Lieber Oriano,
ja, mit den roten und den grünen Häusern. Nehmen wir einmal an, ich könnte auch so sehen wie du und sehe das Haus was du in rot siehst in grün.
Dann haben wir zwei unterschiedliche "wahr"-nehmungen, wenn wir wirklich gerade dasselbe Haus betrachten. In gegenseitiger Achtung können wir uns dann nur voreinander verbeugen und anerkennen, daß es noch andere Ansichten derselben Sache gibt.
Es gibt ja da keinen objektiven Maßstab, der uns belehren könnte, oder?
Jeder erzeugt mit seinen "wahr"-nehmungen eine ganze innere Welt in sich. Der Mensch ist groß genug in seinem Vermögen, daß er ganze Universen in sich erschaffen kann. Das findet sogar alltäglich statt, nämlich immer, wenn ein Kind gezeugt wird. Jedes Kind ist ein neues Universum, mit einzigartigem Sein und einzigartiger "wahr"-nehmung. Es ist für den Geist im Menschen auch überhaupt kein Problem, sich im Innern eine eigene Jesus-Figur zu erzeugen, mit ihr zu reden und ein ganzes Pantheon von gelehrten Geistern, die ihn unterweisen. All dies könnte auch reine Ein-Bildung sein. Bilder, die im Innern des einen Menschen gebildet werden. Und dort können beliebig viele Häuser rot sein oder grün sein, ganz nach Belieben...
Ich kann nicht beurteilen, was du da siehst, ob das ein ein-gebildeter Jesus oder ein eingebildeter Jesus ist. Also ist es "nur" eine ganz persönliche, individuell erzeugte Jesusprojektion oder ist es "der" Jesus, der im Christentum angenommen wird, daß er auf der Erde gelebt hat, gestorben und auferstanden ist?
Ebensowenig weiß ich, ob du mit einer eingebildeten Buddha-Seele sprichst oder mit "dem" Buddha Shakyamuni, der im Buddhismus angenommen wird, daß er auf der Erde gelebt hat und gestorben ist.
Interessanterweise weiß nicht nur ich diese Dinge nicht, sondern du auch nicht, bin ich der Meinung... - kannst sie nicht wissen, weil du keinen objektiven Bezugsrahmen hast... - alles könnte reine Projektion sein...
Genauso geht es mir natürlich auch, wenn ich dasselbe Haus eventuell grün sehe wo du es rot siehst... - könnte auch reine Projektion von mir sein....
Es ist die Frage der Relativität der persönlichen "wahr"-nehmung oder "ein"-bildung... - also auch die Frage nach dem, wie Pilatus am "sechsten Tag", dem Karfreitag, fragt: "Was ist (schon) Wahrheit?"
Gleichermaßen fragen viele, ja, es ist sehr modern geworden, jedem seine persönliche "wahrheit" zuzumessen... - man könnte aber auch sagen, jedem seine persönliche "einbildung"... - jeder Jeck ist anders, wie man in Kölle sagt...
Wie könnten wir an diesem Punkte weiterkommen als nur zu einem herzlosen "jedem seine eigene Verrücktheit/Wahrheit"?
Ist nicht das wesentliche Kennzeichen des Geistes die EIN-heit? Müssen sich die unterschiedlichen Wege, die jeder Mensch auf dem Weg bis zum Gipfel der Ver-EIN-igung mit dem ALLES beschreitet, nicht irgendwie treffen, aufeinander zu bewegen?
Und was könnten die Kennzeichen davon sein, daß jemand sich dieser EIN-heit nähert? Müßte sich dann nicht ein ALL-gem-EIN-es ER-kennen einstellen?
Der ER-leuchtete, so wird gesagt, sieht anhand eines kleinen Klumpens Ton die Natur des gesamten Tons im Uni-versum ("uni"- bedeutet "dem einen", "versum" bedeutet "zugewandt"). Kein Ding ist ihm zu gering, als daß nicht wunderbare ER-kenntnis aus ihm fließen kann.
Nun komme ich auf die Rolle der Heiligen Schriften zu sprechen, die der Menschheit gegeben sind. Was auch immer man über die Autoren und Entstehungsart sagen mag, sie waren bestimmt keine Dummköpfe. Jede Heilige Schrift besitzt die Merkmale von erstklassiger Weltliteratur. Jede hat zahllose Menschen zutiefst inspiriert. Menschen, die sicher selber zutiefst bewegt waren von der Sehnsucht nach dem All-Einen und es auch erlebten.
Davor ziehe ich immer mit größtem Respekt meinen Hut. Die Aussprüche der Meister der Meister wurden von Menschen aufgeschrieben, die fasziniert waren von ihrem Geist, von ihrer EIN-Sicht...
Ich finde - natürlich nur in meiner "einbildung", meiner ganz persönlichen "wahr"-nehmung - daß es von wenig Achtung, wenig Respekt, wenig Demut und wenig EIN-Sicht zeugt, wenn jemand, der meint, er sei spirituell schon ein bißle weiter als andere, diese Schriften im Bausch und Bogen als "naja, so ein klein bißchen Wahrheit enthalten sie ja auch" abqualifiziert.
Wenn jemand doch ach so weit spirituell entwickelt ist und schon persönlich mit den Meistern aller Meister sprechen kann, warum erklären sie ihm nicht ihre Worte? Weshalb sind die Heiligen Schriften für viele dieser angeblich so weit spirituell entwickelten Menschen ein Buch mit sieben Siegeln?
Apropos sieben Siegel, da könnte man natürlich einmal in die Offenbarung des Johannes schauen. Gerade dem Menschen, der schon sehr weit in seiner spirituellen Entwicklung ist, dem, dem sich das sechste Chakra öffnet (auch drittes Auge genannt), mit dem er in Vollkommenheit von einem Ende der Schöpfung bis zum anderen schauen könnte, diesem Menschen wird im Sendschreiben an Philadelphia (Offenbarung Kapitel 3, ab Vers 7) geschrieben: "...du hast mein Wort bewahrt". Das Wort, die Heilige Schrift, verachtet dieser Mensch nicht als minderwertig, sondern als vollkommenes Spiegelbild.
Und in Vers 9 kommt die Rede noch einmal auf dieses Wort: "...weil du das Wort meines Ausharrens bewahrt hast, werde auch ich dich bewahren vor der Stunde der Versuchung, die über die ganze bewohnte Erde kommen wird."
Die Öffnung dieses sechsten Chakra bedeutet diese Versuchung. Der Geist des Menschen ist dann soweit entwickelt, daß er ein komplettes Universum in sich erschaffen kann... - und es für die Realität halten kann...
Wozu ist dann das "Wort" da? Als Richtschnur, als goldener Maßstab, ob die Dinge nur persönlicher Projektion entspringen oder wirklich "wahr" sind. Und diejenigen, die sich an dieses "Wort" im Innersten bewahren (nicht im Buchstäblichen, es geht hier nicht um die Fundamentalisten aller Zeiten!!!), die die Wahrheit und EIN-heit aller Heiliger Schriften in sich erkennen können, die sind durch diese goldenen "Zoll"-Stöcke davor bewahrt, sich individuelle, falsche Maße zu konstruieren...
Ja, und wer sagt einem, daß dieses "Wort" denn "wahr" ist? In jedem Sendschreiben an die sieben Gemeinden in Kleinasia stellt sich der Redende am Anfang der Sendschreiben mit bestimmten Eigenschaften vor. Im Sendschreiben an Philadelphia stellt er sich unter anderem als "der Wahrhaftige" vor. Der dort Redende ist "die Wahrheit". An IHM kann gemessen werden. An SEINEN Worten kann man prüfen, was "wahr" ist. Und es muß geprüft werden. Der dort Redende gibt als Bewährung, als Test für die Öffnung des sechsten Chakra dem Menschen andere Menschen und andere Geister, die lügen (Vers 9 Anfang):
"Siehe, ich gebe aus der Synagoge des Satans von denen, welche sagen, sie seien Juden, und sind es nicht, sondern lügen;..."
Es geht genau darum, um Scheidung von Lüge und Wahrheit. Sie ist aber nur demjenigen möglich, der ein Kriterium hat, ein Meßinstrument. Und dieses Meßinstrument sind die Heiligen Schriften. Ich sage bewußt "die" Heiligen Schriften, denn zu allen Zeiten hat sich das Heilige Menschen offenbart, und zu allen Zeiten gab es Menschen, die sogar noch weiter waren als das, was hier gerade angesprochen ist, das sechste Chakra...
Wer meint, er allein hätte die Wahrheit und Weisheit mit Löffeln gefressen und alle anderen Menschen aller Jahrtausende wären halt nicht so weit wie er, ja, derjenige ist leider meist ein Opfer der persönlichen "ein-bildung" und nicht ein ER-kenner des Wahrhaftigen...
Was ist der Preis, der köstliche Preis dessen, der diese Dinge ER-kennen kann, der "überwindet"?
Vers 11: "Wer überwindet, den werde ich zu einer Säule machen in dem Tempel meines Gottes, und er wird nie mehr hinausgehen;..."
allein schon dies ist so groß. Das "er wird nie mehr hinausgehen" bedeutet, daß jemand, der dieses Maß an "Wahrhaftigkeit" in sich selber verwirklicht hat, nicht mehr davon abweichen wird. Er wird in allen Dingen erkennen können, was "Wahrheit" ist, und nicht irregeführt werden können, weil er selbst wie der Redende "die Wahrheit" verkörpert, genauso wie Gott selbst "die Wahrheit" ist...
Parallel zum sechsten Schöpfungstag, wo es auch um das sechste Chakra geht, wird der Mensch hier zum "Bild" Gottes, so wie es jedem Menschen einmal geschieht, der bis dahin "wächst". Aus dieser hohen Warte schreibt Johannes denn auch im 1. Johannesbrief:
"Geliebte, jetzt sind wir Kinder Gottes, und es ist noch nicht offenbar geworden, was wir sein werden; wir wissen, daß, wenn es offenbar werden wird, wir ihm gleich sein werden, denn wir werden ihn sehen, wie er ist."
Wenn - menschlich gesprochen - Gott die Wahrheit ist und die Wahrheit vollständig kennt und der Mensch ein Bild Gottes ist, dann sollte der Mensch auch in diesem Punkt Gott gleich sein.
Doch es ist eben nötig, um bis zu diesem Punkt zu wachsen, sich rigoros zu prüfen, und nicht nur sich selbst mit den eigenen Maßstäben zu messen, sondern sich messen zu lassen... von den Heiligen Schriften... und von anderen Menschen... und in sich selbst Lüge und Wahrheit zu trennen, denn bis zu diesem Punkt ist immer noch beides vorhanden.
Es könnte also alles falsch sein, was ich meine zu erkennen, was ich meine zu sehen, und wie ich meine Erfahrungen interpretiere... alles, wirklich alles...
Was ist "die Wahrheit"? Menschlich gesehen vermutet man dahinter bestimmte Ansichten, bestimmte Aussagen. Manche sind halt wahr und andere sind halt falsch. Doch "die Wahrheit" ist eine lebendige Kraft, sie besteht nicht in einem Glaubenssystem oder einem wissenschaftlichen oder philosophischen Modell, das sind alles nur Spielzeuge für den natürlichen Verstand, nützlich auf seiner Ebene. Es geht nicht um mein rotes oder dein grünes Haus. Das ist nicht die Ebene von "der Wahrheit".
"Die Wahrheit" ist eine ausrichtende Kraft. Sie "begradigt" das, was krumm ist, sie "richtet" das Gefallene wieder auf, sie "heilt" das Zerbrochene, sie befreit das in Fesseln der Täuschung liegende...
Sie ist untrennbar mit "der Liebe" verbunden...
Nur "die Wahrheit" ohne "die Liebe" wäre absolut tödlich. Es ist so eine gigantische Kraft, daß sofort alles zerstört würde, was nicht absolut den Maßstäben Gottes, "der Wahrheit" entspricht.
Aus diesem Grund ist das Sendschreiben an "Philadelphia" gerichtet...
"Phil" bedeutet "schätzen, lieben, gerne haben" und "adelphos" ist der Bruder. Es ist die Bruderliebe, die hier betont wird.
Gerade da, wo Menschen meinen, sie kennen "die Wahrheit", führen sie ihre Schwerter, ihre messerscharfen "Wahrheiten", mit großer Unerbittlichkeit. Nirgends geht es "tödlicher" zu, wenn tödlich noch eine Steigerung haben könnte. Nirgends wird mehr kaputtgemacht als im Streit um "Wahrheit". An diesem Punkt entstehen die großen Dogmen, die "Wahrheiten" der jeweiligen Religionen.
Deshalb wird dieses ganze Thema unter die Überschrift "Bruder-LIEBE" gestellt. Den anderen schätzen. Ihn wert-schätzen. Sich klar sein, daß man mindestens genauso "falsch" liegen kann, und daß "die Wahrheit" keine Sache von falsch und richtig ist... - sondern von den Dingen, die oben genannt sind, von "heilen", von "befreien", von "aufrichten", von "aufatmen".
Und auch die dritte Eigenschaft des Redenden, der sich hier als "der den Schlüssel des David hat..." bezeichnet, ist deshalb wesentlich. "david" bedeutet "geliebt". Wer hat den Schlüssel des "Geliebten"? Derjenige, dessen Herzchakra rein ist, der darinnen nur lauter Liebe findet, lauter Demut. Ohne diesen Schlüssel öffnet sich da oben rein gar nichts außer die wilden Welten der persönlichen Verrücktheiten, die als "meine persönliche Wahrheit" gedeutet werden...
Nur mit diesem Schlüssel, dem der Liebe und dem der Wahrhaftigkeit, kann man überwinden, kann (wie in Vers 12 beschrieben wird) "der Name meines Gottes" auf mich geschrieben werden und bestehen, eines Gottes, der selbst DIE LIEBE ist...
Ich danke Euch Allen.
in Liebe und Wahrheit,
eva-maria