..... Es ist dieser Satz - damit kann ich deine Argumentation nachvollziehen, warum du gegen Straffreiheit bist..
Jetzt muß ich doch noch einmal kurz ausholen - ich bin gegen Strafen aber auch gegen Legalisation. Mir ist auch klar, wie paradox dies klingt.
Wie Du richtig feststellst, braucht es eine (grundlegende, wohl revolutionäre) Änderung unseres Gesellschaftssystems - in welcher dann, so die Vision, der Mensch, das Individuum im Mittelpunkt steht und seine humane, menschliche Entwicklung. Ich denke, würde so ein System Realiät, würden sich derartige Diskussionen automatisch erübrigen - gäbe es das Problem gar nicht, da dann im Prinzip jeder Mensch liebevoll aufgefangen würde... ?
Ja ich weiß, ich bin ein Träumer !
Ich bin mir ziemlich sicher, daß du da der Sozialdemokratie Unrecht tust. Vielleicht kennst du das eine oder andere Drama von Hofmannsthal, Schnitzler, Ibsen... woher haben sie die Vorbilder genommen für die Abgründe, die sich da hinter den scheinbar so schönen Fassaden scheinbar wohlgeordneter Familien auftun? Da hätte die Familien-Welt noch heil sein müssen. War sie aber nicht. War sie nie.
Kann schon sein, daß es eine wirklich heile Familienwelt nie gab, sie war aber "heiler" als heute. Ich weiß etwa von meinen Urgoßeltern und Großeltern, daß da fest zusammengehalten wurde - im gesamten Familienclan. Selbst ohne Hofmannsthal, Schnitzler, Ibsen usw. ist schon klar, es war auch nicht alles Gold, was glänzte und miserable Charakter sind miserabel ob im Familienclan oder nicht. Jedoch, dabei bleibe ich, wurde die Familie unsagbar geschwächt, bewußt und geplant.
Um hier nicht wieder im Unendlichen zu landen in aller Kürze ein paar Beispiele. Eine Familie mit mehreren Kindern findet heute kaum mehr eine vernünftige Wohnmöglichkeit - nicht nur da Kinder oft unerwünscht sind, sondern auch, da die Planungen größere Familien gar nicht mehr berücksichtigen. Auch im sozialen Wohnungsbau. Früher blieben die Alten in der Familie, heute brauchen wir Heime, um sie abzuschieben. Aber selbst, wer das nicht will, was bleibt für eine Wahl, wenn kein Platz dafür da ist ? Last not least haben, hatten sich die sozialdemokratischen Parteien die Familienzerstörung auf die Fahnen geheftet und dies auch durchgesetzt. (an solche Debatten kann ich mich noch gut erinnern) Wobei es schon sein kann, daß die Sozialdemokraten nur den letzten Todesstoß zu verantworten haben, die Familie als solches schon vorher kränkelte.
Etwa 300 vor Christi meinte Lü Bu We: "
Ist die eigene Person in Ordnung, so kommt die Familie in Ordnung; ist die Familie in Ordnung, so kommt der Staat in Ordnung; ist der Staat in Ordnung, so kommt die Welt in Ordnung."
Adalbert Stifter meinte dazu: "
Die Familie ist es, die unsren Zeiten nottut." und der Schweizer Literat Alexandre Rodolphe Vinet wußte 1820: "
Das Schicksal des Staates hängt vom Zustand der Familie ab."
Soweit ich das in meinem Leben bewußt mitverfolge die letzten etwas mehr als 40 Jahre, ist der Zerfall von Familienstrukturen nicht eine Ursache, sondern eine Folge. Eben dieser Lebensfeindlichkeit... die eigentliche Ursache zu finden, da muß man meiner Ansicht nach tiefer ansetzen als bei einer einzelnen politischen Richtung.
Bisher habe ich das ausgelassen, aber die wieder von Dir erwähnte "Lebensfeindlichtkeit" kann ich nicht wirklich zuordnen, was meinst Du damit ? Wo findet sich diese, ich sehe überall nur lüsterne Selbstsucht und Gier nach Geld ? Feindlich gegenüber dem Leben anderer ? Ist es das, was Du sagst ?
Und bei diesem Satz möchte ich gern noch einmal mit dir drüber nachdenken, ob das zulässig ist, das Problem allein auf diesen Nenner zu reduzieren. Ich meine, daß mit diesem Satz allen Frauen Unrecht getan wird, die aus Verzweiflung oder aus Ratlosigkeit oder in einer scheinbar ausweglosen Situation diesen Schritt tun, vielleicht in Unwissenheit, daß es Hilfe gegeben hätte. Es gibt Frauen, gleich da nebenan, wo dus nie vermuten würdest... daß sie sich tatsächlich nicht anders zu helfen gewußt haben. Hilflos, ratlos, im Stich gelassen, überfordert - oh und keine Spur von Absicherung anschließend, sondern Schuldgefühle, Zweifel, weiteres Unglück... da, an diesem Punkt, versagt unsere Gesellschaft im Moment.
Unsere Gesellschaft versagt auch in diesem Punkt, ja, ich sehe das Leben dennoch als höchstes Gut und damit gibt es keinen Grund, das Leben anderer anzutasten. Nicht einmal im Ansatz eines Gedankens. Einfach gar nicht.
Wieviele der 46 Millionen Abtreibungen per Jahr aufgrund ratloser, verzweifelter Mütter stattfinden, möchte ich eigentlich gar nicht wissen. Ich bilde mir ein, daß dies kein sehr großer Prozentsatz ist. Jedenfalls kenne ich zahlreiche Frauen, die abtrieben und keine davon war wirklich verzweifelt (zumindest nicht vorher) oder in Not, es ging da immer um unwesentliche bis läppische Argumentationen oder eben um die rücksichtslose Absicherung des eigenen Lustgewinns.
Ich kann es allerdings auch nicht akzeptieren, wenn jemand aufgrund einer verzweifelten Situation sein Kind umbringt. Verzweifelte Situationen gibt es im Leben wohl für uns alle immer wieder - das gibt uns aber nicht das Recht einfach unsere Mitmenschen der Einfachheit halber zu killen.
Ich beginne mich zu wiederholen,
L.G.
Ramar