WUSEL
Sehr aktives Mitglied
Anfang der 90er Jahre hatte ich Spätdienst im Krankenhaus. Um 14.45 Uhr kam ein Mann in unser Stationszimmer. Polizist in Zivil. In Zivil, weil eine Panik vermieden werden sollte. Es war nämlich eine anonyme Bombendrohung eingegangen. Im Krankenhaus sei eine Bombe deponiert worden, die um 16.00 Uhr hochgehen sollte.
Die Polizei wußte nicht, ob es wirklich eine Bombe gab oder ob es sich um einen Scherz handelte. Im Zweifelsfall sollte aber nichts riskiert werden. Das ganze Krankenhaus musste innerhalb der nächsten Stunde evakuiert werden. Und zwar ohne dass Patienten und Angehörige erfuhren warum die Evakuierung stattfand. Deshalb sollte so getan werden als ob es sich um eine Notfallübung handelte.
Ich kann euch sagen, mir ging der Arsch auf Grundeis und der Drang, einfach wegzulaufen war übermächtig.
Ich war froh, dass die Polizei auf Nummer Sicher ging und nicht sagte: "Wir lassen uns von so einer Drohung nicht erpressen. Bleibt mal alle hier."
Es war die schlimmste Stunde meines Lebens. Weil die Zeit drängte und nur zwei Aufzüge für vier Stockwerke zur Verfügung standen, haben wir die Patienten teilweise auf normale Stühle gesetzt und sie die Treppen runtergetragen. Dabei haben wir versucht unsere Angst nicht zu zeigen und wurden von Patienten und Angehörigen beschimpft, weil wir schwerkranken Menschen diese Belastung wegen einer Notfallübung zumuteten.
Währenddessen suchte die Polizei im ganzen Krankenhaus unauffällig nach der Bombe.
Um 15.55 Uhr stand ich mit dem letzten Patienten im Bett vor dem Aufzug und wartete darauf dass er endlich kam. Ich weiß die Uhrzeit noch ganz genau, weil über dem Aufzug eine Uhr angebracht war und ich dachte "in fünf Minuten sterbe ich". Ich hatte eine solche Scheißangst wie noch nie in meinem Leben und wäre am liebsten weggelaufen. Der Aufzug kam und ich fuhr mit dem Patienten nach unten und raste dann mit ihm zum Ausgang.
Und dann haben wir gewartet. Während uns Patienten und Angehörige mit rechtlichen Konsequenzen drohten.
Nichts passierte. Das Krankenhaus flog nicht in die Luft. Die Drohung war wohl ein schlechter Scherz.
Ich habe nicht ein einziges mal später gedacht dass die Polizei hätte anders reagieren sollen. Und meine Kolleginnen auch nicht. Ich bin froh, dass sie die Drohung ernst genommen und mein Leben nicht riskiert hat.
Ich lasse mich lieber zehnmal umsonst erpressen als mich einmal von so einem Arxxxloch zerfetzen zu lassen.
Ist sicher eine schlimme Erfahrung.
Kann ich mir gut vorstellen - da ich in einem Altenheim arbeite.
Aber das ist trotzdem (für mich) nicht vergleichbar.
Du beschreibst eine Situation in der Du handeln musstet - wo es um Schutzbefohlene ging.
Ein abgesagter Karnevalsumzug hat damit gar nix zu tun.
Lg. W.