Die Wissenschaft der Scharlatanerie

Isis

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Anleitung zum Aufbau einer Sekte in 5 Schritten



1. Schritt: Wähle vage Worte; wähle einfache Worte

Um eine Sekte zu gründen, müssen Sie zunächst einmal Aufmerksamkeit erregen. Das machen Sie besser nicht mit Taten oder etwas Konkretem, weil das eindeutig ist. Arbeiten Sie mit Worten, die nebulös, schillernd und irrlichternd sind. Ihre ersten Gespräche müssen unbedingt zwei Elemente enthalten:

Auf der einen Seite das Versprechen von etwas Großem, Göttlichem, Spiritistischem, Transzendentalem, auf der anderen Seite etwas total Verschwommenes. Diese Kombination regt ihre Zuhörer zu allen möglichen undefinierbaren Träumen an, so daß sie dann ihre eigenen Zusammenhänge herstellen und das sehen, was sie sehen wollen.

Damit diese Verschwommenheit attraktiv ist, müssen Sie Worte von großer Resonanzfülle, aber wolkigem Gehalt verwenden. Worte voller Glut, Liebe und Begeisterung. Phantasienamen für einfache Dinge zu verwenden hilft immer, genauso der Gebrauch und die Erfindung neuer Begriffe für vage Konzepte. All dies ruft den Eindruck des Spezialwissens hervor und verleiht Ihnen einen Anflug der Tiefsinnigkeit. Wenn Sie es richtig anstellen, wird die Kombination von vagen Versprechungen, wolkigen, aber verführerischen Konzepten und glühender Begeisterung die Menschen ins Herz treffen.

Wenn Sie zu vage bleiben, geht Ihnen allerdings die Glaubwürdigkeit verloren. Zu definitive Aussagen zu machen, ist aber noch weit gefährlicher, denn dann wollen die Menschen, daß genau dieses Versprechen eingelöst wird.

Doch Ihre Botschaft sollte nicht nur vage, sie muß auch einfach sein. Die meisten Probleme der Menschen haben komplexe Ursachen: tiefsitzende Neurosen, Ängste, Verluste, Wurzeln, die weit in die Vergangenheit reichen und die nur äußerst schwer aufzudröseln sind. Die wenigsten Menschen haben aber die Geduld, mit so etwas umzugehen; die meisten wünschen sich eine einfache Lösung, die ihre Probleme beseitigt. Solch eine Lösung versprechen zu können, wird Ihnen zu viel Macht verhelfen und es Ihnen erlauben, eine Anhängerschaft aufzubauen. Statt die komplizierten Erklärungen des wirklichen Lebens zu bieten, kehren Sie zu den primitiven Lösungen unserer Vorfahren zurück, zur geheimnisvollen Medizin und magischen Zirkeln der guten alten Zeit, zum wundertätigen Allheilmittel.

2. Schritt: Gib dem Visuellen und dem Sinnlichen den Vorzug vor dem Intellektuellen

Wenn sich die Menschen erst einmal an Sie wenden, bringt das zwei Gefahren mit sich: Langeweile und Skepsis. Langeweile läßt die Menschen woandershin abwandern; Skepsis gibt ihnen die Distanz, rational über das nachzudenken, was Sie ihnen anbieten. Mit anderen Worten: Die Skepsis bläst den Nebel fort, mit dem Sie so trickreich Ihre Ideen verhüllt haben, so daß sie plötzlich als das dastehen, was Sie sind. Sie müssen also dafür sorgen, daß sich die Leute amüsieren und nicht langweilen, und Sie müssen sich die Zyniker vom Leibe halten.

Am besten gelingt das mit großem Theater und anderen vergleichbaren Mitteln. Umgeben Sie sich mit Luxus, blenden Sie Ihre Anhänger mit visuellem Glanz, mit süßen Worten, sprechen Sie von angeblichen Kontakten mit aller Welt, geben Sie ihnen ein Spektakel, das Ihre Augen fesselt. Dann sehen Sie nicht nur nicht die Lächerlichkeit Ihrer Ideen, die Löcher in Ihrem Glaubenssystem, sondern Sie gewinnen auch noch mehr Aufmerksamkeit, noch mehr Anhänger. Appelieren Sie an alle Sinne: Weihrauch für die Nase, beschwichtigende Musik für die Ohren, bunte Grafiken und Schaubilder für die Augen. Sie können evtl. sogar dem Geist etwas zu knabbern geben, etwa indem Sie neue technologische Kinkerlitzchen verwenden, um Ihrem Kult einen pseudowissenschaftlichen Anstrich zu geben – doch lassen Sie es nicht so weit kommen, daß irgend jemand das Denken anfängt.

Bedienen Sie sich des Exotischen - ferner Kulturen, fremder Gebräuche - , um theatralische Effekte zu erschaffen, so daß die banalsten und gewöhnlichsten Dinge wie Fanale von etwas Außergewöhnlichem scheinen.

Schritt 3: Borgen Sie sich die Formen organisierter Religionen, um Ihre Gruppe zu strukturieren.

Ihre Anhängerschaft wächst: Es wird Zeit sie zu organisieren. Sie muß das als erhebend und zugleich als anheimelnd empfinden. Unzählige Gläubige haben jahrhundertelang die Autorität der organisierten Religionen nie in Frage gestellt, und in unserem angeblich so aufgeklärten Zeitalter ist es noch immer so. Und selbst wenn die Religion an sich in gewissem Umfang verblaßt, hallt in ihren Formen noch immer die Macht wider. Der Zusammenhang zwischen dem Erhabenen und Heiligen und den organisierten Religionen läßt sich beliebig gründlich ausbeuten. Denken Sie sich Rituale für Ihre Anhängerschaft aus; organisieren Sie sie in einer Hierarchie, abgestuft je nach ihrer Erleuchtetheit; verleihen Sie ihnen Namen und Titel, in denen stets das Religiöse mitschwingt; verlangen Sie von ihnen Opfer, die Ihre Truhen füllen und Ihre Macht mehren werden. Und um die quasi-religiöse Qualität Ihrer Versammlungen zu unterstreichen, sprechen und handeln Sie wie ein Prophet in Trance. Sie sind ja kein Diktator; nein Sie sind ein Priester, ein Weiser, ein Schamane – mit welchem Begriff Sie auch immer Ihre wahre Machtposition religiös vernebeln wollen.

Schritt 4: Verheimlichen Sie Ihre Einkommensquelle

Ihre Anhängerschaft ist gewachsen, und Sie haben sie strukturiert. Ihre Truhen füllen sich nun mit dem Geld der Gläubigen. Doch Sie dürfen niemals den Eindruck erwecken, als hätten Sie es auf dieses Geld abgesehen – und auf die daraus resultierende Macht. Genau an diesem Punkt müssen Sie verschleiern, woher Sie Ihr Einkommen beziehen.

Ihre Anhänger sollen glauben, daß ihnen alle möglichen Güter in den Schoß fallen, wenn Sie Ihnen folgen. Umgeben Sie sich daher mit Luxus, lächeln Sie verklärt und machen Sie sich zum lebenden Beweis für die Gültigkeit Ihres Glaubenssystems. Enthüllen Sie niemals, daß Ihr Reichtum in Wirklichkeit den Taschen und Sparstrümpfen Ihrer Klienten entstammt; stellen Sie vielmehr alles so dar, daß es die Richtigkeit Ihrer Methoden bestätigt und Sie dadurch frei sind, den Menschen zu helfen. Ihre Anhänger werden jeden Ihrer Schritte kopieren und in ihrem Eifer werden sie das scharlatanische an Ihrem Reichtum gar nicht bemerken.

Schritt 5: „Wir gegen sie“ – Dynamik

Ihre Sekte ist jetzt groß. Wenn Sie jedoch nicht aufpassen, macht sich Trägheit breit, und zuviel Zeit und Langeweile entmagnetisieren die Gruppe. Um die Anhänger zusammenzuhalten müssen Sie jetzt etwas tun: Eine Dynamik des „wir gegen Sie“ schaffen.

Stellen Sie zunächst sicher, daß Ihre Anhänger überzeugt sind, einem exklusiven Zirkel anzugehören, der von einem Band gemeinsamer Ziele geeint wird. Um dieses Band zu festigen, bringen Sie die Vorstellung auf, da draußen lauere ein verschlagener Feind, der vernichten will. Es gibt eine Gruppe von Ungläubigen, die alles daransetzen, Sie aufzuhalten. Jeder Außenseiter, der Ihr Glaubenssystem als Scharlatanerie entlarven will, kann jetzt als Handlanger dieses Feindes diskreminiert werden.

Wenn Sie keinen Feind haben, erfinden Sie einen. Bauen Sie sich Strohmänner auf, die sich für und gegen Sie äußern. Das festigt Ihre Anhängerschaft.

Amen



Die Menschen sind ja so einfältig und gehorchen so leicht den Bedürfnissen des Augenblicks,
daß der, der sie betrügen will, immer einen findet, der sich betrügen läßt.

N. Machiavelli



Paßt gut auf Euch auf;)

Isis
 
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das geht viel einfacher

wähle Schlagworte, wiederhohle sie immer wieder und immer wieder... schon hast du deine Jünger (siehe SVP in der Schweiz)

by FIST
 
Hallo,
in diesem Forum gibt es doch keine Sektenanhaenger oder taeusche ich mich?
Hier sind lauter "Einzelkaempfer", also geht der Eingangstext, wenn er kritisch sein will, doch eigentlich an den Leutchen hier vorbei!
Die verschiedenen Sekten haben ihre eigenen Foren und hps.

Bijoux
 
mir fehlt einzig an dem bericht die "ausstrahlung".
der "scharlatan" muss eine ja fast unmenschliche ausstrahlung haben um zu wirken!
herr eberle oder gar frau maier wird das nie schaffen!:D

lg sunlight
 
Schön, einfach schön, ja so ist es halt: Es ist nicht alles Gold was glänzt, nicht wahr?

ich erinnere mich an ein Treffen. Ein Engelmedium, ein Männlicher, der sich seiner Worte bewusst und ein Auftreten hatte....mannnoman, da würden die Frauen umfallen, schööööönnnnn....

....dieser Jenigewelcher ich auch treffen wollte, um seines (Astral-)- Körperswillen ich nahe stehen wollte, um zu schauen, ob er auch das verspricht, was er so mit seinen liebenden Worten versprochen hatte. Als er nun in meine Augen kurz schaute, es meine Seele ergraute - nein, er kam noch zu mir um mit seiner nicht vorhandenen Ausstrahlung mir die Hand zu schütteln und ich zurücktreten musste. Damit meine Aura das nicht abbekommt, was er so ausstrahlte. Das kann es nicht sein. Ein Mensch, mit tiefer Liebe und Respekt zum Höheren stellt sich nicht über andere, aber so ist es halt in unserer (esoterischen) Welt. Geld wird gemacht mit dem Glauben an dem, dass er sich selbst einzureden versucht. Und da es immer andere geben wird, die vor ihm herkriechen, er sein Geld von denen verdienen wird, die nie ihr eigenes Herz gesehen.

Ein Mensch....der meinte stets mit Metatron und Erzengel Michael Kontakt zu haben, trat mir gegenüber. Ich schaute in seine Augen...ja --- sie sagten mir nichts. Sein Bart, seine Haare: penibelst von einem Friseur gerichtet, ohne Fehler, nein er war es nicht - wie schön! Sein Anzug nicht schneeweiß, sondern cremeweiß nur von einer Reinigungsfirma übernommen - stinkend der gleiche, nichtssagende Geruch, seine Schuhe schwarz polliert - kein Hauch von Staub. Seine Grösse - nur dem Menschen bemessen über mir.....sein Ego...kam heraus, als ich bemerkte, wer er war...ein Materialist ohne gleichen, negative Schwingung...er durfte nicht in meine Aura treten, denn es schmerzte schon bei der Annäherung seinesgleichen....schade! Die Engel sind nicht bei Dir...Warum? Weil sie Dir kein dickes Bankkonto verschaffen wollen. Aber auch Du wirst es noch lernen und ich bin Dir keinesfalls sauer darum. Nein! Ich habe nur festgestellt, dass eine Fließband- und Börsengesellschafft keine Engel erschaffen kann...

Gruß
Dionysus
 
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eine der effizientesten sekten nach diesem strickmuster war der nationalsozialismus, der noch immer menschen zu blenden vermag. und so einfach ist es dann auch nicht mehr ... keine sekte kann wachsen ohne sektenmitglieder. kann man denn all jene, die ihre identität ihrem drängenden bedürfnis, glauben zu dürfen, opfern, so völlig aus der pflicht nehmen? genügt es, den empörten drohfinger auf die ach so manipulativen gurus zu richten und dabei die menschen aus ihrer verantwortung zu entlassen dafür, was sie tun und was sie glauben?

ich fürchte, das entstehen von sekten und/oder massenbewegungen ist ein sehr viel komplexeres phänomen als hier so plakativ beschrieben. genau dieses mittel der simplifizierung gehört zum werkzeugkasten der manipulatoren und behindert eher die einsicht in die mechanismen des werdens, des wandels und des vergehens sozialer agglomerate. aber es ist amüsant zu lesen - die bedürfnisse nach scheinlösungen in der unterhaltungsgesellschaft werden damit allemal erfüllt.

alles liebe, jake
 
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