Mein Opa und ich

Ninja

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23. Juni 2004
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Ort
Salzburg
Für all jene die sehr traurig sind oder für alle die sich mit dem Thema Tod auseinandersetzen:

Möchte gerne aus meinen Erfahrungen erzählen und vielleicht erkennt jemand da auch Ähnlichkeiten zu seinen.

Ich wuchs ab meinen 10. Lebensjahr bei meinen Großeltern auf, daher empfand ich für meinen Großvater wirklich wie für einen Vater. Wir verstanden uns enorm gut, und er war ein Mann der Fröhlichkeit. Nur wuchs er in einer Generation auf wo man sich noch nicht so viel mit seiner eigenen Persönlichkeit und seinen Problemen auseinandersetzt, sondern er war es gewohnt hinunterzuschlucken, was sich auch in seiner Herzkrankheit äußerte. Er mußte Bypass operiert werden, hatte zwei Herzinfarkte und trotzdem rappelte er sich immer auf, war vom Leben so begeistert, sprach kaum vom Tod.
Das änderte sich zwei Monate bevor er starb. Er wurde mit jedem Tag schwächer, lag viel im Bett aber wenn er auf war, dann war er bemüht meine Oma in Sachen wie Bankangelegenheiten einzuschulen, es war wirklich so als hätte er gespürt, es sei eine wichtige Sache, viel Zeit hat er nicht mehr. Auch äußerte er sich einmal in dem er am Friedhof sagte: " Der nächste der da oben steht bin ich."
Ich war oft bei ihm und wir setzten uns zusammen an einen Tisch und sprachen viel miteinander. Ich war sowieso durch seine Krankheit immer bemüht alles auszusprechen, weil ich lebte immer mit dem Gedanken, er könnte ja wieder einen Herzinfarkt haben. Doch unsere letzten Gespräche wurden anders, noch intensiver. Er erzählte mir daß er intensiv träumt, er träumt vom Krieg und seiner Jugend, sieht alte Kriegsfreunde usw. Ich war damals gerade im Aufbruch , mein Umzug nach Salzburg stand bevor. Er ließ mich einfach gehen, er holte sogar den Autoatlas hervor um mir zu zeigen wie ich immer am besten fahren kann.
Dann erzählte er mir, daß ihm das Herz so weh tut, und ich hatte einen Arzttermin für ihn organisiert, wo er auch hinfuhr, und die sagten ihm, er müsse nicht aufgenommen werden , er kann nach Hause fahren, er wird neue Medikamente bekommen. Ich ging zum Nachtdienst und in der Früh , direkt noch in der Klinik rief mich mein Opa an. Er war total verkühlt, erkannte seine Stimme nicht und er meinte noch: " Mein Puls geht so schnell, ist das gefährlich?" Ich war durch den Dienst sehr müde und sagte nur, es sei normal wenn man so verkühlt ist und wir verabschiedeten uns und ich ging schlafen.
Am Nachmittag wachte ich auf und rief bei ihm an, wollte sicher gehen daß er die Medikamente bekommen hat, als meine Tante abhob und sagte: " Der Opa ist gestorben".
Ich weiß es noch so, als wäre es gestern gewesen, ich fasste es einfach nicht und in meinen Schock sagte ich: " Ich muß arbeiten gehen", rief die Klinik an, die mir sagten ich kann natürlich daheim bleiben und fuhr dann geistesabwesend mit dem Auto zu meinen Großeltern. Während der Fahrt kamen immer wieder nur die Gedanken : " Ich sehe dich nie wieder".
Dort angekommen hatte ich es plötzlich eilig. Der Lift kam mir zu langsam, so rannte ich 7 Stockwerke hinauf, als ob ich ihn dann noch lebendig erreichen könnte.
Ich kam atemlos an, rannte ins Schlafzimmer, dort lag mein Opa auf seinem Bett, so als würde er nur schlafen. Sein Gesicht war so gelöst, so friedlich und er sah wirklich schlafend aus. Ich kniete mich hin, nahm seine Hand in meine so als würde er mich spüren und streichelte seinen Kopf. Ich roch ihn förmlich noch, ich spürte ihn noch so, und in meinen Gedanken sagte ich nur immer wieder: "Ich liebe Dich, Opa ich liebe Dich. Bitte gehe ins Licht", und ich sprach immer wieder ein Gebet.
Es war so ein intensives letztes Abschied nehmen, dann kamen die Herren der Bestattung und nahmen ihn mit, als er in diese " Kiste" reinkam, merkte ich, er war selber nicht mehr anwesend, seine Seele war woanders.
Das Begräbnis war schön und so traurig zu gleich. Es war eine Feuerbestattung und mein Großvater suchte sich schon zu Lebzeiten zwei Lieder aus, dabei wurde eines gespielt, was recht fröhlich war, wo man ihn förmlich vor Augen hatte, so wie er zu Lebzeiten war.
Doch hatte ich selber einen Konflikt aufzuarbeiten. Machte mir selber Vorwürfe daß ich an dem Tag wo er starb nichts anderes am Telefon sagte, oder nicht spürte daß es zu Ende ging. Da machte ich folgendes: in einem ruhigen Nachtdienst schrieb ich einen 5 Seiten langen Brief an meinem Opa, wo ich all das niederschrieb, wo ich sehr weinte und als ich fertig war, wurde im Radio das Lied " Großvater" gespielt. Das kam von ihm!
Von da an träumte ich intensiv von meinem Opa, er erzählt mir viel, er zeigt mir es geht ihm gut, wir führen richtige Gespräche und auch wenn ich so manchmal noch kurz traurig bin, es ist so eine Nähe und Verbindung da, die ich kaum in Worte beschreiben kann. Ich kann ihn körperlich nicht mehr fühlen, aber im Herzen. Ich kann weiterhin mit ihm alles besprechen und ihn in meinen Träumen sehen, ohne daß ich ihn einzwänge. Ich lies ihn los und irgendwie dadurch bekam ich ihn aber auch. Klingt sicher komisch aber durch dieses "ihn gehen lassen" kam er immer öfters zu mir.
Mein Opa ist nicht tot, er ist woanders, auch kann es sein, daß er dort wo er nun ist, nicht mehr mein Opa ist, aber in der Zeit wo er auf Erden war, da war er mein Opa und für diese Zeit ist er es auch. Immer wieder sage ich ihm er soll auf sich schauen und das tun was gut für ihn ist, im Traum sagte er mir, daß er noch einmal kommen wird, weil er noch was zu tun hat. Das sind Gespräche wo ich nur sagen kann, die kommen mit so bestimmten Gefühlen, wo mir persönlich gesagt wird, die sind wahr.
 
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Hallo Ninja,
das ist wirklich wunderschön. Dein Bericht macht so viel Hoffnung! Ich weiß gar nicht, was ich dazu schreiben soll. Ich habe bei dem Gedanken an meine Großeltern dasselbe Gefühl. Ich weiß, dass es ihnen gut geht.
Als mein Opa vor einigen Jahren gestorben ist, war es auch so eine ganz besondere Situation. Er war schon eine Weile krank und wir hatten ihn zur Pflege bei meinen Eltern zuhause. Obwohl er zuletzt schon ein wenig verwirrt war und wunderlich geworden ist, war das letzte, das er zu mir sagte ganz klar und für mich später auch vollkommen einleuchtend. Ich wollte nachmittags in meine Wohnung fahren, etwa 50 km von meinem Elternhaus entfernt. Er kam in den Flur und sagte zu mir ganz ernst: "Komm bald wieder, mein Mädchen."
Ich sagte: "Na klar, bin bald wieder da." wußte aber, dass das wohl erst in ein paar Tagen sein würde. Ich bin dann in den Zug gestiegen und losgefahren. Gleich nach der Ankunft habe ich festgestellt, dass ich meinen Hausschlüssel vergessen hatte. Auch meine Mitbewohnerin konnte ich nicht erreichen, die war an dem Tag bei ihren Eltern geblieben. Also hatte ich keine andere Möglichkeit als wieder zurückzufahren.
Alles war so wie immer, als ich bei meinen Eltern ankam. Meine Mutter war da, meine Schwester. Ich ging in mein Zimmer und dann gegen Abend kam mein Vater.
Er hat unseren Opa gefunden, kam zu mir und meiner Schwester und hat uns gesagt, dass Opa tot wäre. Er ist ganz friedlich eingeschlafen - als alle wieder zuhause waren...
Ich habe mich schon so oft gefragt, mit wem meine Eltern eigentlich reden, wenn sie auf den Friedhof gehen, den Blick auf die Gräber meiner Großeltern und Urgroßeltern richten, weil die nämlich gar nicht dort sind. Ihre Überreste sind vielleicht noch da, aber nicht mehr der Mensch, den man gern gehabt hat. Aber wahrscheinlich ist das nur die Art meiner Eltern damit umzugehen.

Liebe Grüße,
Tarraco
 
Hi Ninja! :)

Was soll man zu so wunderschönen Gedanken sagen? (Bin im Moment leicht alkoholisiert... Sorry!) Dein Großpapa ist ja eigentlich Dein Vater... Komisch... Ich mußte die letzten Tage auch an meinen Großvater mütterlicher Seite denken, der leider viel zu schnell verstorben ist. Ich kann Deine Trauer sehr gut nachvollziehen. Ein Großpapa ist schon was Besonderes... Deiner ist bestimmt mächtig stolz auf Dich!!!!!!

Liebe Grüße :kiss3:
Toffifee
 
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Hallo Ninja,
ich hoffe, es ist ok, wenn ich mit meinen Gedanken zu deinem Thema ein wenig abschweife...

Deine Ausführungen zu deinem Erleben und deinen Gefühlen zu deinem Opa kann ich sehr gut nachfühlen.
Spontan kam ich gedanklich auf meinen Vater, ein Thema, was mir bislang unbewusst war und beim Lesen deines Beitrags mit voller Wucht auf mich prallte.

Karfreitag und Samstag war ich bei meinem Eltern.
Mein Vater berührt mein Herz sehr, mehr als meine Mutter. Ich habe heute verstanden, wieso ich in letzter Zeit immer deutlicher so eine innige Verbindung zu ihm spüre: Je älter er wird, desto ähnlicher wird er seiner Mutter, meiner über alles geliebten Oma, die ich immer noch vermisse, obwohl sie schon 25 Jahre tot ist...

Zuweilen habe ich das Gefühl, ich müsste eine Lebensaufgabe meiner Oma vollenden. Nur welche?
Geht es für mich lediglich darum, deutlich Liebe zu leben und die Natur zu achten und immer mein Bestes zu geben? Oder steckt noch etwas Dinglicheres, Greifbares dahinter?

Mein Vater hat sich während meiner Erziehung nicht wirklich als richtiger Vater betätigt. Mir fehlte eine Vorbildwirkung, eine Orientierung, deren Fehlen mich bei meiner eigenen Partnersuche sehr beeinträchtigt hat... Aber er gab mir immer seine Liebe. Seine Schwächen kann ich mittlerweile annehmen, weil ich um ihre Wurzeln weiß. Wir sind einfach aus dem selben Material gestrickt, meine Oma, er und ich.

So, wie Toffifee es schreibt, dass dein Großvater eigentlich dein Vater ist/war, fühle ich auch, dass meine Oma meine wirkliche Mutter ist. Jedoch lebten wir ja nie so dicht zusammen, wie Ninja es schreibt...

Ich bin heute ziemlich verwuselt innerlich. Aber es ist sehr interessant, über alles nachzusinnieren.

Ja, Tarraco, das Schöne ist für mich auch, dass ich fühle, dass der Friedhof nicht allein der Ort ist, wo ich sie "wiederfinde". Unsere Verstorbenen sind überall - um uns und in uns. Das ist ein großer Trost, finde ich. Trotzdem graut es mir jetzt schon vor dem Tag, an dem ich meinen Vater abgeben muss...

liebe Grüße, Romaschka
 
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