Liebe Gaya,
wichtige Fragen wirfst du hier auf, die schon fast einen eigenen Thread wert sind.
Ich weiß, dass es Kollegen gibt, die mit sog. "Stellteams" arbeiten. Ich hatte mal ein Beratungsunternehmen mit einer Kollegin, für das ich - ursprünglich mit der Absicht, damit in Firmen Organisationsaufstellungen zu machen - ein solchen Stellteam aufgebaut und auch geschult habe in der Absicht, Leute zu haben, die eine besonders klare Wahrnehmung als Stellvertreter haben.
Das Unternehmen ist nicht gut gegangen und es stellte sich heraus, dass sich aus dem Stellteam eine Art "Fanclub" entwickelte. Als die Kollegin und ich uns dann trennten, hatte sich diese gruppe zu einer Formation mit nahezu sektenähnlichen ("ähnlichen" sagte ich!) Dynamiken und Mechanismen entwickelt. Auch familienähnliche Strukturen konnte man beobachten. Es gab Dynamiken, wie sie in der Gegenwartsfamilie bzw. damals parallel laufenden Trennungssituation der Kollegin eine Rolle spielten.
Aus diesen Erfahrungen (Details erspare ich uns) heraus bin ich heute im Zweifel, inwieweit solche Gruppen gut gehen ukönnen und zu sinnvollen Ergebnissen führen. Zum Glück brauche ich heute dank voller Seminare nicht auf so ein Stellteam zurück zu greifen.
Im Organisationskontext kann ich mir weiterhin vorstellen, mit Stellteam zu arbeiten, denn dort geht es nicht um Familiendynamiken. Und so lange das Stellteam nicht weiß, um welches Unternehmen oder Anliegen es sich handelt, aknn es u.U. brauchbar sein (sofern die interne Gruppendynamik im Blick ist!).
Allerdings halte ich regelmäßige Treffen, Aufbau von Gruppenstrukturen und private Kontakte da eher für kontraindiziert.
Stellteams in Organisationsaufstellungen haben m.E. Vor- und Nachteile, die ich wie folgt zusammenfassen würde.
Vorteile von Stellteams:
- vom Unternehmen unabhängige Stellvertreter, die sich ohne Rücksicht auf eigene oder fremde Interessen frei äußern können
- geübte Stellverteter, die ihre Wahrnehmung geschult haben und gut zwischen Eigenem und Fremdem unterscheiden können
- man muss mit Stellteam keine Rücksichten auf Teilinteressen im Unternehmen nehmen, wasmit Stellvertretern aus dem Unternehmen sehr wohl der Fall sein kann
- unternehmensunabhängige Wahrnehmung ser Stelvertreter/Innen, d.h. die Chance, dass Wichtiges auch dann ausgesprochen weird, wenn es nicht unternehmensspezifischen Wahrnehmungsmustern entspricht
- Möglichkeit, auch in dünn besetzten Seminaren, vollständige Aufstellungen mit Hilfe des Stellteams durchzuführen
Nachteile von Stellteams:
- Stellteams bekommen eine individuelle Gruppen-bzw. Systemdynamik, welche die Wahrnehmung in der Arbeit einschränkt
- Ausrichtung der Wahrnehmung aus die Einschränkungen des Leiters, d.h. mehr noch als bei "normalen" Teilnehmern wird (aus Solidarität mit dem Leiter) unbewusst nur das wahrgenommen, was der Leiter aushalten kann oder was sseinen Interessen dient
- Einklinken in das systemische Feld und evtl. Re-Inszenierung der Familiendramen des Leiters, bei denen auch seine Kunden evtl. eine Rolle zugewiesen bekommen
- Entwickliung gemeinsamer Wahrnehmugseinschränkungen und sog. "Sektenmechanismen"
- Abhängigkeit vom Leiter, wenn das Stellteam bezahlt wird
Ich frage mich allerdings, wie es ist, wenn Personen aus dem Stellteam mit ihrem Stellteam ihr Anliegen aufstellen.
Das halte ich aus meinen bisherigen Erfahrungen für ungünstig, da dann bereits gemeinsame Ausblendeungen bestehen. Was geschieht beispüielsweise, wenn in einer Aufstellung unausgleichbare persönliche Schuld (z.B. am Tod eines Menschen oder einem Gruppenmitglied gegenüber) offenbar wird?
Solche Faktoren könen auch in einer langfristig angelegten Aufstellungsgruppe, die sich in regelmäßigen Abständen trifft, eine Rolle spielen. Ich habe z.B. neulcih in einerGurppe erlebt, was geshcieht, wenn ein Gruppenmitglied eine aktuelle Beziehung aufstellt und dabei zwei seiner Expartnerinnen mitmachen und die Leiterin nicht darüber informiert ist.
Ich muss sagen: Bisher die besten Erfahrungen habe ich mit jenen "neuen" Teilnehmern gehabt, die dem Familienstellen gegenüber konstruktiv kritisch eingestellt waren und dabei denoch eine offene Wahrnehmung hatten. Andererseits weiß ich bei erfahrenen Teilnehmern, was ich ihnen zumuten kann- z.B. bei schweren Rollen. Wenn es darum geht, eine Rolle wie z.B. Täter und Opfer des 3. Reiches dazu zu stellen, greife ich lieber auf erfahrene Stellvertreter zurück.
Schön finde ich, dass sich hier in Kiel derzeit eine kleine "Szene" von miteinander locker kooperierenden Aufstellern bildet, die sich auch schon mal gegenseitig empfehlen. So stelle ich mir das Netzwerken vor.
Viele Grüße
Christoph