Wie sahs dann vor Ort aus?
Antwort Walter-Jörg Langbein: In Indien herrschte dann auf der Fahrt von Chidambaram nach Vaithisvarankoil erwartungsvolle Spannung. Getrübt wurde die hoffnungsvolle Erwartung vom äußeren Eindruck, den die Palmblattbibliothek, die angeblich zu den besten ihrer Art gehören soll, erweckt. Das äußere Erscheinungsbild muß als höchst bescheiden bezeichnet werde, um das Wort schäbig zu vermeiden, und steht in krassem Gegensatz zu den schweren goldenen Uhren, die die "Diener" der Bibliothek stolz zur Schau tragen.
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Hast Du Dir die Dinge vortragen lassen?
W-J.L.
Ganz so einfach und so direkt ging das nicht. Zunächst wurde das genauere Procedere vom selbstgefälligen Poosa Muthu erklärt. Es lägen unsere Geburtsdaten vor. Freilich seien zu jeder Minute jedes Tages auf der ganzen Welt viele Menschen geboren worden. Um nun für jeden von uns das richtige Palmblatt heraussuchen zu können, sei es nun möglich, daß wir einzeln befragt wurden. So geschah es dann auch. Mir wurden eineinhalb Stunden lang zahllose Fragen gestellt, die ich alle geduldig beantwortete. Ich kam mir wie bei einem Polizeiverhör vor.
L.A.F.
Hattest Du den Eindruck, man quetscht Dich vorher soweit aus, daß man schon genug über die Fakten Deines Lebens weiß?
W-J.L.
Ganz genau! Schließlich habe ich nach intensivem "Verhör" alles preisgegeben, meinen gesamten Lebenslauf dargelegt. Ich hatte die Situation meiner Eltern dargestellt, ausführlich über das berufliche Leben meiner Frau, meine finanzielle Situation berichtet.
Der mir zugeteilte Diener und sein Dolmetscher lächelten zufrieden. "Jetzt können wir Ihr persönliches Palmblatt heraussuchen!" wurde mir beschieden. Das sei nur eine Frage von Minuten. Aus Minuten wurden Stunden. Die Spannung stieg ins Unermeßliche, um dann herber Enttäuschung zu weichen. Denn mir wurde in langweiligem Singsang von "meinem Palmblatt" buchstabengetreu vorgelesen, was ich zuvor den Vertretern des ominösen Instituts verraten hatte. Auf meinem Palmblatt stand nicht eine einzige noch so unbedeutende Information, die ich nicht selbst zuvor verraten hatte.
Von Minute zu Minute wurde ich ärgerlicher. "Schreiben Sie den Vornamen Ihres Vaters auf!" war ich Stunden zuvor aufgefordert worden. Jetzt "erfuhr" ich, freudestrahlend verkündete man es mir, wie der erste Buchstabe meines Vaters heißt. Im Anschluß teilte man mir mit, wie mein weiteres Leben verlaufen werde. Ich bekam zahlreiche verschwommene Allgemeinplätze zu hören - und groben Unfug. Statt präziser Zukunftsvisionen bekam ich etwa zu hören: "In diesem Jahr erkranken sie vermutlich. Wenn Sie medizinisch hinreichend versorgt werden, wendet sich alles zum Guten!" Derlei Prognosen erinnern in verblüffender Weise an "Bauernweisheiten" wie: "Kräht der Hahn auf dem Mist, ändert sichs Wetter. Oder es bleibt wie es ist."