Vielleicht eben, weil sie es nicht kennen. Was neues unbekanntes macht mehr Angst als vertrautes Leid.
Es ist gesellschaftlich gesehen auch leichter, über etwas zu klagen, was nicht so schlimm ist, vergleich mal die Reaktionen, wenn man traurig ist, weil der Urlaub gestrichen wurde mit den Reaktionen, wenn ein Angehöriger gestorben ist. Wo gehen die meisten Leute nach einem "Beileid" eher auf Abstand, weil sie überfordert sind? Drum verpacken manche ihr richtiges Leid eher in einer Kleinigkeit und jammern über die. Die Wahrheit kennen dann meist nur wenige. Hab ich auch schon gemacht, über eine relative Unwichtigkeit gejammert, und in Wahrheit haben ganz andere, ernstere Sorgen gedrückt, die ich aber niemandem erzählen konnte. Hauptsache ein bißchen erleichtern.
Das ist mir bekannt.
Ich erwarte trotzdem von erwachsenen Menschen, dass sie die Relationen hinkriegen. Außerdem reden wir hier nicht von Menschen, die zwar traurig sind weil irgendwas ausgefallen ist, die Maßnahmen aber einsehen, sondern von Menschen, die wegen ihrer eigenen, zum größten Teil nicht wichtigen, Einschränkung ein unverhältnismäßiges Bohai veranstalten.
In meinem Team sind drei Frauen. Zwei von ihnen haben Ehemänner und zwei Kinder, eine hat Ehemann und drei Kinder. Uns allen geht es finanziell recht gut. Alle drei Familien sind dieses Jahr einmal in Urlaub gefahren. Niemand hat in der Familie eine schwere Krankheit.
Das Genörgel wurde im Laufe des Jahres immer größer und die letzten Wochen habe ich gedacht, dass sie sich Richtung Querdenker bewegen, es aber noch nicht laut sagen. Letzte Woche war es dann so weit. Es kam genau der kranke Scheiß, den wir in den Querdenkervideos hier sehen können. Querdenker wurden auch gelobt und darauf hingewiesen, dass da ja auch viele "Fachleute" sind. Es wurde darauf hingewiesen, dass die Regierung in unsere Rechte eingreift und wir uns in Richtung Diktatur bewegen, wenn wir nichts dagegen tun.
Kommt das jemandem bekannt vor?
Menschen, die im Gegensatz zu anderen, gerade nur klitzekleine negative Einschnitte erleben.
In der anderen Abteilung habe ich eine Kollegin mit zweijährigem Kind und schwerkrankem Mann. Ihre Schwiegermutter lag lange schwerkrank im Krankenhaus und ist vor kurzem gestorben. Die ganze Situation war mit Corona echt belastend. Nicht nur von der Organisation her, sondern auch auf emotionaler Ebene. Wir haben oft darüber gesprochen, dass sie gerade ein echt schlimme Zeit mitmacht, die durch Corona noch verschlimmert wird. Trotzdem ist sie nicht zum Querdenker geworden. Und sie verknüpft ihre Probleme auch nicht mit den Maßnahmen.