Gunnar Schupelius fragt sich, wie berechtigt die Forderungen der Flüchtlings-Demonstranten sind.
Am Mittwoch besuchte ich die Flüchtlinge am Brandenburger Tor, die dort seit Anfang Oktober versuchen, ein Zeltlager aufzuschlagen, und teilweise im Hungerstreik sind.
Wenn ich von Flüchtlingen höre, denke ich an Not und Elend und dass man helfen muss.
Ich hatte gehört, dass die Unterkünfte für Flüchtlinge in Berlin derzeit überfüllt sind und glaubte, die Demonstranten am Brandenburger Tor würden für eine bessere Unterbringung streiten.
Ich betrat den Platz des 18. März an der Westseite des Brandenburger Tores.
Ein paar Dutzend Menschen hielten Schilder in fremden Sprachen hoch. Ich fragte eine Frau, was sie fordern würde. Keine Residenzpflicht, antwortete sie in gutem Deutsch.
Ich bekam Nachhilfe: Residenzpflicht bedeutet, dass Asylbewerber in der Gegend verweilen müssen, in der sie untergebracht sind. So lange, bis ihrem Asylbegehren stattgegeben wird oder sie abgewiesen werden.
Die Residenzpflicht würde Asylbewerber diskriminieren. Auch die Unterbringung in Sammelunterkünften. Dafür wird am Brandenburger Tor ebenfalls gehungert, dass man nicht im Flüchtlingsheim leben muss, sondern in eine Wohnung ziehen darf.
Kampfziel Nummer drei ist die Abschaffung des Arbeitsverbots. Es gilt von der Einreise bis zur Entscheidung über das Asyl. Alle Asylbewerber sollen ab sofort Arbeit aufnehmen dürfen, fordern die Demonstranten.
Ich sehe ihren Protest seit Mittwoch mit anderen Augen.
Wer Asyl bekommt, regelt unser Gesetz. Wer aus wirklicher Not flieht, der bekommt Asyl. Dann darf er arbeiten, vorher nicht. Das ist richtig so.
Bis zum Nachweis seines Fluchtgrundes wird der Flüchtling provisorisch untergebracht und versorgt. Also muss er dort bleiben, wo er versorgt wird, das ist auch klar. Und auch eine gemeinsame Unterkunft ist zumutbar. Es handelt sich dabei nicht um Sammellager, sondern um Zimmer auf deutschem Niveau.
Nein, am Brandenburger Tor geht es nicht um wahre Not. Stattdessen werden Polizisten geärgert, die dafür sorgen müssen, dass die Demonstranten keine Zeltstadt errichten. Innensenator Frank Henkel (CDU) nennt den Protest eine politische Inszenierung. Das ist es auch.
Und ich wundere mich über Gesundheitssenator Mario Czaja (CDU), der das Camping-Verbot für unmenschlich hält. Er weiß es doch besser!
Die Demonstranten am Brandenburger Tor hungern und frieren nicht aus Verzweiflung, sondern weil sie das Asylverfahren verändern wollen.
In einem Land, in dem es Flüchtlingen so gut geht wie in kaum einem anderen auf dieser Welt.
Hat Schupelius recht? Rufen Sie an: 030/2591 73153 oder Mail:
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