MeinWolfsblut
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Eine kleine Geschichte…
Elisa griff sich frustriert an die Stirn. Verdammt… Sprach sie schon wieder kryptonisch? Aspergerdeutsch, dass in dieser Welt einfach kein Gehör fand?
Bei allem was sie tat, tat sie es ohne böse Absichten. Nie hatte sie einen bösen Gedanken bei dem, was sie sagte oder wie sie reagierte. Und doch hatte sie das Talent, immer wieder in Situationen zu geraten, die andere Menschen auf den Kölner Dom jagen würde.
Eine Veränderung sollte es sein. Eine kleine, äußerliche… Deshalb färbte sie sich die Haare kurzerhand blond. Und das Ergebnis gefiel ihr selbst sehr. Hier und da musste man noch ein wenig Schnippeln. Aber sie fand die Frau im Spiegel schön. Nicht mehr jung, aber schick und schön.
Ihre eigene Wahrnehmung begann aber bereits zu wanken, als ihr eigener Sohn, ihr neues Äußeres als Transvestiten-Scheisse bezeichnete. „Du siehst aus wie ein Mann in Frauenkleidern“. Nun wusste sie, dass sie ihm diese Äußerung nicht übel nehmen durfte. Denn ihr Sohn war nicht nur Asperger, sondern viel mehr Autist, als sie es jemals war. Doch hob dies ihre Freude nicht gerade.
Sofort begann es in ihrem Kopf zu rattern… Was war, wenn er recht hatte? Ihr Mann es so sah? Oder noch schlimmer, der Mann, den sie heimlich liebte. War es vielleicht doch zu blond? Zuuu blond?
Mit einer leichten Unsicherheit, brachte sie ihre Kinder zur Schule. Gestresst, innerlich verunsichert und mit dem typischen Gedankenkino eines asperger Emotionsgulasch behaftet. „Nein, du brüllst jetzt nicht…“ sagte sie sich heimlich. Auch wenn dein Sohn sich provozierend wie eine ganze, besoffene Mallorcatruppe durch die Stille des Morgens grölte.
Selbst dann, wenn ihr Töchterchen nicht gerade ladylike herumbockte, weil die Mama zu schnell voran ging. „Du bleibst jetzt ruhig…“ beruhigte sie sich. „Du willst eine gute, verständnisvolle Mama sein!“ Also wurde das pubertierende Gebrumme ihres Sohnes nur von noch lauteren „Sssschs“ und „pssschst“ unterbrochen. Von Peinlichkeit berührt, weil ihre Tochter zum hundertsten Male darüber reden wollte, warum Penise wie Pilze mit Hauben und Vaginas wie aufgeplatzte Igel aussahen.
Alles normal kein Problem. Elisa hatte eine freie Einstellung zur Sexualität. Doch fand sie es peinlich, dass ihr Töchterchen, dies ausgerechnet die alte Frau Meier fragen musste, die damit sichtlich überfordert war. Insgeheim hoffte Elisa, der 93jährigen Dame jetzt nicht auch noch erste Hilfe leisten zu müssen. Jene rang sichtlich mit ihrer Gesichtsfarbe… Rotweißrot…
„Guten Morgen, Frau Meier! Einen schönen Tag noch…“
Tief atmete Elisa die kalte Morgenluft ein und zählte insgeheim von 100 bis 0. Rückwärts. Hilfesuchende blickte sie in den Himmel. Ein trostloser Himmel. Doch die Sonne ließ sich gerade heute nicht recht blicken. Wo blieb sie bloß. Gerade heute… Ihre menschliche Sonne.
Und sie ließ ihren Sohn grölen. Hopsen, springen und Jürgen von der Lippe imitieren, der sich laut über nackte Eier mokierte.
Angekommen! Gott sei Dank!
Zuerst gab sie ihren Sohn beim Schulbegleiter ab… Beiläufig unterhielt man sich. Jener schaute sie plötzlich komplett irritiert an. Zunächst redete er mit Fragezeichen in den Augen weiter und stoppte dann mitten im Satz. Mitten drin. Oh Mist! Zu blond…? Zu blond! Er starrte sie nur mit offenem Mund an und vergaß dabei, ihr noch einen schönen Tag zu wünschen. Also tat sie es, mich einem gekonnten Lächeln auf den Lippen. „Einen schönen Tag noch, Herr Balduin!“
Schnell weiter. Nichts anmerken lassen. Elisa! Steh darüber! Contenance, meine Liebe, Contenance!
Das nächste Ärgernis traf sie völlig unvermittelt. Eigentlich dachte sie sich nichts dabei, ihre Tochter auf den Schulhof zu bringen. Doch ehe sie das Schultor erreicht hatte, standen zwei kleine Dötzchen vor ihr, während ihre Tochter munter die Knöpfe am schönen Wintermantel zählte.
Die Beiden starrten sie mit offenen Mündern an… Große blaue, Kinderaugen. Erst als Töchterchen beim 100en imaginären Kopf angelangt war, traute sich eine der Mädels lauthals, ihre Meinung zu äußern. Ein unvermitteltes: „du siehst heute aber scheisse aus“, traf Elisa unvermittelt. Auch das ungefragte:“nee, siehst echt nicht gut aus…“, machte es nicht besser.
Doch auch hier bewahrte Elisa noch eine gewisse Kontrolle. „Nicht gut? Ah okay. Zu spät…“ Dabei konnte sie sogar noch irgendwie lächeln und witzelte mit gespielter Selbstironie, während ihre Unsicherheit wuchs. Töchterchen war inzwischen bei Knopf Nummer 305 angelangt… Verdammt! Elisa wusste gar nicht, dass ihr Mantel soviele Knopfmöglichkeiten hatte.
Doch erst, als Frau Schneider um die Ecke bog, ebenfalls eine muntere Grundschul-Kindesmutter, reichte ihr es ihr. Denn Frau Schneider zeigte mit dem Finger auf Elisa und kicherte. Laut sagte sie: „Ahahahahaaaaa…“, was übersetzt soviel bedeutete wie: „Himmel, siehst du scheisse aus!“ Erst dann brüllte Elisa ihre Tochter an: „Zappalott, wieviele Knöpfe hat das Ding denn noch?!?“ Erst dann!
Natürlich drehte sich nun alles um. Denn jeder wollte nun wissen, wer Zappalott war. Und Töchterchen äußerte sich laut: „Mama, wer ist Zappalott?“ Ja, wer war denn Herr Zappalott?
Just in diesem Moment sah sie ihren Lieblingsmenschen auf dem Schulhof. Der Mensch, der ihr mit seinem Lächeln schon so oft Mut gemacht hatte. Er… Er würde sie verstehen, sie anlächeln und alles wäre wieder gut. Doch bevor auch nur ein kleiner Blick zu erhaschen war, grollte sich ein dicker LKW vor ihre Nase. Versammlung, verdammt, verdammt! Warum???
Als sich dann auch ein Schulfreund ihrer Tochter dazwischen schob, Elisas Stoßgebet zum Himmel unterbrach und sie ebenfalls mit offenem Mund anstarrte, entschied sie sich, ihr Kind auf den Schulhof zu schieben und die Flucht zu ergreifen. Nur weg… „Tschüss mein Schatz, schönen Tag noch!“
War sie ein Opfer? Ein gedankenverlorener Blick in ein frisch geputztes Auto. Nein. Keineswegs. Sie war aber neu erblondet. Schön erblondet. Ja, es war schön!
Und sie lief… Weg aus der unangenehmen Situation. Erst als sie außer Atem den Park erreicht hatte, schloss sie kurz die Augen und wünschte sich, der Tag möge möglichst bald enden. Oder wenigstens mit ein bisschen Sonne.
Doch heute blieb der Himmel grau…
Elisa griff sich frustriert an die Stirn. Verdammt… Sprach sie schon wieder kryptonisch? Aspergerdeutsch, dass in dieser Welt einfach kein Gehör fand?
Bei allem was sie tat, tat sie es ohne böse Absichten. Nie hatte sie einen bösen Gedanken bei dem, was sie sagte oder wie sie reagierte. Und doch hatte sie das Talent, immer wieder in Situationen zu geraten, die andere Menschen auf den Kölner Dom jagen würde.
Eine Veränderung sollte es sein. Eine kleine, äußerliche… Deshalb färbte sie sich die Haare kurzerhand blond. Und das Ergebnis gefiel ihr selbst sehr. Hier und da musste man noch ein wenig Schnippeln. Aber sie fand die Frau im Spiegel schön. Nicht mehr jung, aber schick und schön.
Ihre eigene Wahrnehmung begann aber bereits zu wanken, als ihr eigener Sohn, ihr neues Äußeres als Transvestiten-Scheisse bezeichnete. „Du siehst aus wie ein Mann in Frauenkleidern“. Nun wusste sie, dass sie ihm diese Äußerung nicht übel nehmen durfte. Denn ihr Sohn war nicht nur Asperger, sondern viel mehr Autist, als sie es jemals war. Doch hob dies ihre Freude nicht gerade.
Sofort begann es in ihrem Kopf zu rattern… Was war, wenn er recht hatte? Ihr Mann es so sah? Oder noch schlimmer, der Mann, den sie heimlich liebte. War es vielleicht doch zu blond? Zuuu blond?
Mit einer leichten Unsicherheit, brachte sie ihre Kinder zur Schule. Gestresst, innerlich verunsichert und mit dem typischen Gedankenkino eines asperger Emotionsgulasch behaftet. „Nein, du brüllst jetzt nicht…“ sagte sie sich heimlich. Auch wenn dein Sohn sich provozierend wie eine ganze, besoffene Mallorcatruppe durch die Stille des Morgens grölte.
Selbst dann, wenn ihr Töchterchen nicht gerade ladylike herumbockte, weil die Mama zu schnell voran ging. „Du bleibst jetzt ruhig…“ beruhigte sie sich. „Du willst eine gute, verständnisvolle Mama sein!“ Also wurde das pubertierende Gebrumme ihres Sohnes nur von noch lauteren „Sssschs“ und „pssschst“ unterbrochen. Von Peinlichkeit berührt, weil ihre Tochter zum hundertsten Male darüber reden wollte, warum Penise wie Pilze mit Hauben und Vaginas wie aufgeplatzte Igel aussahen.
Alles normal kein Problem. Elisa hatte eine freie Einstellung zur Sexualität. Doch fand sie es peinlich, dass ihr Töchterchen, dies ausgerechnet die alte Frau Meier fragen musste, die damit sichtlich überfordert war. Insgeheim hoffte Elisa, der 93jährigen Dame jetzt nicht auch noch erste Hilfe leisten zu müssen. Jene rang sichtlich mit ihrer Gesichtsfarbe… Rotweißrot…
„Guten Morgen, Frau Meier! Einen schönen Tag noch…“
Tief atmete Elisa die kalte Morgenluft ein und zählte insgeheim von 100 bis 0. Rückwärts. Hilfesuchende blickte sie in den Himmel. Ein trostloser Himmel. Doch die Sonne ließ sich gerade heute nicht recht blicken. Wo blieb sie bloß. Gerade heute… Ihre menschliche Sonne.
Und sie ließ ihren Sohn grölen. Hopsen, springen und Jürgen von der Lippe imitieren, der sich laut über nackte Eier mokierte.
Angekommen! Gott sei Dank!
Zuerst gab sie ihren Sohn beim Schulbegleiter ab… Beiläufig unterhielt man sich. Jener schaute sie plötzlich komplett irritiert an. Zunächst redete er mit Fragezeichen in den Augen weiter und stoppte dann mitten im Satz. Mitten drin. Oh Mist! Zu blond…? Zu blond! Er starrte sie nur mit offenem Mund an und vergaß dabei, ihr noch einen schönen Tag zu wünschen. Also tat sie es, mich einem gekonnten Lächeln auf den Lippen. „Einen schönen Tag noch, Herr Balduin!“
Schnell weiter. Nichts anmerken lassen. Elisa! Steh darüber! Contenance, meine Liebe, Contenance!
Das nächste Ärgernis traf sie völlig unvermittelt. Eigentlich dachte sie sich nichts dabei, ihre Tochter auf den Schulhof zu bringen. Doch ehe sie das Schultor erreicht hatte, standen zwei kleine Dötzchen vor ihr, während ihre Tochter munter die Knöpfe am schönen Wintermantel zählte.
Die Beiden starrten sie mit offenen Mündern an… Große blaue, Kinderaugen. Erst als Töchterchen beim 100en imaginären Kopf angelangt war, traute sich eine der Mädels lauthals, ihre Meinung zu äußern. Ein unvermitteltes: „du siehst heute aber scheisse aus“, traf Elisa unvermittelt. Auch das ungefragte:“nee, siehst echt nicht gut aus…“, machte es nicht besser.
Doch auch hier bewahrte Elisa noch eine gewisse Kontrolle. „Nicht gut? Ah okay. Zu spät…“ Dabei konnte sie sogar noch irgendwie lächeln und witzelte mit gespielter Selbstironie, während ihre Unsicherheit wuchs. Töchterchen war inzwischen bei Knopf Nummer 305 angelangt… Verdammt! Elisa wusste gar nicht, dass ihr Mantel soviele Knopfmöglichkeiten hatte.
Doch erst, als Frau Schneider um die Ecke bog, ebenfalls eine muntere Grundschul-Kindesmutter, reichte ihr es ihr. Denn Frau Schneider zeigte mit dem Finger auf Elisa und kicherte. Laut sagte sie: „Ahahahahaaaaa…“, was übersetzt soviel bedeutete wie: „Himmel, siehst du scheisse aus!“ Erst dann brüllte Elisa ihre Tochter an: „Zappalott, wieviele Knöpfe hat das Ding denn noch?!?“ Erst dann!
Natürlich drehte sich nun alles um. Denn jeder wollte nun wissen, wer Zappalott war. Und Töchterchen äußerte sich laut: „Mama, wer ist Zappalott?“ Ja, wer war denn Herr Zappalott?
Just in diesem Moment sah sie ihren Lieblingsmenschen auf dem Schulhof. Der Mensch, der ihr mit seinem Lächeln schon so oft Mut gemacht hatte. Er… Er würde sie verstehen, sie anlächeln und alles wäre wieder gut. Doch bevor auch nur ein kleiner Blick zu erhaschen war, grollte sich ein dicker LKW vor ihre Nase. Versammlung, verdammt, verdammt! Warum???
Als sich dann auch ein Schulfreund ihrer Tochter dazwischen schob, Elisas Stoßgebet zum Himmel unterbrach und sie ebenfalls mit offenem Mund anstarrte, entschied sie sich, ihr Kind auf den Schulhof zu schieben und die Flucht zu ergreifen. Nur weg… „Tschüss mein Schatz, schönen Tag noch!“
War sie ein Opfer? Ein gedankenverlorener Blick in ein frisch geputztes Auto. Nein. Keineswegs. Sie war aber neu erblondet. Schön erblondet. Ja, es war schön!
Und sie lief… Weg aus der unangenehmen Situation. Erst als sie außer Atem den Park erreicht hatte, schloss sie kurz die Augen und wünschte sich, der Tag möge möglichst bald enden. Oder wenigstens mit ein bisschen Sonne.
Doch heute blieb der Himmel grau…
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