Es wurde nicht der Begriff
Projektion widerlegt, sondern das Konzept, welches dieser Begriff bezeichnet.
Damit ist deine gestellte Frage eine Frage nach der Benennung eines widerlegten Konzeptes.
Ein anderer Name würde aber nichts an Rolf Degens Aussage ändern, dass es widerlegt ist.
Was genau verstehst du denn unter „wenn Jemand auf uns was ablädt“?
Bitte erläutere es detailliert und wenn möglich mit einem Beispiel, damit wir nicht aneinander vorbeireden.
Erst wenn wir unsere jeweiligen Erläuterungen miteinander vergleichen, wissen wir, ob wir über dasselbe reden.
Ich werde also im Gegenzug erläutern, welches Konzept sich hinter Freuds Begriff
Projektion verbirgt.
(
Genau dieses Konzept ist laut R. Degen widerlegt.)
Projektion nach Freud:
Der Begriff
Projektion bezeichnet die unbewusste, Angst abwehrende Verlagerung von Triebimpulsen, Wünschen und Schuldgefühlen auf andere Personen.
Zudem besteht die Abwehr mittels Projektion darin, dass man einen Charakterdefekt oder einen Fehler weit von sich weist und ihn bei anderen entdeckt.
Das heißt also, dass jemand sich der projizierten Eigenschaften bei sich selbst nicht bewusst ist.
Der Zweck der Projektion besteht darin, die schmerzliche Selbsterkenntnis abzuwehren.
Klassisches Beispiel:
Der Homophobiker, der selbst latent schwul ist.
Er hat also was gegen Schwule, weil ihm nicht bewusst ist, dass er selbst schwul ist.
→ Die Funktion der Projektion besteht in diesem Beispiel darin, die schmerzliche Selbsterkenntnis (wenn es eine "schmerzliche" ist), dass man selbst schwul ist, abzuwehren.
==> DAS ist also, laut Degen, widerlegt.
Untersuchungen haben ergeben, dass es keine Indizien dafür gibt, dass unbewusste Persönlichkeitsmerkmale projiziert werden. Wenn das tatsächlich stimmt, dann kann man auch nicht mehr behaupten, dass die Projektion dazu dienen würde, die Selbsterkenntnis abzublocken.
Jetzt nehmen wir mal an, ich hätte Rolf Degens Buch nicht gelesen und wüsste daher nicht, dass Freuds Konzept der Projektion widerlegt ist.
Ohne dieses fundierte Hintergrundwissen müsste ich weiterhin annehmen, dass es diesen beschriebenen Mechanismus der Projektion tatsächlich gibt.
Was dann aber immer noch übrigbleiben würde, wäre meine Kritik am
Gebrauch dieses Wortes.
(Achtung: Mit Gebrauch meine ich einen gewissen „Missbrauch“, nämlich als Totschlagargument.)
Meine Kritik am Gebrauch stellt eine Kritik dar, die immer dann zutrifft, wenn der Begriff „Projektion“ als Totschlagargument missbraucht wird. → Das hängt mir zum Hals raus.
Zum Beispiel:
Quelle:
https://www.esoterikforum.at/thread...ell-indoktriniert.206129/page-31#post-5090959
Ein Gespräch zwischen
@Cayden und
@Joey.
Die zu beobachtende Tatsache, dass Joey esoterische Konzepte und auch manche „Esoteriker“ kritisiert, führt Cayden auf ein Trauma in Joeys Kindheit zurück, das er hier ständig auf „Esoteriker“ projizieren würde.
→ Die Motivation für die zu beobachtende Tatsache „Kritik an Esoteriker“ wird als Projektion abgetan.
Die Person, die angeblich etwas projiziert, wäre in diesem Falle also Joey.
Was projiziert er und auf wen? Er projiziert sein „Trauma aus der Kindheit“ auf „Esoteriker“.
(Nach Freuds Konzept wäre Joey eigentlich ein "Esoteriker" und würde das bei sich selbst aber nicht erkennen können.)
Ich habe ja weiter oben ausführlich erklärt, welches Konzept hinter dem Begriff
Projektion steckt.
→ Strenggenommen umfasst es eigentlich die Persönlichkeitsmerkmale eines Menschen, die angeblich projiziert werden und keine Traumata.
Na gut, weichen wir den Begriff etwas auf und nehmen noch Trauma mit hinzu. An meiner Kritik des Gebrauchs wird das nichts ändern. (
@Zimmer72, hör auf zu schwafeln und komm auf den Punkt
)
Hier also nun endlich meine Kritik am Gebrauch des Begriffs
Projektion:
Wenn in einer Diskussion plötzlich der Begriff
Projektion fällt, dann hat der Gesprächspartner strenggenommen keine Möglichkeit mehr, diesen Vorwurf erfolgreich von sich zu weisen. Das liegt daran, weil die Projektion nach Freud ja besagt, dass er gerade einen
unbewussten Persönlichkeitsanteil projiziert. Er kann das selbst nicht sehen, aber sein Gesprächspartner sieht das ganz genau. Wenn also derjenige, dem die Projektion unterstellt wird, dagegen hält, dass er ja gar nicht projizieren würde, ist genau dieses von sich weisen der Projektion eine Bestätigung der Projektion.
Egal welche Argumente jemand aufwendet, um die falsche Beschuldigung zu widerlegen, es wird ihm alles nicht geglaubt werden und das nur aus einem Grund: Ein anderer weiß scheinbar mehr als man selbst.
Bezogen auf Joey und Cayden heißt das:
Joey übt Kritik an „Esoterikern“.
Er bringt immer wieder Argumente vor, auf die man als potentieller Gesprächspartner eingehen kann. Üblicherweise bewegt man sich beim Argumentieren auf der sachlichen Ebene.
Schema: Argument/Gegenargument
Jetzt kommt Cayden und hinterfragt nicht Joeys Argumente, sondern seine Motivation Kritik zu üben. Damit bewegt er sich von der sachlichen Ebene weg, hin zur persönlichen Ebene.
Cayden behauptet, hinter Joeys Motivation verstecke sich ein Trauma aus der Kindheit, dass er auf Esoteriker projizieren würde. *wumms*
Wie soll Joey das jetzt erfolgreich von sich weisen? Einfach, indem er behauptet, er hätte kein Trauma aus seiner Kindheit? Nee, es ist ihm ja nicht bewusst...
Das Konzept der Projektion identifiziert nur einen Grund (in Joeys Fall Trauma) und der ist dem Kritiker Joey nicht mal bewusst. Klar, bei der Erklärung muss Joeys Verhalten getrieben wirken.
Was ist aber, wenn Joey ganz einfach die Motivation hat, Menschen davor zu bewahren auf Scharlatane reinzufallen und sie somit davor zu bewahren Geld und Gesundheit zu verlieren?
Was ist, wenn er ganz einfach nur Spaß am Argumentieren hat?
Was ist, wenn er vielleicht ein kritisches Buch über esoterische Methoden schreiben möchte und hier nur eine Plattform gefunden hat, an der er seine Argumente gegen diverse esoterische Methoden erproben kann?
...
...
→ Das sind alles denkbare Beweggründe, warum Joey hier schreibt.
Aber
NICHTS davon
muss zutreffen.
Spekulationen über die Beweggründe eines anderen Menschen anzustellen und sie dann auch noch so zu präsentieren, als ob die eigenen Spekulationen über die Beweggründe eines anderen Menschen stimmen müssen, weil ja mittels des Konzeptes der Projektion verdachtshermeneutisch genau diagnostiziert werden kann, was jemanden umtreibt,
sind einfach nur unglaublich anmaßend!
Ich hoffe, dass mit meinem ausführlichen Post nun klargeworden ist, was genau mich an dem Gebrauch des Wortes
Projektion stört.
Dabei ist der Gebrauch vom Wahrheitsgehalt des Konzeptes zu unterscheiden. Meine Kritik trifft wie schon erwähnt immer dann zu, wenn das Wort als Totschlagargument gebraucht wird.
Da das Konzept aber widerlegt wurde, kann man sich in einer Diskussion endlich wehren und darauf hinweisen, dass man zum Beispiel an keinem Trauma leide und darum bitten sachlich auf die dargelegten Argumente einzugehen.
Viele Grüße