Ok, dann meinst du einen anderen Abgrund als ich.
Das mag sein. Der Abgrund, den ich meine, reißt dir alles weg - nicht nur das, was dein jeweiliger Glaube für das aufzulösende Ego hält. Er fragt nicht, ob du springen willst, denn wenn du ihn erblickst, verblasst alles andere und nur er erscheint noch real. Alles, was er von dir und deinen Überzeugungen übrig lässt, ist eine vage Ahnung von Selbst, aus der, wenn sie sich nicht auch verliert, der Keim einer neuen Welt sprießen kann.
Die richtige Portion Angst meint, wer zuviel Angst vor Selbstauflösung hat, sollte diese Angst nicht dadurch überwinden dass er springt.
Warum?
Eine gewisse kreatürliche Angst vor Selbstauflösung ist normal aber auch nicht gut.
Naja, den Begriff "kreatürliche Angst" verbinde ich mit primär körperbezogener Angst, die in Verbindung mit dem Überlebenstrieb steht. Nun ist der Abyss ja kein physisches Säurebad, d.h. der Körper bleibt erstmal unversehrt, weswegen nicht unbedingt kreatürliche Angst ins Spiel kommen muss. Davon abgesehen haben Menschen ohnehin relativ wenig Einfluss auf das Verhalten ihrer urtriebbedingten Ängste und wer den Abyss sucht, sollte sich notfalls auch mit einem Schwall solcher Ängste abfinden können.
Aber gar keine Angst zu haben ist auch nicht richtig, das bedeutet, dass man in den Wahnsinn geht oder schon darin ist.
Ich finde, dass du das Thema Angst zu wichtig nimmst. Aber auch das ist Ansichtssache.
Die richtige Portion Angst merkt man daran, dass sie einer Ruhe und Klarheit Platz macht.
Du beschreibst einen Idealzustand, der alles andere als die Regel ist. Wie gesagt, fragt dich der Abyss nicht, ob du bereit für ihn bist. Das tut nur die Geisterbahn. Wenn ich beabsichtige, die Schatten der Abysserfahrungen meiner Vorbilder nachzustellen, kann ich mich natürlich bestens vorbereiten. Dann gehe ich klaren Blicks in die Geisterbahn, erschrecke mich unterwegs ein paarmal und habe am Ende mein Ego so gründlich aufgelöst, dass ich in jedem verfügbaren Forum damit angebe.
Ich will niemanden dissen
lachen
, sondern gebe zu bedenken, dass es auch Menschen gibt, die auf den Abyss gestoßen sind, ohne ihn gesucht zu haben. Sie sind natürlich in keiner Weise fähiger als diejenigen, die ihn suchten, aber können sich sicherer sein, tatsächlich den Abyss gefunden zu haben - immerhin haben sie sich vorher keine Vorstellung von ihm gemacht und ihm gegenüber keine bestimmten Erwartungen gehegt.
Aber um zum Thema zurück zu kommen: Wir haben in diesem Thread gelernt, dass die effektivste Waffe gegen die Angst vor der totalen Auslöschung die Etablierung dogmatischer Glaubensüberzeugungen ist, da der Angst offenbar primär Ungewissheit als Nährboden dient.
Mir ging es darum, zu betonen, dass solche Überzeugungen im Abyss keinen Bestand haben, weshalb, auch wenn unsere angstfreien Superhelden aller Bekenntnisse dies für Schwäche halten mögen, zumindest dieser Abyssbewohner, der gerade mit dir schreibt, seinen kreatürlichen Ängsten nichts entgegen zu setzen hat und also permanent vor der Herausforderung steht, mit ihnen zu leben.