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Pragmatische Entscheidungen seien nötig, sagte Drosten dem World Health Summit zufolge. "Es werden schon Festtagsreden auf den deutschen Erfolg gehalten, aber man macht sich nicht ganz klar, woher er kam." Er gehe schlichtweg darauf zurück, dass Deutschland ungefähr vier Wochen früher reagiert habe als andere Länder. "Wir haben mit genau den gleichen Mitteln reagiert wie andere. Wir haben nichts besonders gut gemacht. Wir haben es nur früher gemacht", erklärte der Leiter des Instituts für Virologie der Charité.
"Wir waren nicht deshalb erfolgreich, weil unsere Gesundheitsämter besser waren als die französischen, oder weil unsere Krankenhäuser besser ausgestattet sind als die italienischen", so Drosten weiter. "Wenn man das jetzt überträgt in den Herbst, dann muss man sich natürlich klarmachen, dass wir auch weiterhin nichts besser machen als andere." Deutschland müsse viel differenzierter und genauer auf die Entwicklungen im Ausland schauen.
"Wir müssen aufhören, uns über so Dinge wie Fußballstadien zu unterhalten. Das ist wirklich komplett irreführend."
Eine wichtige Lektion aus der Pandemie für die Zukunft sei, dass
Gesundheit das Wichtigste für den Einzelnen und die Grundlage für eine funktionierende Gesellschaft sei, sagte Detlev Ganten, Präsident und Gründer des World Health Summit, bei dem Doppelinterview.
"Wirtschaft, Kultur und all das funktioniert eben nicht mehr, wenn das, was wir als garantiert ansehen, nicht mehr da ist. Ich bin nicht sicher, ob das allen wirklich so klar ist."
Klar müsse auch sein, dass die Zulassung eines Impfstoffs nicht sofort die Lösung des Problems bedeute, sagte Drosten. Zunächst müsse die Priorität bei Risikogruppen liegen. "Neben der zu erwartenden Verteilungskompetition ist es auch gar nicht so einfach, so viele Vakzinedosen in Flaschen abzufüllen und die dann auch zu verimpfen", erklärte er. "Deswegen ist das schon eine Unternehmung fürs ganze Jahr 2021."
Der Virologe appelliert zudem an die Wissenschaft, wichtige Themengebiete nicht zu vernachlässigen. Die medizinische Forschung hierzulande sei sehr krebsorientiert. "Dabei sind Infektionserkrankungen, das merken wir nicht nur jetzt, extrem wichtig in der Medizin", so Drosten. "Da brauchen wir viel mehr Forschung." Antibiotikaresistenzen seien das nächste große Thema: "Wir sehen ja, wie es sich rächt, wenn man Betätigungsfelder vernachlässigt, die uns scheinbar nicht betreffen. Aber wirklich nur scheinbar."