Tommy
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Wieso besteht dieser Zusammenhang unzweifelhaft?
Kinder lernen durch Beobachten und Imitieren. Das ist nicht nur eine wissenschaftlich gesicherte Erkenntnis
http://www.focus.de/wissen/wissenschaft/primatenforschung_aid_131939.html
sondern auch eine Alltagsevidenz, die jeder, der Kinder hat und über eine auch nur durchschnittliche Beobachtungsgabe verfügt, sofort bestätigt. Das neurobiologische Fundament dieses Lernens am Modell scheint in den erst kürzlich entdeckten *Spiegelneuronen* zu liegen. Das sind Gehirnzellen, die besonders bei Kindern aktiv sind und dafür sorgen, daß via Imitatio kumulative Lerneffekte erzielt werden können; sie sind offenbar auch für grundlegende Fähigkeiten der Empathie verantwortlich, ohne die ein soziales Miteinander nicht möglich wäre. Bei autistischen Kindern kann man etwa beobachten, daß das Feuern dieser Spiegelneuronen stark reduziert ist.
http://www.br-online.de/bayern2/iq-.../iq-feature-hirnforschung-ID1207575568048.xml
Kinder, die Mustern der Gewalt ausgesetzt sind und/oder diese chronisch konsumieren, lernen Anwendung von körperlicher Gewalt als nahezu alternativlosen Mechanismus zur Lösung von Handlungskonflikten. Wieso das unzweifelhaft ist, kannst du nachlesen, wenn du dem Link meines ersten Beitrags folgst. Oder lies dir am besten dies hier aufmerksam durch (hier wird auch auf den Mythos der angeblich zerstrittenen Forschergemeinde eingegangen):
Nicht jedes Kind, das viel Gewalt sieht oder eine Menge gewalttätiger Spiele spielt, wird zu einem Gewalttäter. Es spielen noch andere Faktoren eine Rolle.
Aber Hunderte von Studien haben bestätigt, dass Kinder, die über die Medien einer stätigen Diät von Gewalt ausgesetzt sind, hierdurch anfälliger werden für aggressives Verhalten. Und die psychologischen Prozesse, die daran beteiligt sind, sind gar nicht geheimnisvoll:
Kinder lernen durch Beobachtung
Kinder lernen, indem sie andere beobachten, und die Massenmedien bieten ein sehr attraktives Fenster, durch das beobachtet werden kann.
Kinder imitieren Verhalten, dass sie sehen, und sie unterscheiden, was richtig ist und was falsch ist, nach dem, was sie sehen.
Darüber hinaus überprüfen sie ihre Ideen und ihr Verhalten, indem sie es üben. Wird in Kinderspielen nun Gewalt ausgeübt und belohnt, so besteht die Gefahr, dass die Spieler gegenüber der Gewalt toleranter werden.
Ähnliches gilt für Filme. Wenn sich die Kinder mit dem Helden identifizieren - und das tun sie meist - erleben sie Freude, wenn der Held die Welt rettet, indem er den Bösewicht tötet und für die Handlung belohnt wird.
Für viele Kinder wird die größere Toleranz und werden die Anleitungen für gewalttätiges Verhalten sich zwar kaum bemerkbar machen, da es in ihrem Leben Faktoren gibt, die der Wirkung der Medien entgegenwirken. Aber die Wirkung existiert.
Aggressivere Kinder werden zu aggressiveren Erwachsenen
Die Forschung zeigt nun, dass aggressivere Kinder meist zu aggressiveren Erwachsenen heranwachsen. Und Erwachsene mögen gegenüber dem Einfluss der Spiele und Filme, die sie spielen und sehen, resistent sein. Ihre sozialen Fähigkeiten aber wurden beeinflusst durch das, was sie als Kinder sahen. Demnach ist damit zu rechnen, dass die Effekte langfristig sind.
In den USA sehen Siebtklässer pro Tag etwa 4 Stunden TV, und 60 Prozent der Shows zeigen eine Form von Gewalt. Siebtklässler spielen in der Woche etwa 4 Stunden Spiele, und 50 Prozent der Spiele sind gewalttätig.
Dies sind nur Mittelwerte. Manche Kinder sind der Mediengewalt noch weit stärker ausgesetzt. Und wie demografische Studien uns zeigen, erfahren gerade viele derjenigen Kinder, die am stärksten der Mediengewalt ausgesetzt sind, auch in ihrer realen Umwelt besonders viel Gewalt.
Zusammen vermitteln diese zwei Gewaltquellen beim Kind den Eindruck, die Welt sei ein sehr feindlicher Ort, in dem man sich mit Gewalt Respekt verschafft. Ist ein Kind nun frustriert, gestresst und verärgert, und war es dann noch all dieser Gewalt ausgesetzt, dann ist es verständlich, dass es zu gewalttätigem Verhalten tendiert.
Mythos von der Uneinigkeit der Forscher
Natürlich ist nicht eine einzige Studie perfekt, gerade in den Sozialwissenschaften. Es gibt Forscher, die sich einen Ruf erworben haben, indem sie versuchen, die Studien, die auf die Wirkung der Mediengewalt deuten, unter einer Welle von unterstellten Fehlern zu begraben.
Und es ist der Mythos entstanden, es gäbe unter den Forschern keine Einigkeit. Tatsächlich sind sich jedoch die meisten Wissenschaftler darüber einig, dass Mediengewalt Aggressionen stimuliert.
Es gibt ein Produkt, das Symptome hervorruft, die besonders Kinder betreffen. Dies wird durch eine Reihe von Experimenten seit über 30 Jahren belegt. Es gibt außerdem eine große Zahl von Feldstudien, die zeigen, dass mehr Menschen betroffen sind, die das Produkt regelmäßig nutzen. Und es gibt eine kleine Zahl von Langzeit-Studien, die in unterschiedlicher Umgebung die langfristige Wirkung untersucht haben.
Die meisten Studien haben zumindest einige Hinweise gezeigt, auch wenn es schwer ist, die Wirkung des Produktes von der Wirkung anderer Faktoren zu unterscheiden. Und natürlich wirkt das Produkt nicht auf jeden, nicht auf jeden gleich, und nicht jeder, der betroffen ist, hat das Produkt selbst tatsächlich benutzt. Auf diese Weise lässt sich beschreiben, was wir über den Zusammenhang zwischen Lungenkrebs und Zigaretten wissen.
Ähnlich stellt sich aber auch die Situation dar, wenn es um gewalttätiges Verhalten und Mediengewalt geht. Das Niveau der statistischen Belege ist ungefähr das gleiche. Was wir in beiden Fällen letztendlich wissen, ist: Der Gebrauch des Produkts erhöht das statistische Risiko. In beiden Fällen hat der Gesundheitsminister schon vor langer Zeit entschieden, dass die Substanzen gefährlich sind, und davor gewarnt werden muss.
http://www.sueddeutsche.de/wissen/artikel/787/1786/
Wie sähe die Welt in Deiner Vorstellung aus, wenn die "Bewusstseinsindustrie" (komisches Wort... gefällt mir irgendwie) keinerlei Gewaltdarstellungen mehr bringen würde? Gäbe es weniger Amokläufe? Würden weniger Menschen durchdrehen?
Ich bezweifle es.
Daß das Niveau gerade explodierender Gewalt der letzten Jahrzehnte, die immer jüngere Menschen erfaßt (Stichwort: Gewalt auf den Schuilhöfen), sich spürbar senken würde - daran besteht nun wieder für mich kein Zweifel.
Mal Gedankenexperiment
Hingen tatsächlich Außerirdische in unserem Orbit rum und würden, ohne jemals einen Direktkontakt zu uns zu haben, unsere Bewußtseinsindustrie analysieren, so kämen sie wohl zu dem Schluß, daß es sich bei diesen Wesen um eine brandgefährliche und hochaggressive Gattung handeln muß, denn ihre Bilderwelt scheint von der einzigen Idee durchdrungen zu sein, sich gegenseitig umzubringen.
Aber, wie bereits Adorno sagte (von dem auch der Ausdruck "Bewußtseinsindustrie" stammt): "Die Menschen sind immer noch besser als ihre Kultur."