Joey
Sehr aktives Mitglied
Eben, das sehe ich genauso. Es ist Zeitverschwendung, irgendeine Überzeugungsarbeit überhaupt zu versuchen. Mit dem Fachgebiet ist es für mich sowieso gang und gäbe, auch im Alltag auf blankes Unwissen und Unverständnis zu stoßen.
Das ist unabhängig vom Fachgebiet. Generell ist es schwierig bis unmöglich jemanden schnell zu überzeugen. Man erlebt es nur selten, dass jemand in einer Diskussion sagt: "Ja, da hast Du Recht und ich hatte Unrecht." Die seltenen Male, wo es vorkommt, sind schön, aber es bleibt eine Seltenheit, und er mit der Intention in eine Diskussion geht, das Gegenüber auf biegen und brechen überzeugen zu wollen, wird viel Enttäuschung erleben. Das liegt auch in der Natur der menschlichen Psychologie...
Systematische Schwächen - die Parapsychologie ist inzwischen die Wissenschaft, die die am besten abgesichertsten Experimente durchführt. Das hat sie eindeutig den Skeptikern zu verdanken. Wers nicht glaubt, dem empfehle ich einmal, sich Dean Radin "Entangled Minds" zu besorgen und durchzulesen.
Ich glaube durchaus, dass sie sehr stark abgesichterte Experimente durchführt - dass es die am besten abgesicherten sind, glaube ich nicht. Denn es werden immernoch Schwächen gefunden.
Das einzig bizarre: Würden dieselben strengen Maßstäbe, die heute in der Parapsychologie angelegt sind, in anderen Wissenszweigen Anwendung finden, dann sähe die Wissenschaftswelt wohl etwas anders aus. In der Regel sind die formalen Richtlinien in der Physik, Chemie und in anderen Zweigen wie Geologie oder Meteorologie weitaus lascher als in der Parapsychologie. Ich finde das höchst erstaunlich.
Jain. Du hast insofern recht, dass in der Parapsychologie eine größere Paranoia gegen systematische Schwächen herscht. Sie ist aber nicht weitaus größer, und sie hat auch einen guten Grund - ist also nicht bizar.
Das meiste der Erklärungen, die jetzt folgen, ist Dir wahrscheinlich (wie ich Dich einschätze) sehr gut bekannt und bewusst. Da ich aber gerade so schön in Schreiblaune bin, und da Du ja nicht der einzige Mitleser bist...
Die Möglichkeiten, wo sich Schwächen einschleichen können, sind bekannt, und ein relativ großer Anteil des Wissenschaftsbetriebs geht nunmal genau darum in eigenen und anderen Arbeiten nach möglichen Schwächen zu suchen.
In der Physik, Chemie etc. kommen viele Experimente ohne menschliche Beurteilung aus. Da werden einfach Messgeräte laufen gelassen, abgelesen oder vom Computer ausgelesen und eine zuvor erstellte Analyse-Software spuckt das Ergebnis aus. Für solche Experimente ist die Doppelblind-Methodik nicht notwendig.
Diese Methodik wird allerdings notwendig, wenn irgendwie menschliche Beurteilung mit ins Spiel kommt. Das ist in der Medizin beispielsweise sehr oft der Fall, und da sind auch solche Studien an der Tagesordnung. Wenn ich also auf "randomisiert doppelblind" poche, dann nicht, weil ich nicht an Parapsychologie glaube, sondern, weil das guter Standard ist.
Natürlich ist diese Methodik nicht immer möglich. Da können praktische und (vor allem in der Medizin) ethische Gründe gegen sprechen. Außerdem gibt es auch Einzelfall-Studien, wo Ärzte ein Paper über einen besonders interessanten Fall schreiben etc. D.h. es erscheinen bewusst auch Fachartikel mit eklatant schlechter Methodik. Die geringe Belegkraft solcher Artikel ist allerdings den meisten Wissenschaftlern gut bekannt, und sie sollen mehr der Anregung dienen, in welche Richtung weiter geforscht werden könnte. In der Medizin kann man als Qualitätsmerkmal z.B. die Jadad-Skala (siehe http://de.wikipedia.org/wiki/Jadad-Skala) heranziehen. Es erscheinen Fachartikel mit allen möglichen Qualitäten, und je höher auf der Skala, desto besser die Methodik, und desto belegkräftiger.
Wenn das Experiment gut und sauber läuft, können sich noch in der Auswertung diverse Fehler einschleichen. Im Physik-Slang spricht man da gerne von "Signale züchten". Das kann beispielsweise geschehen, indem man die Analyse an den Daten anpasst - also nicht die Analyseschritte vorher festlegt, sondern erst hinterher, während man sich die Daten ansieht. Das kommt leider immernoch relativ häufig vor - auch in der Physik - aber es gilt als sehr schlechter Stil, und in einigen Instituten bzw. Experimenten werden dagegen Regeln aufgestellt, wie oft ein Datensatz wie analysiert werden darf.
Und selbst damit sin die Fehlerquelle nicht ausgeschöpft. Wissenschaftler - und damit meine ich jetzt auch Parapsychologen - wollen lieber positive sensationelle Ergebnisse publizieren als negative. Es ist besser für das Prestige zu veröffentlichen: "Behandlung gegen Tollwut gefunden." als: "Behandlung gegen Tollwut versucht... ohne Erfolg." Studien mit negativem Ausgang bleiben daher tendenziel eher unveröffentlicht. Dieser Effekt ist im Stichwort "Publication-Bias" vertreten, und er beeinträchtigt den Wissenschaftsbetrieb aller möglichen Disziplinen (auch der Parapsychologie) erheblich. So bedeutet ein positiver Ausgang eines Experiments ja nur, dass das Ergebnis statistisch Signifikant ist, d.h. dass die Wahrscheinlichkeit des Ergebnisses unter Annahme der Nullhypothese (kein Effekt) klein ist. Diese Grenze "klein" wird nur manchmal recht lasch angesetzt. In einigen Fachbereichen reicht schon eine "Zufallswahrscheinlichkeit" von 5% oder weniger aus. Das heißt aber auch, dass 5% aller Versuche, die ein nicht vorhandenes Phänomen untersuchen, dennoch positiv ausgehen. Wenn jetzt die negativ verlaufenen Versuche tendenziel weniger veröffentlicht werden, steigt der Anteil der veröffentlichten positiven Experimente, und so wird zusätzlich ein Phänomen "belegt", was nicht existiert - und das, obwohl die Studien sogar methodisch gut waren. Es ist schwierig, diesem Effekt richtig zu begegnen.
Hinzu kommt noch, dass einige Fachjournale sich aus irgendwelchen Gründen weigern, Fachartikel über Versuchsreplikationen zu veröffentlichen. Dabei ist gerade die Reproduzierbarkeit bzw. die unabhängige Reproduktion ein wichtiges Merkmal guten wissenschaftlichen Arbeitens. Wenn man sich durch Reproduktion aber kein Prestige schaffen kann - und heutzutage gilt leider "publish or perish" - wird das für Wissenschaftler auch ziemlich unattraktiv.
Insofern kann man nur sagen, dass der Wissenschftabetrieb heutzutage auch bei weitem nicht perfekt ist. Da gibt es dann auch sehr pessimistische Schätzungen darüber, wie groß der Anteil an zweifelhaften bis falschen Fachpublikationen ist - auch wieder in allen Disziplinen inklusive der Parapsychologie.
Das soll aber nicht heißen, dass man die ganze Methodik vergessen kann/soll. Im Gegenteil: Ohne die Methodik wäre die Welt der Wissenschaften weitaus voller mit Fehlschlüssen und Falschmeldungen. Man kann sie möglicherweise nicht ganz verhindern - da spricht schon die menschliche Psychologie dagegen - aber man kann sie eben gut einschränken.
Nun zu dem guten Grund, warum eine besondere Paranoia bei der Parapsychologie angebracht ist: Wenn die Ergebnisse stimmen würden, wäre es sensationell, und würde teilweise diversen anderen als "gesichert" geltenden Erkenntnissen widersprechen. Wenn man die Vermutung hat, eine sensationelle Entdeckung gemacht zu haben, muss man sich aber besonders gut anstrengen, das auch wirklich gut zu zeigen. Das ist auch nicht nur in der Parapsychologie so, sondern auch in den "normalen" Wissenschaften.
Die Entdecker der kosmischen Hintergrundstrahlung Arno Penzias und Robert Woodrow Willson haben mehrere Monate versucht, ihre Entdeckung in Frage zu stellen und zu überlegen, wie die Messung auch ohne Signal zustande kommt. Sie haben u.a. "dielektrisches Materiel" von ihrer Antenne abgekratzt (was die physikalische Beschreibung von Tauben-Exkrementen ist). Das Signal verschand dadurch nicht.
Als vor einiger Zeit Messungen am CERN zu zeigen schienen, dass Neutrinos ein klein wenig schneller als das Licht reisen könnten, gab es viele Vorschläge, was bei den Messungen schief gelaufen sein könnte. Alleine in den ersten zwei Wochen habe ich etwa 20 Vorschläge gezählt, wo andere Physiker erklärt und vorrechnet haben, was Effekt die CERN-Physiker möglicherweise nicht beachtet haben. Letztendlich stellte es sich als eine Fehlmessung durch ein loses Kabel heraus.
Mit diesen beiden Beispielen will ich zeigen, dass diese "Paranoia" über mögliche systematische Fehler und Schwächen nicht auf die Parapsychologie begrenzt ist, aber bei ihr besonders stark auftritt, weil sie die sensationellsten Postulate verfolgt. Und außergewöhnliche Behauptungen benötigen außergewöhnliche Belege (wobei letzteres als "besonders gründlich") zu verstehen ist.
Jemand, der z.B. glaubt, eine Therapie gegen Tollwut gefunden zu haben, wird sich mit mehr kritischen Fragen konfrontiert vorfinden, als jemand, der eine Therapie ausprobiert hat, die nicht funktioniert. Denn es ist plausibler, dass eine Therapie nicht wirkt, als dass sie wirkt. (Ich nehme gerade das Beispiel, weil ich neulich einen Artikel darüber las, wie ein Arzt genau das behauptet, dass er eine Möglichkeit gefunden hat... und es wird angezweifelt).
Jemand, der ein Pferd auf der Wiese sieht, wird sich nicht wundern. Jemand, der ein Einhorn sieht, wird in Betracht ziehen, dass das Horn aufgeklebt ist. Jemand, der ein Pegasus durch die Luft fliegen sieht, wird - wenn er bei Verstand ist - sich evtl. auch fragen, ob er unbewusst vielleicht irgendwelche halluzinogenen Drogen eingenommen hat.