Das heitere Universum einer explodierenden Sonne

MeinWolfsblut

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12. Juli 2020
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Eine kleine Geschichte…

Elisa griff sich frustriert an die Stirn. Verdammt… Sprach sie schon wieder kryptonisch? Aspergerdeutsch, dass in dieser Welt einfach kein Gehör fand?
Bei allem was sie tat, tat sie es ohne böse Absichten. Nie hatte sie einen bösen Gedanken bei dem, was sie sagte oder wie sie reagierte. Und doch hatte sie das Talent, immer wieder in Situationen zu geraten, die andere Menschen auf den Kölner Dom jagen würde.

Eine Veränderung sollte es sein. Eine kleine, äußerliche… Deshalb färbte sie sich die Haare kurzerhand blond. Und das Ergebnis gefiel ihr selbst sehr. Hier und da musste man noch ein wenig Schnippeln. Aber sie fand die Frau im Spiegel schön. Nicht mehr jung, aber schick und schön.

Ihre eigene Wahrnehmung begann aber bereits zu wanken, als ihr eigener Sohn, ihr neues Äußeres als Transvestiten-Scheisse bezeichnete. „Du siehst aus wie ein Mann in Frauenkleidern“. Nun wusste sie, dass sie ihm diese Äußerung nicht übel nehmen durfte. Denn ihr Sohn war nicht nur Asperger, sondern viel mehr Autist, als sie es jemals war. Doch hob dies ihre Freude nicht gerade.

Sofort begann es in ihrem Kopf zu rattern… Was war, wenn er recht hatte? Ihr Mann es so sah? Oder noch schlimmer, der Mann, den sie heimlich liebte. War es vielleicht doch zu blond? Zuuu blond?

Mit einer leichten Unsicherheit, brachte sie ihre Kinder zur Schule. Gestresst, innerlich verunsichert und mit dem typischen Gedankenkino eines asperger Emotionsgulasch behaftet. „Nein, du brüllst jetzt nicht…“ sagte sie sich heimlich. Auch wenn dein Sohn sich provozierend wie eine ganze, besoffene Mallorcatruppe durch die Stille des Morgens grölte.

Selbst dann, wenn ihr Töchterchen nicht gerade ladylike herumbockte, weil die Mama zu schnell voran ging. „Du bleibst jetzt ruhig…“ beruhigte sie sich. „Du willst eine gute, verständnisvolle Mama sein!“ Also wurde das pubertierende Gebrumme ihres Sohnes nur von noch lauteren „Sssschs“ und „pssschst“ unterbrochen. Von Peinlichkeit berührt, weil ihre Tochter zum hundertsten Male darüber reden wollte, warum Penise wie Pilze mit Hauben und Vaginas wie aufgeplatzte Igel aussahen.

Alles normal kein Problem. Elisa hatte eine freie Einstellung zur Sexualität. Doch fand sie es peinlich, dass ihr Töchterchen, dies ausgerechnet die alte Frau Meier fragen musste, die damit sichtlich überfordert war. Insgeheim hoffte Elisa, der 93jährigen Dame jetzt nicht auch noch erste Hilfe leisten zu müssen. Jene rang sichtlich mit ihrer Gesichtsfarbe… Rotweißrot…

„Guten Morgen, Frau Meier! Einen schönen Tag noch…“

Tief atmete Elisa die kalte Morgenluft ein und zählte insgeheim von 100 bis 0. Rückwärts. Hilfesuchende blickte sie in den Himmel. Ein trostloser Himmel. Doch die Sonne ließ sich gerade heute nicht recht blicken. Wo blieb sie bloß. Gerade heute… Ihre menschliche Sonne.

Und sie ließ ihren Sohn grölen. Hopsen, springen und Jürgen von der Lippe imitieren, der sich laut über nackte Eier mokierte.

Angekommen! Gott sei Dank!

Zuerst gab sie ihren Sohn beim Schulbegleiter ab… Beiläufig unterhielt man sich. Jener schaute sie plötzlich komplett irritiert an. Zunächst redete er mit Fragezeichen in den Augen weiter und stoppte dann mitten im Satz. Mitten drin. Oh Mist! Zu blond…? Zu blond! Er starrte sie nur mit offenem Mund an und vergaß dabei, ihr noch einen schönen Tag zu wünschen. Also tat sie es, mich einem gekonnten Lächeln auf den Lippen. „Einen schönen Tag noch, Herr Balduin!“

Schnell weiter. Nichts anmerken lassen. Elisa! Steh darüber! Contenance, meine Liebe, Contenance!

Das nächste Ärgernis traf sie völlig unvermittelt. Eigentlich dachte sie sich nichts dabei, ihre Tochter auf den Schulhof zu bringen. Doch ehe sie das Schultor erreicht hatte, standen zwei kleine Dötzchen vor ihr, während ihre Tochter munter die Knöpfe am schönen Wintermantel zählte.

Die Beiden starrten sie mit offenen Mündern an… Große blaue, Kinderaugen. Erst als Töchterchen beim 100en imaginären Kopf angelangt war, traute sich eine der Mädels lauthals, ihre Meinung zu äußern. Ein unvermitteltes: „du siehst heute aber scheisse aus“, traf Elisa unvermittelt. Auch das ungefragte:“nee, siehst echt nicht gut aus…“, machte es nicht besser.

Doch auch hier bewahrte Elisa noch eine gewisse Kontrolle. „Nicht gut? Ah okay. Zu spät…“ Dabei konnte sie sogar noch irgendwie lächeln und witzelte mit gespielter Selbstironie, während ihre Unsicherheit wuchs. Töchterchen war inzwischen bei Knopf Nummer 305 angelangt… Verdammt! Elisa wusste gar nicht, dass ihr Mantel soviele Knopfmöglichkeiten hatte.

Doch erst, als Frau Schneider um die Ecke bog, ebenfalls eine muntere Grundschul-Kindesmutter, reichte ihr es ihr. Denn Frau Schneider zeigte mit dem Finger auf Elisa und kicherte. Laut sagte sie: „Ahahahahaaaaa…“, was übersetzt soviel bedeutete wie: „Himmel, siehst du scheisse aus!“ Erst dann brüllte Elisa ihre Tochter an: „Zappalott, wieviele Knöpfe hat das Ding denn noch?!?“ Erst dann!

Natürlich drehte sich nun alles um. Denn jeder wollte nun wissen, wer Zappalott war. Und Töchterchen äußerte sich laut: „Mama, wer ist Zappalott?“ Ja, wer war denn Herr Zappalott?

Just in diesem Moment sah sie ihren Lieblingsmenschen auf dem Schulhof. Der Mensch, der ihr mit seinem Lächeln schon so oft Mut gemacht hatte. Er… Er würde sie verstehen, sie anlächeln und alles wäre wieder gut. Doch bevor auch nur ein kleiner Blick zu erhaschen war, grollte sich ein dicker LKW vor ihre Nase. Versammlung, verdammt, verdammt! Warum???

Als sich dann auch ein Schulfreund ihrer Tochter dazwischen schob, Elisas Stoßgebet zum Himmel unterbrach und sie ebenfalls mit offenem Mund anstarrte, entschied sie sich, ihr Kind auf den Schulhof zu schieben und die Flucht zu ergreifen. Nur weg… „Tschüss mein Schatz, schönen Tag noch!“

War sie ein Opfer? Ein gedankenverlorener Blick in ein frisch geputztes Auto. Nein. Keineswegs. Sie war aber neu erblondet. Schön erblondet. Ja, es war schön!

Und sie lief… Weg aus der unangenehmen Situation. Erst als sie außer Atem den Park erreicht hatte, schloss sie kurz die Augen und wünschte sich, der Tag möge möglichst bald enden. Oder wenigstens mit ein bisschen Sonne.

Doch heute blieb der Himmel grau…
 
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Doch hatte sie heute damit gerechnet, dass es nicht noch schlimmer kommen könnte, so stellte sich dies als Riesenirrtum heraus.

Die Schwiegereltern kündigten sich an. So wollten sie doch die Kinder abholen und zum Wochenende mitnehmen.

Für Elisa hieß das aber eben nicht „entspann dich, freu dich auf ein bisschen Zeit für dich“, sondern ein „Meine Chaotenfamilie hat gehaust, also ist Großputz angesagt.“ Denn Schwiegermama findet auch den kleinsten Staubkorn und räumt im schlimmsten Fall die Schränke um.

Also entschloss sich Elisa ein bisschen zu heulen, ein bisschen vor sich hin zu meckern, die Musik auf volle Lautstärke aufzudrehen. Angerotzte Taschentüchter, zerfleddertes Papier und den vergessenen Muffin von Töchterchens Freundin, in den Mülleimer zu werfen. Putzfeudel raus und der wallenden Mustangherde den Kampf angesagt.

Elisa konnte einfach nicht entspannt sein. Seitdem ihr der Schwiegervater einmal groß „Sau“ auf die Abzugshaube gekratzt hatte, hatte sie ein sehr ungesundes Schema entwickelt. Kam Besuch, musste die Bude blitzen. Je weniger Zeit dazwischen, desto größer wurde Elisas Stresslevel. Die Uhr war ihr Feind. Heute erst recht.

Denn so etwas wollte sie nie, nie wieder erleben. Nie wieder. Doch wusste sie: Schwiegermama würde auch jetzt noch die letzte staubige Ecke finden und es groß herumtönen. Weil sie als Schwiegertochter nicht in ihre Familie passte. Was sie nicht nur einmal laut gesagt erwähnt hatte. „Du bist zu sensibel…“, „zu langweilig“, „zu anders…“ Blablabla…

Warum tat Elisa das alles? Sie tat es für sich selbst. Um nach dem bis zum Anschlag gesteigerten Stresslevel ihre Ruhe zu bekommen. Und um sich nicht drei Stunden lang anhören zu müssen, was für eine Enttäuschung sie doch wäre.

Also band sie sich die neuen blonden Haare zusammen und rockte das Ding, während ACDC sich die ohnehin schon zerfressenen Stimmbänder aus dem Anus quetschte.

Sagte ich schon mal, dass die Zeit Elisas Feind war? Ja. Ich erwähnte es bereits. Schon gut, schon gut… Und auch diesmal hinterging sie Elisa ganz rigoros. Denn als sie sich das dritte mal umdrehte, zeigte die Uhr bereits 11.10 Uhr. Ja Herrschaftszeiten, hatte sich denn alles gegen sie verschworen?

Schnell, schnell raus auf die Straße.

Oh Gott! Elisa war nicht nur blond, sondern auch selten dämlich. Denn sie stellte fest, dass sie sich ohne Hose auf der Straße befand. Um Gottes Willen! Hatte das Jemand gesehen? Nein, glücklicherweise nicht.

Elisas Stresslevel, erreichte ungeahnte Höhen, als sie erneut die Tür aufschloss, sich die Hose anzog und im Schweinsgalopp die Straße runter raste. Im Schnellflug schloss sie die Jacke mit den 500 Knöpfen, befand sich im mit Schlamm bespritzten Autospiegel des Nachbarn für gut, und hetzte was das Zeug hielt, zur Schule.

Vor dem Schulhof traf sie die Mutter eines Klassenkameraden ihrer Tochter. An ihrem eigenen Atem fast erstickend, drückte Elisa nur ein:“Na, wie geht‘s?“ heraus. Doch die Antwort pfefferte ihr knallhart ins Gesicht und zog sich wie ein quietschendes Bungeeseil, um ihren Hals.
„Zu blond!“

Was? Hatte sie das richtig gehört? Zu blond? Auf ein freundliches „Wie geht es?“. Ja, sie hatte richtig gehört.

Wer tickte nun nicht ganz koscher? Sie oder die Welt um sie herum?
 
Um der ganzen Dorf-Meuterei zu entgehen, hatte sich Elisa nun einen Pony in ihre Langhaarfrisur geschnitten. Das Blond war jetzt nun mal da wo es eben war, doch vielleicht hatte sie mit einer ähnlich geschnittenen Frisur, nun ihre Ruhe.

Aber wie sollte es anders sein? Natürlich wurde Elisa mit einem lauten „Mama, jetzt sieht es aber wirklich scheisse aus! Vorher warst du schön“ empfangen. What the fuck… Oh no!

Lieber Leser… Und nun sagen Sie mir bitte nicht, dass nicht auch ihr Selbstbewusstsein rasch in den tiefsten Keller versunken wäre. Ich schätze: bis zum vermaledeiten Abfluss hinunter! Nicht wahr? Ja. Elisa fand aber den Abspülknopf nicht.

Doch dieser Freitag, hatte seinen tiefsten Punkt noch nicht erreicht.

Um 15 Uhr, sollten die Kinder abgeholt werden. Adrett gekleidet, Tasche gepackt, Wohnung sauber… Der frisch gebacken Kuchen stand schon auf dem Tisch. Ja was kann denn da noch schief gehen? Ja was denn bloß? Ja… Was? Was!!! WAS!!!!

Genau! Elisas Schwiegermutter ging schief! Aber heftigst. Denn sie brach bereits an der Tür, mit einem Lachanfall zusammen. Kein „Guten Tag“, kein „Hallo, wie geht‘s?“. Nein, sie kam aus dem Lachen nicht mehr heraus. Hielt sich den Bauch und schrie vor Lachen.

Elisa begab sich sich müde in die Küche, irgendwie fühlte sie sich kraftlos. Als dann noch der Schwiegervater die Nase rümpfte, reichte es ihr. Es reichte ihr wirklich!
Also schnappte sie sich unter Schwiegermams Gezeter die Jacke und ging einfach raus. Einfach nur weg. Einfach nur raus.

Ja, sie wagte es, die Wohnung zu verlassen und sie selbst zu sein. Unter dem wilden Gezeter, dass sie ja immer das Weite suchen würde, wenn es ernst werden würde… Und überhaupt: die Farbe wäre furchtbar!

Ein ganz normaler Freitag, für Elisa die Erblondete…

Mit Tränen in den Augen, zusammengekniffenem Gebiss und den Fäusten in der Manteltasche, lief Elisa los. Natürlich. Sie wusste, sie würde auch wieder zurückkehren. Aber irgendwann… Irgendwann. Ja irgendwann…

Irgendwann.
 
Sarah‘s konnte ihren Blick nicht von diesem wunderschönen Sternenhimmel lösen. Ein Stern nach dem anderen. Funkelnd, wie Diamanten im Licht.
Wunderschön anzusehen in der der funkelnden Nacht.
Und irgendwo mitten drin der Mond. Silberglänzend.
Kein Vollmond. Doch war ein voller Mond auch gar nicht nötig, um Sarah vollständig zu verzaubern. Auch als Sichel, prangte dieser tolle Mond absolut faszinierend über ihrem Kopf.
Silber… Wie wunderschön. Sarah mochte Silber sowieso lieber, wie Gold.
Ein kleiner Kopf, schob sich in ihren Arm.
„Du Mama? Mama, Mama?“
Adrian, ihr kleiner Sohn, verschaffte sich unausweichlich Aufmerksamkeit.
„Ja was ist denn, mein Schatz?“
Lächelnd streichelte Sarah durch sein dickes, dunkles Haar…
„Was würdest du tun, wenn dir so ein Stern auf den Kopf fallen würde?“
Typisch Adrian… Der kleine Spatz.
„Dann wäre es eine Sternschnuppe und wir dürften uns was wünschen…“
„Weißt du was ich dir wünschen würde, Mama?“
Sein Kopf wackelte aufgeregt hin und her und seine braunen Augen blitzten…
„Dann würde ich mir wünschen, dass du glücklich wirst…“
„Aber pssscht, Adrian! Das darfst du doch nicht aussprechen. Sonst geht der Wunsch doch nicht in Erfüllung…“
Jetzt war Adrian voll in seinem Element. Hopsend sprang er hoch…
„Doch! Wenn du um die Ecke gehst und die Tür sich öffnet. Wenn du ihn siehst, dann bist du glücklich. Das weiß ich…“
Ruhig schaute sie ihren Sohn an. Wie klug er doch war.
„Aber es ist doch noch keine Sternschnuppe gefallen, Adrian…“
„Doch Mama. Bestimmt ganz heimlich. Irgendwann!“
Sie beließ es dabei, nahm ihren kleinen Sohn in den Arm und schaute an diesem Abend noch oft, nach möglichen Sternschnuppen. Nach einer ganz besonderen, heimlichen Sternschnuppe.
 
Leise schnorchelte er neben ihr. Auf der anderen Seite des Bettes.
Und sie konnte einfach nicht schlafen.
Hellwach lag sie da.
Nach 15 Jahren hatte es etwas vertrautes und doch so viel fremdes…
Leise zog sie sich an. Was wäre jetzt wenn…?
Wenn sie einfach gehen würde?
Niemand bemerkte die leise quietschende Tür und das Klicket ihrer Schlüssel.
Sanft zog sie die Haustüre hinter sich zu…
Was wäre wenn? Wenn sie jetzt gehen würde?

Kalt war es draußen. In der Nacht.
Fröstelnd zog sie den Schal übers Kinn.
Was wäre wenn…
Doch wohin sollte sie jetzt gehen?
Alles schlief, alles war still.
Ob er wohl auch nicht schlafen konnte?
Er, ihre heimliche, große Liebe.
Sicher hatte er es warm und gemütlich,
in seinem Ehebett.
Und sie wollte, dass er glücklich war. Wirklich.
Auf der anderen Seite, seines Bettes.

Wo sollte sie hin?
Schon merkwürdig.
So ruhig. So still alles.
Keiner der sie hielt,
keiner der sie in ihren Gedanken unterbrach.
Keiner der sie aufhielt.
Wollte sie denn aufgehalten werden?

Also ging sie einfach los.
Ziel unbekannt.
Mitten in der Nacht und im eisigen Wind.
Sollte sie wirklich in den Wald gehen?
Er war so wunderschön in dieser Nacht.
Der Wald, mit seinen rauschenden Ästen.
Einen Augenblick blieb sie stehen und lauschte.
Hörte der Stille zu.

So schön. So wundervoll. Die Ruhe.
Sie war allein. Ganz allein.
Nur ein kurzer Spaziergang durch die Nacht.
Nur kurz.
Sie und die eisige Stille der Nacht.
Einige verbotene Schritte über weiche Erde und Laub.

Doch da…
Ein Knacken. Geräusche. Angst.
Würde Jemand sie hören, sie sehen…
Oh nein.
Allein als Frau, mitten in der Nacht.
Die einfach nicht wusste, wohin sie mit all ihren Gedanken und Gefühlen sollte.
Was tat sie nur?

Vielleicht war es besser so.
Das Schicksal wird entscheiden. Irgendwann.

Leise knackte der Schlüssel im Schloss.
Ein leises Murren aus dem Nebenraum.
„Ist was…?“
„Nein, Schlaf weiter. Alles gut.“
Niemand hatte ihre Abwesenheit bemerkt.
Nur die rauschenden Bäume im Wald.
Doch die würden sie nicht verraten.
Sie schwiegen ruhig, in der Stille der Nacht.
 
Sonne und Mond

Weißt du warum der Mond geht, wenn die Sonne kommt?
Ich will es dir gerne erzählen.

Denn einst waren Sonne und Mond ein Paar.
Das ist schon ewig her.
Bevor sich Gott entschied, den Menschen zu erschaffen.
Weit, weit vorher.

Sonne und Mond waren eins.
Wenn die Sonne zu sehr brannte, kühlte sie der Mond.
Und wenn der Mond fror, so wärmte ihn die Sonne.
Es hätte ewig so gehen können.

Doch eines Tages stritten sich Sonne und Mond.
Niemand weiß mehr wirklich so genau, worum es eigentlich ging.
Das ist schon so lange her, so lange.
Und ich glaube, Sonne und Mond wissen es selbst nicht mehr.

Die Sonne verließ die Umlaufbahn des Mondes.
Sie ließ den Mond allein.
Seitdem verbrennt die Sonne alles, was ihr zu nahe kommt.
Und der Mond hat nichts lebensfreundliches mehr auf seinem Grund.
Weil sie immer noch um den anderen trauern.

Doch ist es nicht so, als würden sich Sonne und Mond nicht mehr lieben.
Nein, nein!
Das tun sie nach wie vor. Heiß und überirdisch.
Heimlich, jeder für sich.

Sie fanden ihr Glück in den Sekunden,
In der sich Nacht und Tag treffen.
Dann fühlen sie ihre Liebe so sehr, dass der Himmel rot und gelb leuchtet.
In Liebe erglüht.
Jeden Morgen und Abend.

Doch ist es ihnen nie mehr gelungen, ihre Umlaufbahn zu kreuzen.
Sie laufen am anderen vorbei.
Denn Mond und Sonne schmollen offiziell immer noch.
Und sehnen sich doch so sehr danach, sich heimlich zu begegnen.

So. Jetzt weißt du, warum sich Tag und Nacht nicht vereinen.
Und Sonne und Mond in ewiger Sehnsucht am Himmel stehen.
In ewig unerfüllter Liebe.
Lebend für den Augenblick.

Pssscht… Sei mal ganz leise.
Vielleicht hörst du dann, wie der Mond noch heute nach der Sonne ruft.
Ganz still und leise. Still und leise…
 
Da stand sie, Lea… Wartete fröstelnd in der Kälte. Gerade heute hoffte sie, einen kurzen Blick von ihm zu erhaschen. Der Regen prasselte leicht in ihr Gesicht. Soviele Leute und doch waren sie so nichtssagenden für ihr persönliches Leben. Spätestens dann, wenn er sich zeigte, ging bei ihr die Sonne auf. Noch mehr, wenn sie sah, dass auch seinen Mund ein freudiges Lächeln umspielte. Eine Entschädigung des Lebens für jedes weltliche Ärgernis zuvor. Ein Augenblick, in dem ihr Magen nicht mehr schmerzte und selbst 20 Liter Kaffee DAS nicht toppen konnten.
Würde es ihm heute gelingen, ihr ein kleines Zeichen zu geben? Wie die letzten Tage? Ein Hallo, ein kleines Winken?

Und da sah sie ihn… Sein Blick klar sie suchend. Deutlich für sie bestimmt und ihr gewandt. Sollte sie es wagen… Nein, das konnte sie doch nicht machen. Jetzt waren es doch wieder zuviele Leute, um ihm ein deutliches Zeichen zu senden. Physisch, deutlich.

Neben Lea sprach nun eine liebe Bekannte auf sie ein.

Also dachte sie… Ich mach es jetzt wie die Merkel. Raute und Herz. Nicht in die Höhe haltend, unauffällig, scheinbar zufällig. Aber so wie er sie im Blick hatte, würde er es doch bemerken? Vielleicht? Ein zufälliges Herz, wie mit den Fingern spielend. Vor ihrem Bauch, als wüsste sie nicht wohin mit ihren Händen.

Ach egal, vielleicht hatte er es gar nicht gesehen, bei all dem Getümmel? Vielleicht blieb sie besser unauffällig und zurückhaltend. Lea wollte keinen Tratsch riskieren.

Ein kurzes Aufblitzen in seinem Gesicht, ein Lächeln… Der letzte Blick zurück zu ihr, nur zu ihr und die Erkenntnis, dass mit viel Gefühl, manchmal auch kleine, unauffällige Luftherzen irgendwie ankommen.

Jetzt konnte auch Leas Tag, sanft und sonnig weiter gehen. Und das ohne sichtbare Sonne, am grauen Himmel, der ihr gar nicht mehr so trist erschien.
 
@MeinWolfsblut - du schreibst wunderbar und so fleissig - hast du noch nie daran gedacht zu veröffentlichen?

Doch… Mir fehlt noch der Mut, da ich damit schon mal auf die Nase gefallen bin. Tatsächlich hab ich noch ein Versprechen einzulösen, dass ich einem guten Freund (einem Bildjournalisten) mal gab. Nämlich ein Buch zu veröffentlichen. Jetzt ist er schon lange tot. Das Versprechen blieb. Ein bisschen Zeit bleibt vielleicht noch in diesem Leben, es mal einzulösen. Vielleicht.
 
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