Hab aufgrund unseres Austausches gerade einen Text geschrieben. Vielleicht wird dadurch auch ersichtlich, was mit Co-Abhängigkeit gemeint ist?
(Allerdings ist möglich, dass
@David Cohen noch was anderes gemeint hat.)
"Wie du mit dir selbst um umgehst, bestimmt direkt und unmittelbar, wie du mit deinen Mitmenschen, mit deiner Familie, mit deinen Freunden und mit deinem Partner umgehst.
Und die Fähigkeit, dich selbst zu lieben - unter allen Umständen selbst zu lieben - entspricht der Fähigkeit, einen anderen zu lieben, egal in welcher Beziehung du zu ihm stehst. Das Maß der Liebe zu dir, entspricht dem Maß der Liebe zu einem anderen.
Hier ist nicht das freundliche Gefühl gemeint, das du für Familie, Freunde und deine Mitmenschen hegst - auch nicht das Gefühl der tiefen Liebe und des Hingegebenenseins für einen Zweiten, das genau so lange ein schönes Gefühl ist, so lange die Dinge laufen, wie du sie gern hättest, du in deiner Komfortzone chillst und das Glitzersternchen in den Himmel schießt, wenn du verliebt bist. Und wenn die Dinge nicht so laufen, wie du es gern hättest, ist das schöne Gefühl plötzlich Schmerz. Der andere ist nicht da für dich, berührt dich nicht mehr so oft oder gar nicht mehr, setzt Grenzen, entzieht sich, nimmt Abstand oder verlässt dich und geht seiner Wege.... Aua!
Das tut er, weil er sich selbst folgt und folgen muss, sich entdecken will und was es sonst noch gibt, außerhalb der sicheren Komfortzone, die du ihm bietest und die ihm Liebe und Sex und Geborgenheit zusichert, als hätte er einen Vertrag unterzeichnet. Er tut es, weil er nicht nur dich, sondern auch sich liebt und sich die Freiheit schuldig ist, weil er spürt, das zu viel Sicherheit alles Lebendige im Fühlen und zwischen euch tötet und zu einem grauen alltäglichen Einheitsbrei macht. Und das will er nicht. Danke ihm für seine Rebellion! Sie rettet auch dich. Auch wenn du das in dem Moment vielleicht überhaupt nicht wertschätzen kannst...
Vielleicht flüchtet er auch einfach nur, weil auch er Angst hat? Angst vor sich selbst und seinem Fühlen.... Angst vor dem Verschlucktwerden in deine Komfortzone in grau-trauter Einigkeit - denn einmal da drin, ist das Wiedererwachen von Lebendigkeit so gut wie unmöglich oder sehr sehr schwer. Die Gründe sind seine Gründe. Die Angst ist seine Angst. Du kannst ihm beistehen, sofern er dich lässt und sofern du dich um deine eigenen Ängste schon gekümmert hast. Ansonsten sind sie nicht deine Baustelle. Du nimmst ihm seine Angst auch nicht, indem du deine Angst, deinen Schmerz und dein Leid dagegen hältst - im Gegenteil - du gibst ihm noch mehr Grund für Abstand und Flucht.
Die meisten Menschen möchten auch nicht gern "lebensgespoilert" werden

Sie möchten selbst herausfinden und erleben, wie sich die Dinge verhalten und ihre eigenen Bezüge dazu finden, anstatt deine nutzen. Das ist ähnlich abstoßend, als verrät man jemandem das Ende eines Buches oder eines Filmes, bevor der andere das Buch gelesen/den Film gesehen hat PLUS die Eigeninterpretation davon.
Weil die Welt sich nicht um deine Bedürfnisse dreht, beginnst du, zu manipulieren und zu kontrollieren mit den Mitteln, die dir gegeben sind: Körper und Erotik, Überzeugung und Gespräch, Anpassung und Verlagerung all deiner Bemühung auf seine Ziele, Wünsche und Belange mit dem Beigeschmack der Unentbehrlichkeit von "du brauchst mich doch", Schuldzuweisung, Verurteilung und Schamzuweisung, Sicherheitslückenkontrolle und Überwachung seiner Aktivitäten in sozialen Netzwerken, auf dem Handy oder in seiner Freizeit, die er mit anderen verbringt, als mit dir. Dann bist du eifersüchtig auf alles, was dir gefühlt etwas wegnimmt. Und du hast Angst vor Totalverlust und dem Gefühl, nicht geliebt zu werden, denn das kennst du schon und das möchtest du nie wieder erleben.
Diese Angst hast du zu recht, denn wenn dieser Mensch geht - und du dich nicht selbst liebst - unter allen Umständen bedingungslos selbst liebst - liebt dich keiner, sobald er geht. Du bist ein Bedürftiger, der einen Zweiten braucht, der dich liebt, weil du es nicht tust/tun kannst. Dann urteilst du über ihn und sein Verhalten, weil du über dich ähnlich urteilst: Ohne Liebe und bedürftigkeitsbezogen.... und ohnehin war ja klar, dass du Liebe nicht verdienst, denn das kennst du schon und andere Schlüsse kannst du daraus nicht ziehen.
Weil du dich nicht liebst, wirst du Beziehungen haben, die eine Handelsbeziehung sind von "ich geb dir und dafür gibst du mir".... "ich geb dir Sex, Liebe und Unterstützung und du gibst mir die Garantie, mich nicht zu verlassen, mich zu lieben und mich zu bestätigen"... "wir sind füreinander da". An Austausch und füreinander da sein ist nichts Falsches! Eng wird es erst, wenn Angst da ist und in Enge erstickt Mensch, Liebe, Gemeinschaft, Freiheit, Entwicklung und Freude mit- und aneinander. In dieser Enge setzt Du Grenzen und verletzt die des anderen, da du nicht in der Lage bist, deine eigenen Bedürfnisse zu erfüllen. Für diesen Brauchen-Modus ist kein Zweiter zuständig. Das ist auch keine Liebe. Das ist Sucht und der Ausstieg aus diesen emotionalen Mustern ist wie Drogenentzug.
Es gibt Menschen, die dieses Süchtigsein genießen. Nur gibt es dann wenig Verständnis für die Konsequenz daraus und das Leid, das sich daraus ergibt - statt dessen gibt es aber Schuldzuweisungen, Verletzungen aus der eigenen Verletztheit heraus und Strafe (meist durch Liebesentzug).
Wir haben immer die Wahl. Für den ersten Schritt woanders hin, als da, wo man bisher war, muss man nichts können.... man muss es einfach mal wollen. Vielleicht muss man zuvor auch genug gelitten haben, um ausreichend Schwungkraft und Bereitschaft aufzubringen, diesen schweren Weg zu gehen in die emotionale Autarkie, die man sich als Süchtiger nicht wirklich vorstellen kann.... ganz ähnlich, wie man sich als Substanzabhängiger ein Leben ohne seinen Stoff nicht vorstellen kann.... man kann nicht fühlen, wie es sich dann anfühlen würde... darum stellt man sich meist komische Dinge vor über Abgeklärtheit und emotionale Distanz und "alles ist nicht mehr so schön wie früher" und rechtfertigt die eigene Angst im Hemd mit "das ist doch normal so" und meint damit die eigene Sucht... aber das sind nur (Da)Vorstellungen eines Verstandes, der kleiner ist als der Inhalt, den er erdenken will... und den er nicht mal dann gänzlich verstehen würde, wenn er groß genug wäre, denn es gibt Dinge, die kann man nur erkennen... nicht erdenken. Alles andere nutzt nichts, sind rosa romantische Blubberbläschen oder Kopfkonzepte, die man auch Mindfuck nennt und mit denen man sich beschaftigen kann, bis der Arzt kommt und die trotzdem nichts bessern.
Wir haben IMMER die Wahl
Dinge, die auf natürliche Weise da sind, muss man nicht formen. Sie sind auch nach dem emotionalen Erwachsenwerden noch genauso natürlich da - oder vielleicht auch erst dann wirklich."