Plissken
Sehr aktives Mitglied
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Sehr gut erklärt, danke! Ich möchte nur hinzufügen, dass das, was hier "Illusion" genannt wird, im Gnostizismus als Täuschung bekannt ist. Unter Täuschung (griechisch = plane) versteht man in der Gnosis sowohl eine falsche Vorstellung (Irrtum), die nicht der Wahrheit entspricht, als auch die hypostasierte (personifizierte) Ursache einer solchen Täuschung. Die Täuschung ist daher nicht nur das Resultat einer falschen Vorstellung, sondern eine Entität, die den Status Quo der menschlichen Täuschung produziert und laufend aufrechterhält.Ein Baby hat aber noch nicht diese klare Ich-Identifikation, auch, wie ich vermute, ein Tier nicht oder eine Pflanze. Alle drei können aber offensichtlich leiden. Wobei ich diese altbekannte und beliebte spirituelle Sichtweise" Leid ist eine Illusion, die aus Trennung" entsteht natürlich nicht einfach so vom Tisch wischen will.
Aber auch ein Jivanmukta, ein zu Lebzeiten Befreiter, der also noch im Körper weilt, kann Schmerz empfinden, körperlichen wie seelischen. Er identifiziert sich vielleicht nicht mehr damit, aber das heißt nicht, dass er ihn nicht fühlt;die Illusion der Getrenntheit zu durchschauen heißt nicht, ein seelenloser und gefühlloser Roboter zu werden.
Überhaupt heißt "Alles ist eine Illusion" nicht, dass das, was wir erleben und wahrnehmen, nicht real sei. Der Hinweis auf das Illusionäre ist im Grunde einer auf die Vergänglichkeit der Erscheinungen, auf die Tatsache, dass keine Erscheinung aus sich selbst heraus existiert, sondern aus Ursachen entstanden ist. Und von daher keinen endgültigen Wahrheitscharakter haben kann. Dennoch kennt und nennt jede Kultur etwas, das aus sich selbst heraus existiert, nicht aus Ursachen entstanden ist und daher auch nicht vergehen kann. Nicht geboren seiend, unsterblich seiend. Der TE nennt das den Vater, aber der Namen sind viele im Lauf der menschlichen Geschichte auf diesem Erdenrund.
Diese Anschauung, dass man einfach nur nicht mehr "bewerten" müsse, oder als "Problem" definieren müsse, oder einfach alles nur als "Illusion" ansehen müsse, um aller Probleme und des Leidens selbst ledig zu werden, greift zu kurz. Vor allem wenn wir uns in Folge dessen dazu hinreißen lassen, nicht mehr angemessen zu handeln, problematische Zustände nicht mehr wirkungsvoll zu adressieren.
Ein Beispiel: Ein Erleuchteter kann genauso Zahnschmerzen bekommen wie ein Unerleuchteter, und in beiden Fällen ist das Aufsuchen eines Zahnarztes die beste Wahl. Wenn möglich. Je nachdem wo man lebt und was die eigenen Lebensumstände sind.
Einfach nur zu sagen, dieser Schmerz "existiert nicht wirklich", er ist nur dann ein Problem, wenn ich eines daraus mache, es gibt keine Ursachen für Zahnschmerz außerhalb meines eigenen Bewusstseins, und das ist dann einfach nur noch nicht "spirituell" genug, ich muss einfach nur meine "Schwingung" noch "erhöhen" o.ä., ist mMn ein sehr unangemessener und auch realitätsverleugnender Weg. Der verhindert, sich selbst und anderen adäquat beizustehen.
Damit verwandt ist der Begriff HAL (koptisch), der ungefähr als "Simulation" oder "virtuelle Realität" übersetzt werden kann. Das ist unsere Fähigkeit, die Realität zu modellieren und somit zu verfälschen: Hal. Ein anderes koptisches Wort, Krog, bedeutet "Täuschung" im Sinne von Verwechslung von Plastik mit Perle, weiße Farbe mit Milch. Ich kann mir vorstellen, dass die gnostische Auffassung von Täuschung den Lehren des Dzogchen- und Mahayana-Buddhismus über selbst erzeugte Illusionen entspricht, wobei sich der Geist selbst verwechselt.