Lieber Condemn,
Für mich stellt sich mittlerweile vor allem die Frage: Wie nehme ich es wahr? Damit meine ich... wir streben in aller Regel extrem danach, eine vermeintliche objektive Wahrheit zu finden, wir fragen "Wie ist es WIRKLICH?". Das ist verständlich, führt m.A.n. aber zu nichts. Man hat nur die eigene Wahrnehmung und die eigene Bewertung. Und wenn man sich einerseits fragt, wie da der ganz individuell-subjektive Status Quo aussieht, das für sich selbst klar vor Augen hat, dann ist es m.A.n. auch wieder möglich Veränderungen einzuleiten.
bei dieser Gegenüberstellung von Objektivität und Subjektivität geht meines Erachtens ab und zu verloren, dass es auch eine Ebene "dazwischen" gibt. Wir können uns mit Büchern, die andere Menschen aufgrund ihrer Erfahrungen geschrieben haben, auseinandersetzen. Wir können mit Menschen, die uns nahe stehen, konfrontieren, mit ihnen Erfahrungen in einer gewissen Weise teilen, Perspektiven jeweils einnehmen und aussprechen. Und wir werden wachsen immer schon im Rahmen eines Weltbildes, einer Sprache auf, die für uns einen gewissen Grund ausmachen, von dem aus sich uns überhaupt erst die Möglichkeit eröffnet, diesen zu hinterfragen und uns von diesem mehr oder weniger zu lösen.
Gerade auch die Rede von "individuell-subjektiv" ist eine Redensweise, die sich erst seit dem 16., 17. Jahrhundert etablierte.
Es gibt diese Sphäre der sozialen Interaktion, Verständigung und Gesellschaft, die uns Sinn-Verstehen anhand einer Sprache überhaupt erst differenziert ermöglicht.
Auf dieses Thema bezogen will ich damit sagen: Ich glaube nicht, das man es wirklich absolut ist, für jeden gleich. Aber es kann jeder an sich überprüfen wie es bei ihm ist.
ja, und dennoch kann jeder bei sich überprüfen, wie es bei ihm ist - sicherlich. Er kann dies alleine vor dem PC tun, wenn er Tagebuch schreibt. Er kann dies aber eventuell auch in Anwesenheit eines anderen Menschen tun, in dessen Anwesenheit es ihm möglich wird, bestimmte Gefühle auszusprechen, die er vielleicht niemals alleine hätte aussprechen können. (Dies verweist auch schon auf die Personen-Beziehungen, die du ja auch ansprechen möchtest.)
all das Schöne das wir erleben hat ebenfalls meistens mit Beziehungen zu tun. Das ist für uns Normalos m.A.n. eben die Hauptskala zwischen der sich alles abspielt... Beziehungen...
mir scheint, dass das eine realistische Einschätzung ist, welche viele Menschen betrifft. Es gibt aber auch Menschen, denen es nicht möglich ist, mit anderen Menschen schöne Erfahrungen zu machen; und es gibt mE auch Menschen, die in der Lage sind, auch andersartige Beziehungserfahrungen zu machen.
Ich glaube, rein vom Grundkonzept her ist es so, das wir uns "in uns" getrennt fühlen, irgendeine Verbindung gekappt ist und das ein Gefühl von Leere hinterlässt. Und das kann man überall sehen.Daraufhin sind wir ständig auf der Suche das zu füllen, und das tun wir durch Wahrnehmung... sozusagen erst einmal "in-Beziehung-treten-zur-Welt"... da wir Feedback wollen vor allem mit Personen. Sozusagen ist alles auf der Suche nach "Annahme/Liebe/Verbindung-mit....". Und das kann man überall sehen.
einverstanden. Das ist sozusagen schon der Einstieg ins Leben als Säugling.
Die Frage ist aber dann, ob auf diese Weise auch Spiritualität und Transzendenz beschrieben werden kann (- Ken Wilber beispielsweise verneint dies und unterscheidet deshalb präpersonale, personale und transpersonale Entwicklungen: die Wünsche des Säugling nach Einheit und Transzendierung unterscheiden sich nach Wilber können sich aber gegenseitig durchdringen.)
Ich weiß nicht genau ob ich Dich richtig verstehe. Du meinst, das sozusagen hinter oder unter der konkret-wahrnehmbaren Beziehung eine tiefere Qualität da ist? Sowas wie Seelenpartner usw.?
Nein, an Seelenpartner habe ich nicht gedacht. Mir ging es darum, dass die Verbindung des Menschen zur lebendigen Natur in einer anderen Form stattfinden kann, als die Verbindung zu anderen Menschen und zu Objekten. Es ist natürlich auch möglich, die Personenbeziehung auf Gegenstände und die lebendige Natur zu projizieren, ja. Aber es ist ebenso möglich, instrumentelle, manipulierende Objektbeziehungen auf Personen und die lebendige Natur zu projizieren. Etc.
Ich sehe die Dinge sehr simpel:
1. Nichts ist getrennt. Es ist sowieso schon alles verbunden.
2. Jede Bewertung, jede Sinn-Gebung ist subjektiv-individuell... aus der jeweiligen Perspektive aber vollkommen zutreffend, da es dazu keinen Gegensatz, keine objektiv-richtigere Wahrheit gibt.
Meines Erachtens fehlt hier eine dritte, bzw. die zweite Ebene.
1. Nichts ist getrennt. Es ist sowieso schon alles verbunden.
2. Alles ist getrennt, aber es organisieren sich im Rahmen dualer Prozesse Systeme, welche ereignishafte, stets zerfallende Elemente strukturieren. Hierbei findet auch in sozialen Systemen anhand von Sprache soziale Sinngebung statt. "Wahrheit" stellt hier so etwas wie intersubjektive, wandelbare Landkarten dar und beruht auf Verständigung.
3. Bewertungen, Sinn-Gebung ist subjektiv-individuell.
Insofern... falls ich Deine Frage überhaupt richtig verstanden habe: Angenommen jemand ist davon überzeugt mit jemand anderem eine Beziehung zu führen, die eine viel tiefere, irgendeine besondere seelische Qualität hat... Solange diese Überzeugung besteht ist das aus der jeweiligen Perspektive m.A.n. dann zutreffend. Andererseits: Es bleibt wohl eine Überzeugung und die sind nie ewig. Ich glaube, das wenn man überhaupt Objektivität ins Spiel bringen will.... dann kann man wirklich sagen: Alles ist eins, es ist eh alles Liebe (kann man sich kaum vor retten

) und es gibt keine Unterteilung, keine Abstufungen. Die bringen wir selbst hinein.
wie gesagt, an Seelenbeziehungen hatte ich nicht gedacht, sondern an grundsätzlich unterschiedliche Typen von Beziehungen. Abgesehen von dieser Typen-Thematik: ich denke schon, dass zwischen Menschen mehr aber auch weniger reale Nähe bestehen kann. (Von einer Seelenverbindung würde ich dennoch nicht sprechen - das hört sich für mich nach einer "Idee" der Romantik an.)
Ja, perfekt formuliert. Das ist das was ich oben andeutete... Das ich denke, wir sind von irgendwas, von uns selbst wahrscheinlich, getrennt. Daraus entwickelt sich ein Bedürfnis und daraus die Suche nach dessen Befriedigung. Aus diesem unkonkreten Gefühl des Mangels, den wir nicht begreifen können, entwickeln sich jede Menge Projektionen im Sinne von "Vielleicht hilft das oder dies oder der oder die." ...letztlich ein haben-wollen... Personenbeziehungen sind damit ein Bereich neben anderen. Nur: Wenn man sich dann wiederum mal umschaut... sich selbst anschaut... Dann ist es wiederum so, das fast alles was wir wollen, zuerst einmal wieder dahinsteuert das wir damit "Beziehungstauglich" werden sollen... Nimm die ganzen Status-Symbole um unseren Wert zu beweisen. Oder all das was für Attraktivität getan wird, für Macht, für gutes Gehalt usw. Oft haben diese Bedürfnisse eben auch den Hintergrund Mittel zum Zweck für Beziehungen zu sein.
das ist interessant, dass du diesen Abschnitt treffen findest. Ich hatte ja in dem Beitrag zuvor 3 Ebenen angesprochen. 1. Personen-Beziehungen, in welchen wir anderen Personen als Personen begegnen. 2. Beziehungen, die sich von derartigen Personenbeziehungen unterscheiden, z.B. Beziehungen zur lebendigen Natur. 3. Beziehungen, die aufgrund von individuellen Dispositionen Sinn machen, die aus einer Art Mangel heraus nach Transzendierung rufen.
Aus meiner Sicht können wir alle 3 Ebenen in uns selbst erfahren. Wir fangen als Säugling an, unsere Bedürfnisse wie in Matrix an die Welt anzuschließen und die Welt zu bewerten - gut, schlecht, angenehme, lustvoll, ... .
Man könnte sagen, dass dies eine basale Organismusform ist, die wir auch mit anderen Lebewesen (Säugern, Primaten, etc.) teilen. Bis weit in das erste Jahre hinein interessieren uns vor allem gegenwärtige Objekte, die unser motiviertes Interesse, unsere Bedürfnisse ansprechen - wenn man einen Gegenstand unter einem Tuch versteckt, dann "existiert" er in diesem Alter nicht mehr.
Ab ca. einem Jahr lernt der Mensch zu sprechen und sich im Spiegel zu erkennen (Selbstbewusstsein), womit er in eine ganz andersartige Sphäre eintritt. Ab ca. 3 Jahren versteht er dann auch, dass die anderen Menschen, die ihm begegnen, sich täuschen können, Glaubenssätze hegen und eine eigene Perspektive einnehmen. (Perspektivenübernahme). Ab diesem Zeitpunkt beginnt eine Phase, in der wir uns darin üben, unsere eigenen Bedürfnisse (1. Ebene) mit den Perspektiven anderer Menschen (2. Ebene) zu koordinieren. Zunächst betrifft dies unmittelbare Gemeinschaften, dann gewinnen wir vielleicht eine Distanz, so dass wir einen Blick auf die Gesellschaft und irgendwann vielleicht auf die Weltgesellschaft und zukünftige Gesellschaften gewinnen, z.B. wenn wir unser ökologisches Verhalten (nicht) global beurteilen.
Und meines Erachtens kann z.B. Meditation und "Beobachtungspraxis" dazu führen, dass wir in uns eine Transzendenz generieren, die auch noch diese sozialen Perspektiven übersteigt. Damit möchte ich nicht sagen, dass wir dann auf der nächsten Ebene gleich mit Engeln Kontakt aufnehmen oder selbst zum Engel werden - eine Perspektive einzunehmen verbürgt noch nicht ein Sein - sondern nur, dass wir dann der Natur auf eine Weise begegnen können, die sie uns als etwas Lebendiges, Umfassendes, Transzendentes wahrnehmen lässt.
Aus der Sicht des "Nichts" ist getrennt, ist das, was ich hier beschreibe, alles Eins. Aus der Sicht des "jede Sinn-Gebung ist subjektiv-individuell" verweisen diese Buchstabenhaufen, die ich hier in meinem Beitrag hinterlasse, alleine auf meine subjektive-individuelle Sinngebung.
Aber mE gibt es zwischen diesen beiden Extrempolen ein Spektrum an Dualität, dessen Ausschaltung den "Alles ist Eins"-Pol in den alles ist subjektiv-individuell Pol zieht, denn es besteht dann keine OFFENHEIT für das SEIN - und keine Verantwortung, welche sich anhand von Vernunft dieser Dualität zuwendet, sowohl im Kleinen, wenn ich mich meinen eigenen Problemen zuwende, als auch im Großen, den Problemen der Gesellschaft, die auch mich betreffen, ob ich das subjektiv-individuell möchte - oder nicht.
Liebe Grüße,
Energeia