Wie hat sich die Sucht entwickelt?
Da ich momentan in einem Dauerkonsum gefangen bin, gestern erneuter Rückfall, da ich ohne gar nicht mehr aus dem Bett gekommen bin, werde ich dir hoffentlich bald in nüchternem Zustand eine Antwort darauf geben können. Jetzt, immer noch etwas berauscht von den Amphetaminen, will ich das gar nicht machen. Ich hoffe Dir vielleicht bald eine ehrliche Antwort darauf geben zu können, im nüchternen Zustand.
Den letzten Donnerstag fühlte ich mich insgesamt positiv, aber habe trotzdem die meiste Zeit liegend im Bett verbracht. Habe dann die Nacht von Donnerstag auf Freitag komisch geträumt und konnte Freitag morgen noch nichtmal an der Arbeitstherapie, die hier angeboten wird teilnehmen. Lag den ganzen Freitag vormittag im Bett mit seelischen Schmerzen, das Liegen war seit 8 Uhr morgens nicht mehr angenehm und jeder normale Mensch wäre dann auch aufgestanden und hätte den Tag begonnen. Das sind die Absetzerscheinungen vom Pep (Amphetamine), so nennen wir das Zeug hier. Ich lag also den ganzen Vormittag bis spät mittags im Bett, habe versucht wieder einzuschlafen, aber konnte es nicht wirklich. Das Liegen war auch schon nicht mehr angenehm, aber fit genug um den Tag normal zu starten war ich nicht. Dann so gegen 13 Uhr entschied ich mich aus dem Bett zu zwingen mit einer Tasse Kaffee und einem Telefonat mit meiner Mutter. Natürlich habe ich nur gesagt, dass es mir nicht gut geht, von dem Rückfall am Dienstag habe ich gar nichts gesagt. Sowieso denkt meine ganze Familie, dass ich clean bin. Wenn Sie mich fragen, wie es ist, ob ich in der letzten Zeit mal rückfällig geworden bin lüge ich Sie an und sage "Nein". Ich will sie einfach nicht enttäuschen.
Nachdem ich den Kaffee getrunken hatte und das Telefonat nach 15 Min. beendet, raffte ich mich auf den kurzen Weg zum Lidl zu gehen, um Tabak zu besorgen. Als ich wieder zurück war, überwältigte mich wieder diese extreme Müdigkeit und Energielosigkeit, sodass ich mich direkt auszog und wieder ins Bett legte. Dabei hatte ich schon den nächsten Rückfall geplant, meiner Dealerin geschrieben, dass ich mir was abholen möchte. Das hatte ich am Tag zuvor schon am Donnerstag geplant, weil ich dachte, dass meine Familie mich am Samstag besuchen kommen möchte und ich auf jeden Fall fit sein wollte, denn mittlerweile ist es so, dass ich nüchtern und ausgeschlafen immer mit depressiven Verstimmungen zu kämpfen habe. Naja beim vorigen Telefonat stellte sich allerdings heraus, dass meine Familie mich erst nächsten Samstag besuchen kommt und mein Suchtgedächtnis dachte innerlich schon cool dann kann ich heute schon konsumieren, also fuhr ich gestern Nachmittag zu meiner Dealerin und besorgte mir 2g Amphetamine, die innerhalb von Stunden wegzog.
Bereits nach der 3. Line bemerkte ich, wie sich mein Gemütszustand allmählich verdunkelte und sich negative Gedanken und Emotionen in meinem Geist manifestierten. Ich war zwar hellwach, doch war geplagt von Schuldgefühlen und seelischen Schmerzen, sodass ich in immer kürzerwerdenen Abständen nachlegte. Ich kenne das, dass ich nach chronischem Dauerkonsum keine postiven Gefühle mehr habe, wenn ich was genommen hatte, so war das vor meiner 1 Jahr Clean-Phase auch, als ich noch in meiner alten Wohnung lebte und fast jeden Tag Pep konsumierte. Habe mich unter Menschen dann extrem unwohl gefühlt, konnte gar nicht mehr raus aus der Wohnung.
So fängt es langsam wieder an, ich merke das schon, weil ich gestern Abend mich dann doch dazu entschied einen Spaziergang zu machen durch den Park, alleine, um mich körperlich ein wenig zu betätigen. Ich dachte das würde mir gut tun, hat es auch ein bisschen, aber dieses Unwohlsein in Nähe von anderen Menschen war deutlich zu spüren. Manchmal habe ich einen unsicheren Schritt getan, merkte wie meine Knie zittrig wurden. Ich musste mich echt darauf konzentrieren keinen unsicheren Gang zu haben. Normalerweise denkt man jetzt hm eigentlich sollten Amphetamine ja das Selbstwertgefühl steigern und Ängste/Blockaden auflösen, doch bei mir ist das nach chronischem Dauerkonsum anders, es schlägt immer mehr ins Gegenteil. Wenn ich nach Dauerkonsum was nehme, werde ich noch ängstlicher und unsicherer in der Nähe von anderen Menschen, als wenn ich nüchtern bin. Es war mal schlimmer früher in noch längeren Konsumphasen, aber ich bin schon wieder kurz davor.
Als ich angefangen hatte mit Pep, das erste Jahr und vielleicht noch das 2. und das 3. war ich nach Einnahme immer selbstsicherer im Umgang mit sozialen Kontakten, als im nüchternen Zustand. Aber irgendwann im Laufe der Zeit hat mein Gehirn einen Knacks davon bekommen, ein Schalter hat sich in meinem Kopf umgedreht und ich wurde nach Einnahme von Pep immer ängstlicher und vermied jeglichen sozialen Kontakt. Ich habe nur noch alleine konsumiert in meiner alten Wohnung und mir stundenlang auf Pornos einen runtergeholt, manchmal bis zu 24 Std am Stück, mein Rekord waren 48 Std am Stück. Und DAS ist KRANK und MACHT KRANK!!! Davon weiß niemand außer ihr. Denn niemand kennt mich hier. Das ist der Grund, warum ich euch das alles erzähle.
Also wenn ich wieder nüchtern bin, bin ich wahrscheinlich wieder zu motivationslos, um aus dem Bett zu kommen, aber meine Familie will mich kommenden Samstag besuchen kommen und ich weiß jetzt schon was passieren wird. Ich werde die ganze Woche versuchen nichts zu nehmen und werde mir dann wahrscheinlich am Freitag etwas holen, um mich für den Besuch "fit" zu machen. Da ich aber jetzt wieder soweit bin, dass ich nach der 3. Line wieder verstärkt paranoide Sozialängste bekomme, werde ich es bei einer höchstens zwei Lines belassen vor dem Besuch. Vielleicht eine gute Line vor dem Besuch. Lächerlich oder? Mich "fit" zu machen für den Familienbesuch, um dann der Familie eine cleane, heile Welt zu präsentieren. Ich belüge mich doch nur selbst und andere, aber so funktionieren Süchtige, erst belügen sie sich selbst, dann belügen sie andere.
Also wenn ich nüchtern bin, ist es kaum auszuhalten, weder im Bett die ganze Zeit noch in der Senkrechte oder einfach nur im Sitzen die ganze Zeit. Ich habe keine Ablenkung, gucke noch nicht mal TV, weil mir einfach alles zu langweilig erscheint, ich habe dann noch nicht mal die Konzentration oder Lust für einen guten Film. Jedenfalls ist nüchtern sein, nach einem halben Jahr Dauerkonsum Pep total öde, mehr als das, ihr könnte es euch gar nicht vorstellen was für ein ABFUCK das ist, nüchtern klarzukommen nachdem man wieder 2-4g Pep konsumiert hat und das über Wochen hinweg. Ich schaffe es aber irgendwann, hier werde ich es schaffen. Aber dafür muss ich mit jemandem darüber reden und der einzige Mensch, der das sein wird ist der neue Psychiater zu dem ich gehe. Das Problem ist nur, wenn ich nüchtern bin, kann ich total unkommunikativ sein und ich neige dann auch dazu gar nichts von dem Problem zu erzählen. Ich werde es aber machen, wenn ich den nächsten Termin habe.
Ich würde dir sehr empfehlen es einem Menschen zu erzählen dem du wirklich vertraust
Ich erzähle es nur dem Arzt, es soll eine neutrale Person sein. Da kann ich mich am besten öffnen.