Wie ich in der DDR für einen Geheimagenten gehalten wurde

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Und weiter in meiner Geschichte:

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Ich hatte ein paar Bücher dabei - das war das nächste Problem. Dass Zeitungen verboten waren, das wusste ich. Aber das Bücherverbot war mir neu. Aber diese Bücher wurden nun nicht einfach konfisziert - sie wurden nur sichergestellt. Sie kamen in eine spezielle Tasche für solche Fälle - und wurden am Grenzübergang deponiert. Bei der Ausreise könne ich sie wieder abholen, hieß es - und man hielt Wort. Die Bücher waren bei der Ausreise für mich zum Abholen bereit. Es ging halt alles seinen geordneten sozialistischen Gang!

Ein Buch aber durfte ich sogar in die DDR mitnehmen: Ein Buch über die BADISCHE REVOLUTION von 1848/49. Das fand ich nun geradezu rührend. Ich wusste gar nicht, dass die badischen Revolutionäre in der DDR in so hohem Ansehen standen!
 
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Ein Buch aber durfte ich sogar in die DDR mitnehmen: Ein Buch über die BADISCHE REVOLUTION von 1848/49. Das fand ich nun geradezu rührend. Ich wusste gar nicht, dass die badischen Revolutionäre in der DDR in so hohem Ansehen standen!

das Zauberwort war vermutlich Revolution :D

DDR hat sich als Nachfolger aller Revolutionen gesehen, von den Bauernkriegen über Befreiungskriege bis zu Revolutionen 1848/49.
 
Zuletzt bearbeitet von einem Moderator:
Ach, nichts …”
Nein...:ROFLMAO:, damit hätte ich jetzt überhaupt nicht gerechnet :ROFLMAO:.
Als meine Familie 1983 aus Rumänien ausgewandert sind durften sie auch keine Adressen mitnehmen. Meine Mutter hatte die Adressen in meine Hose eingenäht. Unten in den Schlag. Ich war am weinen weil ich die voll hässlich fand und ich wollte mein schönes Kleid anziehen. Wir wussten das die Ausreise genehmigt wurde aber der Zeitpunkt nicht. Mitten in der Nacht wurden wir von 2 Autos zum Bahnhof gebracht. Auf der Fahrt sahen wir das erste mal ein dunkel farbiger Mann :ROFLMAO: wir ( meine Geschwister) waren so fasziniert das wir ihn mit offenen Mund anstarrten :ROFLMAO:. Ich schaute die ganze Zeit aus den Fenstern und wartete auf die ,,goldenen Strassen,, aus Deutschland :LOL:. Natürlich waren die Straßen nicht aus Gold aber ich hatte die Erzählungen damals Wort wörtlich genommen :D.
 
DDR hat sich als Nachfolger aller Revolutionen gesehen, von den Bauernkriegen über Befreiungskriege bis zu Revolutionen 1848/49.

Hier möchte ich gerne anmerken, dass einer meiner Vorfahren damals auf Seiten der badischen Revolutionäre gekämpft hat.

Auf der Seite derer, über die es im Lied heißt:

"..... die für die Freiheit fochten
und für das Bürgerglück
und für die Menschenrechte
der freien Republik."

https://www.volksliederarchiv.de/in-dem-kerker-sassen-zu-frankfurt/

Und: Die badischen Revolutionäre hatten damals schon gesiegt.
Sie hatten den Großherzog verjagt und stellten die neue Regierung.
Bis dann die preußische Armee einmarschierte, wie in ein Feindesland, und das Land Baden dann lange Zeit verwaltete wie eine Kolonie ....
 
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Weiter in der Geschichte:

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Lange nach Mitternacht kam ich dann in meinem Hotel in Erfurt an. Eigentlich hätte ich mich sofort bei der Volkspolizei melden sollen. Doch die schlief um diese Zeit schon. Nur ich war wach.
Getreu der Devise: Der Klassenfeind schläft nie!

Am nächsten Tag also stellte ich mich bei der Volkspolizei vor. Mir wurde erlaubt, mich einige Tage lang in der Deutschen Demokratischen Republik aufzuhalten.

Im Hotel erst entdeckte ich dann bei meinen Papieren den kleinen Pferdefuß: Diese Genehmigung galt nur für den Bezirk Erfurt. Ich war also sogar innerhalb der DDR in meiner Reisefähigkeit eingeschränkt, quasi ein wenig eingesperrt. Eigentlich kein Problem, denn ich wollte ja nur nach Weimar, was im Bezirk Erfurt lag.

Aber der Gedanke, im Bezirk Erfurt “eingesperrt” zu sein, gefiel mir dennoch nicht. Laut und deutlich verkündete ich an der Hotel-Rezeption, ich dächte nicht daran, diese Vorschrift zu befolgen. Ich plante, die Grenze zu durchbrechen! Jawollja! Noch heute würde ich in südlicher Richtung den Bezirk Erfurt verlassen, die Grenzlinie überschreiten, und in den Bezirk Suhl einfallen! Denn ich gedächte, im Thüringer Wald auf den Spuren Goethes zu wandeln, so als freier Mensch im freien Wald!


Im Rückblick weiß ich, dass das nicht besonders klug war. Denn in den Inter-Hotels wimmelte es nur so von IMs, den Inoffiziellen Mitarbeitern der Stasi. Wer weiß, ob da nicht irgendwer irgendwo Meldung machte, ein Klassenfeind habe vor, gegen Recht und Gesetz der DDR zu verstoßen, und verkünde das auch noch offen! Aber es geschah mir nichts.


Vielleicht kam die Meldung an einen alten und weisen Genossen und der sprach:

“Nur keine Aufregung! Soll dieser badische Bürger halt in Gottes … ähm, Karl Marxens Namen … zu seinen Thüringer Tannen ziehen. Was soll er da schon groß anstellen? Konter-Revolution im Tannenwald? Eher nicht … *abwink* Und dann: Dieser Mann will ja nicht zu Tante Emma oder Onkel Karl-Heinz. Er will zu den Shakespeare-Tagen nach Weimar. Hochkarätige internationale Besetzung …

Sollen wir da diesen Mann abfischen? Damit es nachher heißt, Shakespeare-Fans seien nicht sicher im Paradies der Arbeiter und Bauern? Und die Shakespeare-Verehrer weltweit bleiben aus - mit ihren Devisen? Nein, bei Rosa Luxemburg, das wollen wir nicht!”

Und so überschritt ich die Grenze des Bezirks Erfurt unbehelligt in südlicher Richtung. Wo ich prompt in Kontakt mit zwei Ausreisewilligen kam, die ich gar nicht auf meiner geheimen Liste hatte.
 
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Ich kam da mit einer Familie ins Gespräch, und als sie hörten, dass ich aus Baden-Baden sei, schütteten sie mir ihr Herz aus. Sie hatten Verwandte dort, die sie gerne mal besucht hätten, aber nicht konnten. Und bis zum Rentenalter, wo das dann möglich wäre, war es noch weit.

Das erinnert mich jetzt an eine alte Scherzfrage: Wann kommt es zur deutschen Wiedervereinigung?
Antwort: Im Jahre 2014.
Rückfrage: Warum das denn?
Antwort: Na, dann wird die DDR 65, geht in Rente, und darf nach drüben!

Niemand hätte zur Zeit dieser Frage daran gedacht, dass die DDR sozusagen in Frührente geht.
Die Wiedervereinigung kam genau dann, als kein Mensch mehr ernsthaft damit gerechnet hatte.

Die Thüringer Familie trug mir dann Grüße an ihre Verwandten in Baden-Baden auf. Ich behielt mir ihren Namen im Kopf und weiß ihn auch heute noch. Schriftlich notierte ich mir nichts - und steckte es mir schon mal gar nicht in die Hemdentasche. Wer weiß, ob der Genosse Major bei den Grenzorganen auch bei der Ausreise wieder so nachsichtig sein würde!
 
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