Hi liebe Mara, hi liebe Karuna,
mara... schrieb:
ich glaube, dass es gefährlich ist, viel um solche texte zu geben, weil sie suggerieren: du kannst nur demut erfahren, wenn du so bist, wie hier geschrieben steht ...
das halte ich aber definitiv für eine lüge ...
Ich halte das definitiv auch für eine Lüge.
Demut kann man mE nur erfahren, wenn man absolut man selber ist.
Irgendwie verstehe ich Eure Gedankengänge nicht.
Wenn ich liebe, bin ich doch nicht demütig. Und rutsche auch nicht auf den Knieen. Genau das Gegenteil tue ich: Ich werde glücklich, groß und stark.
Im ersten Rausch der Liebe lösen sich die Ichgrenzen auf, die Liebenden verschmelzen. Ja! Das ist ein Teil des Zaubers der Liebe. Aber demütig? Möglicherweise noch vor dem anderen? Ich verstehe nicht. Liebe ist doch Glück! Demut würde doch alles Hochgefühl vermiesen?
Auf den Knien rutsche ich, und zwar bis mir die Zunge raushängt, wenn meine alte Mutter mit einer Sprudelflasche die Treppe heruntergefallen ist: Mutter einsammeln, aufrichten, lagern, Scherben einsammeln... Krankenwagen... Taschepacken... Is nix mit Demut, ist was mit sachlicher Notwendigkeit.
Die Prinzessin bei König Drosselbart hat ein Problem: sie ist ein menschliches Ar....loch. Deshalb wird sie in diesem Märchen gedemütigt, damit sie sich selbst besser kennerlernen kann. Hier wird durch Demütigung Einsicht herausgekitzelt. Der "Häßliche" besitzt ein grosses Herz, und sie, die vermeintlich Tolle, sieht ein wie kleingeistig sie war.
Möchtest Du, Mara, vielleicht nicht gedemütigt werden? Kann das sein?
- Möcht' ich auch nicht. Und erst recht nicht, mich selbst demütigen. Mit Liebe hat das nix zu tun!
Demut ist für mich was ganz anderes.
Es ist für mich das Gefühl, das mich beschleicht, wenn ich mit meinem nahen Anverwandten, den ich liebe, in dem geschlossenen Park der geschlossenen Anstalt spazierengehe, und mein Freund ist ganz verirrt und zart in seiner Seele.
Aber die Herbstsonne wirft schräge Streifen, und wie er dort auf der Wiese steht, tanzen die fallenden Blätter des Ahorns um ihn herum wie goldene Falter.
Und die anderen aus seiner Station äussern ihre Krankheit auf ihre Weise: Der eine wandert einen immer gleichen Kreis um das Blumenbeet, lauft und läuft, rund und rund, und kommt doch nicht an. Ein Anderer hockt sich wiegend in der Ecke, und lächelt ununterbrochen, ununterbrochen vor sich hin. Und die Sonne scheint und die goldenen Blätter wirbeln und tanzen.
Dann denke ich: Werden wir am Ende unseres Lebens - vielleicht - erfahren, wozu jede Lernerfahrung und jede Bitterniss eines Lebens gut war?
Die Erkrankung meines Freundes kann ICH nicht ändern, das ist ausserhalb meiner Macht.
Das Einzige was ich tun kann, ist die Situation so anzunehmen wie sie ist.
Dann fasse ich meinen Freund bei seiner warmen Hand und schwöre mir und ihm innerlich:
Ich werde dich weiterlieben. Auch wenn du nie wieder der wirst, der du mal warst. Ich werde dich weiterlieben, so wie du bist.
Das ist für mich Demut.
Leise, liebe Grüsse,
Geli