Noch etwas zum Thema Grenzen. Grenzen oder Begrenzung sind ja ein für die Atopie multidimensional relevantes Thema:
- die Frage, warum meine Barriere Haut offener ist als bei anderen
- die Frage, warum bei mir Psyche und Soma anders verknüpft sind im Wesen
- die Frage, warum an meinen Schleimhautgrenzen eine ganze Horde von Vagabunden haust, die eigentlich erwünschten Zureisenden den Weg aus der Stadt weisen
- die Frage warum mich mein Leben anders betrifft, mit dem Schwerpunkt im Kontaktorgan und damit im Kontaktthema
- die Frage der Grenze der Belastbarkeit durch chronische Krankheit
- und viele andere Fragen, die sich letztlich um das Thema Grenzen, Begrenzung, Barriere, Schliessung und Öffnung drehen.
"Oberflächlich" betrachtet ist ja oft der Wunsch vorhanden, daß sich die Haut schliesst. Ein Schliessen der Haut wird mit Heilung verbunden. Das ist das innere Bild, das man verfolgt, wenn man die offene oder gerötete Haut betrachtet: "Haut schliesse Dich". Das ist der Wunsch.
Ich fürchte: das klappt nicht. Denn die Haut ist das Organ, das das Wesen nach aussen hin öffnet. Es ist neben den Sinnesorganen das Kontaktorgan zur Aussenwelt. Bei den Schleimhäuten ist es ebenso. Die Idee, daß sich Haut schliessen müsse, muß also kontraproduktiv sein, denn Haut und Schleimhaut sind Organe, die sich nicht schliessen lassen, sondern die sogar wach sein müssen und offen für die Umwelt. Daher ist vermutlich das Bestreben, bei offener Haut geschlossene Haut herbeizusehnen nicht sinnvoll, nicht ganzheitlich logisch.
Ich glaube aber das lernt so gut wie jeder chronisch Erkrankte irgendwann: sich anders zu wünschen, ohne diese Erkrankung, macht keinen Sinn. Das Ziel bei chronischer Erkrankung ist ja vielmehr, die Krankheit, die man in einer ganz individuellen Ausprägung hat, zu verstehen. Es auf die Haut und auf Stoffe zu reduzieren und auf ein überschiessend arbeitendes Immunsystem ist dabei zuwenig. Der Mensch trägt seine Krankheit als Ganzes in sich, und nicht nur seine kranke Haut, nicht nur seine überschiessende Immunreaktion. All das sind ja nur Symptome der Krankheit, die man individuell trägt.
Daher finde ich es wichtig, sich für diese Krankheit, die man hat, auch tatsächlich zu öffnen. Sich für ein Leben mit dieser Krankheit tatsächlich zu entscheiden. Sich einzurichten in den Bedingungen, denen man unterliegt und auszutesten, welche Grenzen sich verschieben lassen bis wohin und welche nicht.
Für mich persönlich heißt das, daß ich phasenweise auf meine Ernährung achtgeben muß, in anderen Phasen nicht. Weiß ich zum Beispiel, daß mein Darm gar keine Energie hat für irgendein hochwertiges Essen, gehe ich zu Mc Donalds und denke mir nichts dabei. Ich kann das an solchen Tagen verdauen und ein Salat würde mir allerlei Symptome und Bauchschmerzen machen. Es hat eine Weile gedauert, bis ich mich soweit umprogrammiert hatte, daß ich wußte bzw. weiß: ich tu jetzt was Gutes für mich, ich geh jetzt zu McDonalds.
Das Gleiche mit dem heissen Wasser: es wird gesagt: zu heisses Wasser trochnet die Haut aus, zerstört sie regelrecht. "Mumpitz" sage ich: es ist vollkommen irrelevant, daß durch heisses Wasser meine Haut austrocknet, wenn ich die Alternative habe entweder zerkratzte Haut zu haben oder gesund aussehende trockene, die ich dann halt eincreme mit einer einfachen Lotion, wie jeder Gesunde.
Was ich damit sagen will: man muß die Grenzen erweitern. Man muß herausfinden, was für einen selber gut ist und die Grenzen der Gesellschaft, die für Gesunde aufgestellt werden, gelten für Kranke so nicht. Und wenn die Psyche einem die ganze Zeit einredet "ich muß bzw. müßte jetzt dies tun" oder "ich darf eigentlich nicht das tun", ja bitteschön, dann kann man ja nicht gesund werden. Man muß den eigenen Rahmen finden und diesen leben.
Das Gleiche gilt für diesen komischen Begriff "Psychosomatik". Auch hier wird ja eine Grenze erkannt, die psychische Phänomene von körperlichen Phänomenen trennt. Ob dem tatsächlich so ist sei mal dahingestellt, aber jeder Mensch hat wohl eine andere Art, in der sich körperlich zeigt, was psychisch gerade in ihm vorgeht. Der Eine zeigt's durch Verhalten, der nächste durch Mimik, der Dritte durch ein Symptom irgendeines Organs.
Der Neurodemitiker hat's insofern gut, als daß er sein Organ kennt, in dem sich seine psychische Situation abbildet. Unsinn ist aber natürlich esoterisch gesehen, nun am Körper herumzuexperimentieren und es zeigt sich ja auch, daß keine gute Behandlung des Körpers gefunden wird. Geht man als Neurodermitiker aber zum Psychologen oder Psychiater wird festgestellt, daß man in der Psyche nicht kränker oder gesünder ist als jeder andere chronisch Kranke. Die Krankheit liegt also nicht in der Psyche, nicht im Körper, sondern sie liegt zwischen beiden und in der Art, wie sich die Information in der Psyche als Information im Körper ausdrückt.
Wenn ich also am Körper nicht herumfummeln kann weil's letztlich nix bringt, muß ich die Information in meiner Psyche anders mit meinem Körper in Verbindung zu bringen lernen.
Mir persönlich hilft da die Idee des Geistes. Ich verstehe ihn als eine leere Plattform, auf der mein Leben stattfindet. In meinen Geist dringen Wahrnehmungen ein von dieser Welt, also letztlich aus meinem Körper. Meine Seele nun ist es, die mit diesen eindringenden Wahrnehmungen umgehen muß, die mir Gedanken macht und Gefühle zeigt. Meine Psyche ist also, wenn es ihr nicht gut geht, ein einziger Gedankengefühlswust aus Worten, inneren Bildern, Erinnerungen, Emotionen.
Frei davon ist jedoch der Geist. Er ist eine leere Plattform. Durch Meditation-Üben habe ich gelernt, diese leere Plattform zu erkennen und dadurch a) besser zu bemerken, welche Informationen eigentlich als Sinneswahrnehmung aufgenommen wird und b) zu bemerken, wie sich meine Psyche beschäftigt. Und ich weiß mittlerweile sehr genau, wie sich meine Psyche beschäftigen muß, damit ich entweder Symptome an der Haut oder am Darm oder an der Lunge bekommen kann.
Wenn ich diese "ungute" Beschäftigung meiner Psyche, die bei mir ein Selbstläufer und für mich der Auslöser meiner Erkrankung ist, bemerke, dann setze ich mich hin und denke diese Gedanken zuende. Ich identifiziere, welche Wahrnehmungsinhalte mir diese psychischen Bewegungen, unter denen ich leide, verursachen und wie das Gefühl heißt, daß diese psychischen Bewegungen in mir verursachen. Kenne ich das Gefühl und weiß ich den Gedankenkomplex, dann kann ich "auf mich aufpassen" und z.B. durch Mantren oder Konzentrationsübungen meine Psyche zur Beruhigung bringen. Es kann natürlich auch sein, daß ich eine Handlung ausüben muß oder ein Gespräch suchen muß, einen Gang machen muß, um die Ursache für mein Gedankengefühl zu klären. Oder aber ich muß diesen Komplex für einen längeren Zeitraum im Blick behalten, weil er mich ganzheitlich auch im Zusammenhang mit meiner Biographie betrifft und ich da etwas aufarbeiten muß.
Also nochmal zusammengefasst: wenn ich weder meine körperlichen Symptome noch meine psychosomatische Veranlagung wegbehandeln kann, dann habe ich nur den Ansatzpunkt der Psyche und ihrer Bewegungen. Und daher ist Meditation und die Auseinandersetzung mit dem, was Geist ist, für mich maßgebend dabei, eine Handlungsvollmacht über meine Krankheit zu erreichen.
lg