Ich denke schon, dass manche Neurowissenschaftler diese Position vertreten, wenn sie z. B. die Willensfreiheit komplett negieren. Manche gehen offenbar davon aus, dass das Bereitschaftspotenzial monokausaler Faktor willkürmotorischer Handlungen ist. Das bewusste Wollen sei lediglich eine Illusion, gleichfalls die Entscheidungsfreiheit. Demnach hat das Bewusstsein als bloßes Nebenprodukt zerebraler Aktivitäten keinerlei Chance, neuronale Operationsmuster zu manipulieren. Wenn ich Prof. Ernst Pöppel richtig verstanden habe, denkt das bewusste Ich nicht einmal, sondern reflektiert allenfalls. In diesem Falle kann man also nicht wirklich eine aktive Einflussnahme seitens des Bewusstseins annehmen.
Was bedeutet denn Willensfreiheit? Was entscheidet, was Du willst? Was entscheidet, in wen Du Dich verliebst? Was entscheidet, welche Musik Du gerne hörst? Was entscheidet, welche Hobbies Du hast? Könntest Du sagen: "Ab heute höre ich am liebsten Heavy Metal", und das ist dann auch so?
In einer Folge der Nerd-Sitvom "The Big Bang Theory" (weiß nicht, ob Du die kennst oder schaust) versucht Sheldon seine trivialen Entscheidungen durch Würfelwurf zu treffen, damit sein Verstand für die wichtigen Sachen frei ist. Das ging nicht nur bei der Zusammenstellung seines Mittagessens schief.
Was in uns ist es also, was all diese Entscheidungen trifft? Und warum werden sie nicht bewusst getroffen? Wenn wir uns bewusst entscheiden könnten, in wen wir uns verlieben und in wen nicht, gäbe es diverse Probleme (und Seifenopern) weniger im Leben (und Liebesromane wären extrem langweilig)...
Es gab mal folgendes Experiment: Einer Versuchsperson wurden Jeweils zwei Karten mit verschiedenen Gesichtern gezeigt, und sie sollten sich aussuchen, welches Gesicht ihnen besser gefällt. Die entsprechende Karte wurde ihnen dann gereicht und sie sollten ihre Entscheidung begründen. Das besondere war, dass mittels eines Taschenspieler-Tricks den Versuchspersonen manchmal das jeweils andere Gesicht - welches sie vorher ablehnten - zugereicht wurde. Die meisten haben es nicht gemerkt und haben ihre Entscheidung nun allerdings mit den Merkmalen des falschen Gesichts begründet. Z.B. soll einer gesagt haben, dass er mehr auf Blondinen steht, wobei er vorher die dunkelhaarigere ausgesucht hat.
Es ist meistens (nicht immer) so, dass wir mit unserem Verstand unsere Handlungen rationalisieren und nicht umgekehrt. Unsere Willensfreiheit ist eine Illusion, weil wir eben meistens nicht entscheiden, was wir wollen. Wir wollen es einfach.
Ebenso verweise ich wiedereinmal darauf, dass gewisse Hirnverletzungen zu Veränderungen des Charakters führen können ohne, dass die Motorik beeinträchtigt wäre; die Betroffenen sind nicht behindert; sie werden nur z.B. cholerischer. Wie käme das, wenn wir sowas wie eine Seele hätten, die von der Hirnverletzung unbeeinträchtigt bliebe - die den "wahren Charakter" repräsentieren soll?
Wieso sollten wir darum die Quelle dieses Wollens außerhalb des Gehirns bei einer Seele suchen?