden, in denen ich mich betroffen, verärgert oder ungerecht behandelt fühle von anderen.

Nun ist diese Geschichte sehr offensichtlich, weil keiner von beiden spricht!
Und nun entstanden in mir mehrere Fragen. Ich versuche mal ,diese Geschichte etwas umzumodeln, ja?

ALSO : *gg*

Es war einmal ein Künstler. Der provozierte mit seiner Arbeit gerne die Gesellschaft, in dem er versuchte, Mißstände in seiner Kunst sichtbar zu machen. Z. B. stellte er in einer Geschichte dar, wie z. B. die westliche Welt mit dem Tod umgeht. Er formte seine Geschichte ziemlich überspitzt, damit die sterile, angstvolle und *nichthinschauende* Weise hervorgehoben wird.
Nun kommt ein *Schauer* vorbei und schaut sich das alles an.
Er ist zutiefst verärgert und denkt: "Dieser Künstler geht nicht gut um mit dem Tod! Er ehrt ihn nicht. Wenn ich da an meine Oma denke, die gerade gestorben ist. Mann. Wir haben sie mit einem großen Zug zum Friedhof befördert, sie ist verbrannt worden. Danach haben wir versucht, eine nettfreundliches Todesessen zu veranstalten und ich bin traurig, das sie nicht mehr da ist. WIE kann der Künstler den Tod eines Menschen auf DIESE Weise darstellen!"

Nun geht er zum Künstler hin. Er beschimpft ihn mit langen Tiraden, unterstellt ihm alles Mögliche an Charakterlosigkeit.

Nun ist der Künstler BETROFFEN! So hat er das doch gar nicht gemeint, was der *schauer* ihm da alles vorwirft. Er versucht, zu erklären, was er mit seinem Kunstwerk ausdrücken wollte und am Ende liegen beide im Streit.


So.
Hier hat es Worte gegeben.

Meine *Interpretation* infolge Deines Beitrages sieht dann jetzt mal folgendermaßen aus, und ich würde mich freuen, wenn Du mir antworten könntest, wo ich richtig liege und wo eventuell doch noch falsch. :)

Der Künstler wollte provozieren. D. h., er ruft etwas in den Wald und bekommt ein Echo. Der Ruf in den Wald wurde von jemanden als Angriff auf ihn selbst verstanden, weil er *unterspitzt* wahrscheinlich genau das gelebt hat, was der Künstler ausgedrückt hat.
Nun beleidigt er den Künstler. Das Echo kommt zurück.
Der Künstler *fühlt* sich durch die unterstellten Charakterlosigkeiten nun auch angegriffen, (hat dabei aber vergessen, daß er *provozieren* WOLLTE, und kommt nun mit der Provokation nicht zurecht, die ihm zuteil wird.)
weil die Unterstellungen auf Selbstbilder des eigenen Selbstzweifels stoßen und vielleicht sogar auf tatsächlich vorhandenes, was nicht unbedingt mit der Situation, in der der Künstler sich gerade befindet, zu tun haben muß.

So kämen wir dann wieder zu einem Streit mit dem eigenen Spiegelbild, weil jeder der beiden mit den Dingen in sich beschäftigt ist. Der *Schauer* unterstellt eigenes dem Künstler, der Künstler verteidigt unterstelltes, weil es ihm bekannt vorkommt ...... ????

Würde nun der *Schauer* NICHT vergessen, daß das, was ihn an diesem Kunstwerk wütend macht, eigenes ist, würde er nicht auf den Künstler losgehen.
Würde der Künstler wissen, daß die Unterstellungen des *Schauers* in der Tat seine eigenen sElbstzweifel sind, würde er sich nicht wehren.
Und würden die Unterstellungen den Künstler NICHT berühren, weil er nichts damit zu tun hätte, KÖNNTE DER KÜNSTLER erkennen, daß der *Schauer* gerade mit sich selbst schimpft und ihm mit Mitgefühl und Ruhe entgegentreten.

Stimmt das soweit?

Und wenn es stimmt, dann ist dazu ein gutes Stückchen von sich selbst abgerückt notwendig, nicht wahr?
 
Aaah.
Und mir fällt jetzt grad NOCH etwas ein.
Ist es nicht so, daß wir auch besonders heftig auf etwas reagieren, mit dem wir in ABLEHNUNG stehen?

Also. ICH BIN ein Mensch, der den TOD NICHT steril sieht. Und ich sage mal, ich sehe ihn WIRKLICH nicht steril. Ich verABSCHEUE sogar, den Tod steril zu sehen! Ich finde es FURCHTBAR!

Wäre das nicht auch ein Grund, auf den Künstler loszugehen?

Und ist die ABLEHNUNG, die ich empfinde, die ich dann ABGEBE, etwas, was ich gleichermaßen mit Anteilen von mir selbst tu, die ich bekämpfe im AUSSEN?

Aber wenn ich jetzt WIRKLICH den Tod NICHT steril sehe.
WAS bewirkt in mir ABLEHNUNG gegen die, die das tun?
 
Hallo Radha,







Ja, es hat „Worte“ gegeben, aber kein „Verstehen“.

Verstehen hat doch auch etwas mit „einfühlen“ und „mitfühlen“ zu tun.

Keiner von den beiden ist dazu in der Lage.



Jeder sieht nur sein eigenes Leiden und projiziert es in die Welt hinaus.



Nehmen wir mal den „Schauer“ als Beispiel.

Seine Oma ist gestorben und das ist ein schmerzhafter Verlust.

Diesem Schmerz möchte er am liebsten ausweichen. Mit seinen Anverwandten befindet er sich in guter Gesellschaft und so wird „versucht, ein nettfreundliches Todesessen“ zu veranstalten. Warum?

Weil es eine "gute" Methode ist, den Schmerz zu verdrängen und auch die eigene Furcht vor dem Tode.

Also essen wir was.

Das ist eine Kompensation.

Essen steht für „Leben“.

Man hält dem Tod das Leben entgegen, so wie wenn man einem Gegner die Faust entgegenhält.

Dies ist eine ritualisierte Form der Bekämpfung des Todes, die noch aus dem primitiven Stadium der Menschheitsentwicklung stammt.

Und wie alles Primitive, führt das nicht zur Lösung des eigenen Leidens.



Deswegen geht es ja weiter.



Da taucht der Künstler auf, der im „Schauer“ die unterdrückten, verdrängten Schmerzen wieder zum Vorschein bringt.

Irrtümlicherweise nimmt er nun an, dass ihm der Künstler diese Schmerzen zugefügt hat. Er realisiert nicht, dass der Schmerz aus ihm selbst kommt und der Künstler nur ein Auslöser dafür ist. Und selbst wenn er es realisiert, empfindet er es als Angriff, denn mit seinen Anverwandten hat es eine stille Übereinkunft gegeben, sich gemeinsam darin zu unterstützen, den Schmerz zu verdrängen.

Dieser Künstler allerdings „sabotiert“ dieses kollektive Abkommen. Und somit wird er zum Feind.

Des „Schauers“ ganze angestaute Trauer und Wut richtet sich nun gegen den Künstler. Er ist der Feind.

Energie lässt sich nicht vernichten, daher muss sie irgendwo zum Vorschein kommen.

Der Künstler und seine individuelle Sichtweise ist nun ein Auslöser für den Ausbruch verdrängter Gefühle.

Der Künstler wird nun zu einem Verräter, der bestraft werden muss. Er muss gekreuzigt werden. Er muss verschwinden. Er steht der Verdrängung im Weg. Er ist ein Hindernis.



In Wirklichkeit will der Schauer sich weder mit dem Tod, noch mit dem Künstler beschäftigen. Er projiziert seinen Schmerz nach „außen“ und findet ein Opfer, welches nun bluten muss.

Hier zeigt sich einerseits die vollkommene Unfähigkeit mit Schmerz, Leid und Angst konstruktiv, bzw. kreativ umzugehen und
andererseits die vollkommene Unwissenheit darüber, wie man sein „Inneres“ auf etwas „Äußeres“ projiziert und dann glaubt, es befände sich wirklich „außerhalb“.



Das ist wirklich ein schönes Beispiel, Radha, denn hier kann man gut sehen, wie Vergesslichkeit die ganze Angelegenheit nur verschlimmert.

Und man kann auch gut sehen, dass die Faust in erster Linie das eigene Gesicht trifft. Denn letztlich hält der „Schauer“ das Muster der Verdrängung und Unterdrückung mit seiner Handlung aufrecht. Er verteidigt eine Strategie der Verdrängung, eine Strategie, die ihn letztlich von innen zermürbt und krank macht.

Man kann gut sehen, dass viele Strategien, die wir lernen, im Grunde Strategien des Selbsthasses sind.





Und warum ausgerechnet ein Künstler?

Weil ein Künstler zur Welt der „Minderheit“ gehört.

Minderheiten haben keine Lobby. Sie werden nicht von der Masse geschützt, denn die Masse akzeptiert keine Individuen. So fühlt sich der „Schauer“ in seinem Handeln bestätigt, da er die Mehrheit hinter sich sieht.

Jetzt hat er eine Rechtfertigung.





Dieses Vorgehen der Verdrängung von Problemen und Schmerz ist übliche Praxis auf der ganzen Welt.

Minderheiten müssen und mussten schon immer für die Verdrängung eigener Probleme dienen. Deshalb dürfen sie ja auch nie ganz verschwinden.

Jeder von uns kann das beobachten. Man denke da nur an sie sorgfältige Auswahl von schwarzen Schafen im Schulunterricht. Eine Schulklasse ohne schwarze Schafe kann es für einen solchen Geist nicht geben. Sie fungieren als Blitzableiter.

Man braucht Opfer. Unkreative Menschen suchen sich immer Opfer.





Der „Schauer“ ist ein unkreativer und Mensch. Er folgt den Mustern, die man ihm beigebracht hat. Und er verteidigt sie.



Er hätte auch einen Pinsel in die Hand nehmen können und seine Wut in ein Bild verwandeln können. Er hätte ein Klagelied schreiben können. Er hätte einen Trauertanz machen können. Er hätte meditieren können. Er hätte lieben können. Er hätte sich seine Energie in Bewegung umsetzen können. Trommeln, tanzen, Sport.

Er hätte sich mit seinen Ängsten beschäftigen können.







Nun sieht sich der Künstler mit einem Menschen konfrontiert, der „angeblich“ seine Kunst nicht versteht.

Und weil der Künstler fälschlicherweise annimmt, dass es dem „Schauer“ an Aufklärung mangelt, versucht er ihm seine Sichtweise zu erläutern.

Würde der Künstler die wahren Motive seines Gegenübers erkennen, dann würde er sicher ganz anders reagieren.



Beide, sowohl Künstler als auch Schauer sitzen einem Irrtum auf.



Der Einäugige in der Zen-Geschichte repräsentiert diesen irrenden Geist.

Der Wandermönch in der Zen-Geschichte repräsentiert den Geist der spirituellen Lehre.

Obwohl der Wandermönch das Streitgespräch verliert, geht er doch als Sieger hervor.

Denn er bleibt heiter und gelassen. Nachdem er sich aufrichtig bedankt hat zieht er zuversichtlich weiter.



Der Einäugige hingegen trägt das Gift der Wut in seinem Körper. Und ahnt nicht im Geringsten, dass er sich das selbst angetan hat. Er lebt im Hass. Er lebt ohne Liebe. Wer hätte mehr Mitgefühl verdient als er?





Entscheidend ist also die Art und Weise wie ich die Welt sehe. Sehe ich sie im Bewusstsein, dass sie das Gesicht annimmt, welches ich ihr gebe, oder sehe ich die Welt als eine von mir getrennte Wesenheit?



Das hat unmittelbare Folgen für mein Fühlen und Handeln.

Anstatt also nach außen zu gehen und jemand anderen zu schlagen und anstatt nach innen zu gehen und mich zu schlagen,
muss es also noch eine dritte Möglichkeit geben.

Diese Möglichkeit eröffnet sich durch richtige Meditation.



Maharshi und Yogananda haben nur über Philosophie geredet, um ihre Zuhörer zur Meditation zu ermuntern.



Über die „Wahrheit“ kann diskutiert werden. Das ist Philosophie.

Aber nur die Einsicht in die Natur des Geistes kann eine echte Veränderung bewirken.



Eine Gemeinschaft von „Einäugigen“ schafft eine vollkommen andere Welt als eine Gemeinschaft von „Zweiäugigen“.



Die Frage, die sich jeder Mensch stellen muss ist:



In welcher Welt will ich leben? Welche Welt will ich erschaffen?



Du fragst:

Und wenn es stimmt, dann ist dazu ein gutes Stückchen von sich selbst abgerückt notwendig, nicht wahr?



Ja, man muss ein gutes Stück von sich selbst abgerückt sein, um die Faust nicht zu spüren, die einen selber trifft.









Selbstverständlich ist dies nur meine eigene Sichtweise und Interpretation der Dinge



Liebe Grüße



Manosha







Kannst Du bitte erklären, was Du unter „sterilen Tod“ bzw. "nicht-sterilen-Tod" verstehst?
 
Lieber Manosha,

zuallererst einmal herzlichsten Dank für Deine wunderbar ausführliche Antwort.
Schön, wie detailliert Du beschreiben konntest, wie der Tod verdrängt werden kann. Ja, und daß Essen eine Kompensation ist, denn Essen steht für Leben. Hätte ich jetzt so gar nicht erkannt. Klingt völlig logisch. :)

Nun hast Du noch einmal das Beispiel Deiner Eingangsgeschichte gewählt, und den spirituellen Sucher als jemanden beschrieben, der in Heiterkeit und Gelassenheit geblieben ist.
Sind wir uns aber trotzdem einig, daß auch der spirituelle Sucher den Einäugigen *nicht* verstanden hat, auch letztlich aus Seiner Sicht das *Gespräch* verstanden hat?
Wenn es ihm auch besser dabei geht, weil er das Gespräch als *lichtvoll* wahrnehmen konnte, so hat er jedoch trotzdem nicht sein Gegenüber wahrgenommen, richtig?

*lächel*
Jetzt fragst Du mich, was ich mit *sterilem Tod* meine.
Ja. Das ist schon ein komisches Wort, das ich da gewählt habe. *grins*
Unter steril verstehe ich antibakteriell, sauber, gesäubert, kühl, kalt, .....also so alles ist weggeräumt, was irgendwie für schädlich gehalten wird.
Natürlich meine ich nicht sterilen Tod, sondern eher den sterilen Umgang mit Tod. *lach
Siehst Du, und das ist wirklich eine Schwäche von mir, daß ich Worte manchmal schlabberig zusammenwerfe. :)

LIeben, herzlichen Gruß
 
Werbung:
Hallo Radha,

danke für Deine Worte.

Du hast gesagt:

„Sind wir uns aber trotzdem einig, daß auch der spirituelle Sucher den Einäugigen *nicht* verstanden hat, auch letztlich aus Seiner Sicht das *Gespräch* verstanden hat?
Wenn es ihm auch besser dabei geht, weil er das Gespräch als *lichtvoll* wahrnehmen konnte, so hat er jedoch trotzdem nicht sein Gegenüber wahrgenommen, richtig?“


Ja, richtig,
er kann den Einäugigen nicht so sehen, wie er wirklich ist.

Der Einäugige kann noch nicht einmal sehen, wie er selbst wirklich ist.

Wie sollte es also der Wandermönch können?

Aber auch wir können nicht sehen, wie der Wandermönch wirklich ist.
Deshalb sollten wir vielleicht das Attribut „spiritueller Sucher“ mit Vorsicht wählen.

Vielleicht „sucht“ der Mönch gar keine Spiritualität.
Es könnte auch sein, dass der Mönch schon längst spirituell ist und sein Leben nur der
Ausdruck dieser Spiritualität ist.

Dann sieht er das Spirituelle überall, selbst im Einäugigen.
Dann sieht er Buddha selbst in einem Grashalm.
Dann vermittelt ihm selbst das, was ohne Worte ist, die Erkenntnis Buddhas.

Dann ist es sein Geist (Spirit), der die Welt belebt
und nicht die Welt, die seinen Geist belebt.

Dann bleibt er vielleicht gelassen, friedvoll, mitfühlend, offen, freundlich.

Vielleicht hat er verstanden, dass der Umgang mit dem Einäugigen ein Spiegel dafür
ist, wie er mit sich selbst umgeht.

Dann sieht er sich selbst im Einäugigen.


Und ist dankbar.


Viele Grüße von
manosha
 
Zurück
Oben