Ja... die Relativität

K

Karuna

Guest
Ja, die Relativität...








Es war an einem Herbstabend des Jahres 1854, als Johannes und Wilhelm sich auf den Weg in den nahe gelegenen Wald machten.
Die Dunkelheit kam mit mächtiger Kraft und auf einmal war die Nacht da. Nebelschleier lagen über dem feuchten Waldboden, gaben den Weg nur vereinzelt frei, es war als wandelten Johannes und Wilhelm wie in einem unendlichem Meer, als schritten sie von Insel zu Insel, wie in einem Traum.
Aus den uralten Bäumen vernahm man leises Raunen, flüsterndes Gemurmel über Ewigkeiten, die sie die Bäume schon die Erde bewohnen, äonenlang....lange bevor die Menschen kamen, lange vor den Zeiten der Zeiten.
Wilhelm schaute hinauf zu den Sternen, ihr kaltes unnahbares Licht fiel durch die Blätter der Bäume und er dachte daran wie Johannes ihn heute Morgen fragte, ob er ihn in den Wald begleiten wolle. Johannes benahm sich rätselhaft, er nahm mich zur Seite und erzählte mir leise von einem geheimen Platz hier. Er wolle mir etwas zeigen, es gäbe auch eine Überraschung. Bedeutsam legte er den Finger auf seine Lippen, bat mich zu niemandem darüber zu sprechen.

Sie gingen schweigend nebeneinander her. Jeder war in seine eigenen Gedanken vertieft.
Wir kennen uns viele Jahre, dachte Wilhelm, eigentlich unser ganzes Leben. Es war in den letzten Jahren auf dem Gymnasium, da begann Johannes sich zu verändern. Nach außen blieb er der gleiche Spaßvogel der Klasse, aber als guter Beobachter entging mir seine Wandlung nicht. Wenn Johannes sich unbeobachtet wähnte, bemerkte ich diesen ernsten, fragenden Ausdruck in seinen Augen. Die Maske des Clowns behielt er glaube ich wie zum Schutz bei, um die Wahrheit, seine Wahrheit, die ihm heilig schien, vor den Anderen zu verbergen.
Ich dachte manchmal daran, ob ich ihn fragen soll, ich erwog es mehrere Male, doch letztendlich entschied ich mich zu schweigen.
Ich will einfach die Dinge um mich herum verstehen, überlegte Wilhelm. Auch die verborgenen und bin ein guter Beobachter, aber Neugierde war mir immer schon fremd, ich glaube, die Menschen werden einem ganz von allein ihre Geheimnisse mitteilen, wenn die Zeit reif dafür ist.
Die Jahre vergingen, Johannes verlies unser kleines Städtchen und zog nach Wien. Ich erinnere mich als sei es heute, wie er mir zum Abschied aus der Kutsche zuwinkte.
Wir haben uns viele Jahre nicht gesehen. Es kam dann und wann ein Brief, er schrieb es ginge ihm gut und das Studium der Medizin mache gebührende Fortschritte, Wien sei eine bereichernde Stadt. In einem anderen Brief berichtete er über Unruhen, Fürst Metternich sei geflohen. Er habe aber wertvolle Freundschaften geschlossen, darunter ein junger Mann aus Prag, der ihn eingeladen habe noch einige Zeit mit ihm zu verbringen. Und so lieber Wilhelm, schrieb er, ziehe ich nach Prag, der Stadt der Mystiker und Alchemisten.
Wilhelm dachte daran, wie sein Vater krank wurde und bald darauf starb, während er hinter Johannes herging, stetig bergauf durch dichten Eichenwald.
Ihm fröstelte, aber Johannes drehte sich nicht nach ihm um. Er hatte um Schweigen gebeten, um wie er es nannte, die Magie nicht zu zerstören.
Schweigend gingen sie weiter, in immer tieferen Wald hinein. Seine Gedanken kehrten zu seinem verstorbenen Vater zurück. Er Wilhelm übernahm die Apotheke des Vaters und heiratete Sophie.
Meine Gattin Sophie nahm mein Herz ganz in Besitz und schenkte mir vier Kinder. Ich habe allen Grund um glücklich zu sein, wäre da nicht eine unbekannte Sehnsucht in meiner Brust...
Dann, nach Jahren kam Johannes heim, er war verändert. Inzwischen ein gestandener Mediziner, machte er seine Arztpraxis auf und begann seine Arbeit mit sicherem Können.
Die Menschen in unserem Städtchen achteten ihn und haben zu seinen Fähigkeiten Vertrauen.
Wie es aber nun einmal so ist, wird über ihn getuschelt, er sei ein komischer Kauz, habe merkwürdige Verhaltensweisen und auch, dass er mit vierzig immer noch nicht verheiratet sei.
Im obersten Stock seines Hauses, brenne nachts das Licht in einem Fenster bis in die frühen Morgenstunden und das in einem Raum, den nicht einmal seine Haushälterin betreten dürfe.
Plötzlich flog eine Eule mit lautem Flügelschlag hoch, rief ihren kehligen Schrei in die Nacht hinein und schreckte ihn aus seinen Gedanken.
Was für eine Nacht, dachte er schaudernd. Er fragte sich, warum er überhaupt mit seinem Freund mitkam, war es Neugierde oder war es seine Bitte?
Ach, ich glaube es ist beides, fand Wilhelm. Die Zeit ist reif endlich hinter das Geheimnis von Johannes zu kommen.
Sie kamen zu einem sanften Abhang. Der Blick reichte hinunter auf eine Lichtung. Unten über dem Nebelmeer schwebte der Mond wie ein goldener Lampion.
Schweigend betrachteten sie den Mond. Nach einiger Zeit begann Johannes in einer unverständlichen Sprache leise zu sprechen und erhob die Arme zum Himmel. Erst war es ein Flüstern, welches langsam lauter wurde.
Wilhelm konnte sich des Eindrucks nicht erwehren, als spreche Johannes eine Beschwörungsformel. Starker Wind kam auf einmal auf und ein großes leuchtendes, scheibenförmiges Gebilde, von gleißendem Licht umgeben, senkte sich lautlos herunter auf den Boden der Lichtung. Farbige Blitze umzuckten das seltsame Gebilde. Wilhelm und verstand nicht was hier vorging.
Hatte er doch niemals zuvor etwas derartiges durch die Luft fliegen sehen. Geblendet gab er schützend seine Hände vor die Augen und wollte sich schnellstens davonmachen, glaubte er, dass es sich um ein übles Zauberwerk von Johannes handeln müsse...
Aber da nahm ihn Johannes auch schon an der Hand und zog ihn mit sich fort den Abhang hinunter zu jenem leuchtenden Gefährt.
Sein Forscherdrang war stärker als die Angst, er beschloss seinem Freund zu vertrauen und folgte ihm.
Die Nebel waren gewichen. Deutlich konnte man erkennen wie sich bei dem Luftschiff eine Luke öffnete und eine Treppe herunterglitt.
Drei Männern in seltsam metallisch blitzenden Anzügen und durchsichtigen Kugeln auf ihren Köpfen, schritten die Treppe hinunter. Der Wind hatte ganz nachgelassen und nun geschah etwas merkwürdiges. Je näher Wilhelm mit Johannes sich dem rätselhaften Schiff näherte, um so selbstverständlicher wurde alles für ihn. Mehr und mehr fühlte er eine fremde Kraft in sich einströmen, die ganz von ihm Besitz nahm. Als er dann mit Johannes vor den drei Fremden stand, hatte er bereits das gesamte Wissen der letzten 450.000 Jahre zur Verfügung. Im Zehntelsekundentakt tauchten vor Wilhelms inneren Auge Bilder auf. Flashes wird man sie einmal in der Zukunft nennen: Bilder von Sanddünen im Zweistromland. Die beiden Flüsse Euphrat und Tigris mit dem Schilf an seinen Ufern. Dort landeten sie, in der Mitte beider Flüsse mit ihren Raumschiffen und gründeten Sumer... sie kamen von den Sternen und säten hochintelligente Erbsubstanz in die Menschen und es entstanden Sagen, die man nach der großen Sintflut auf Tontafeln aufzeichnete. Götter die vom Himmel herabgestiegen waren und sich mit den Töchtern der Erde vermählten.
Damals vor 450.000Jahren, nahmen die Götter die Menschen an der Hand und bauten den ersten Tempel, die Zikkurat in der Stadt Ur. Sie lehrten die Menschen alles was für eine gesteigerte schnelle Evolution wichtig war und besuchen die Menschen seitdem immer wieder.
„Du Wilhelm bist einer von uns“, sagte einer der Außerirdischen zu ihm. Er hatte inzwischen seinen Plexiglashelm abgenommen. „ Erinnerst du dich noch an meinen Namen? Ich bin Anu.“ Er zwinkerte ihm zu. „Wir kennen uns bereits einige hunderttausend Jahre und ich bin hier, um dir zu sagen, dass es bald an der Zeit sein wird, deine neue Aufgabe in Angriff zu nehmen. Ihr auf der Erde seid einmal wieder kurz davor einen Quantensprung zu machen...
Ja, mein Lieber“, Anun nickte ihm zu. „Das nächste Jahrhundert wird das der Entdeckungen sein, aber nicht mehr des Raumes auf Eurer Erde, sondern eher ihres inneren Raumes... Uran, Plutonium, Radioaktivität, Quantenphysik, Mikrochips und Mikrowellen, bis hin zur Mikrowellenhintergrundstrahlung, denn ihr werdet eure Aufmerksamkeit auch hinaus in den Weltraum richten... Schwarze Löcher; Quasare, Neutronensterne, Weiße Zwerge“, schoss es aus ihm heraus. Dann meinte er nachdenklich, mehr zu sich selbst: man müsse in der Zukunft vor allem auf die Dunkle Materie achten, sie komme am Rand von Spiralgalaxien vor. Leise murmelte er irgendwelche unverständlichen Worte herunter: „WIMPS … weakly interacting massive particles...
Anu klopfte Wilhelm beruhigend auf die Schulter und meinte, damit könne sich dann später sein Nachfolger in Cambridge befassen.
Dieser kurze Blick in die Zukunft ging Wilhelm ein bisschen zu schnell und ihm wurde leicht schwindlig. Als ob Anu seine Gedanken gelesen habe, meinte er ernst.
„Ihr seid freiwillig auf der Erde geblieben. Anu sah ihn dabei mit seinem durchdringenden Blick an. Wilhelm sah jenes Leuchten der Sterne in Anus Augen, kaltes unnahbares Licht. Er sah Millionen Lichtjahre hinaus in das Universum.
„Du bist verheiratet und hast Kinder“, holte Anu Wilhelm zurück. „Wir können dich nicht einfach aus deinem Leben herausreißen, aber bereite dich schon einmal darauf vor, dass wir dich in zehn Jahren holen und ausbilden werden. Er sah Wilhelm an und meinte: „Du wirst einer der größten Wissenschaftler in deinem jetzigen Heimatland sein und später nach Amerika auswandern. Auf der Flucht vor einem Tyrannen, der Krieg und Zerstörung in euer Land bringen wird.“
Anu ging aufgeregt vor Wilhelm auf und ab, meinte dann: „ Trotz heftiger Kriege und Seuchen, bekommt ihr euren Bevölkerungswachstum bald nicht mehr in den Griff. Ihr steuert im nächsten Jahrhundert auf die sechs Milliarden zu.“ Bedenklich wiegte Anu seinen Kopf hin und her. „Wir werden uns einmal wieder etwas einfallen lassen müssen.“ Dann, nach einer schwungvollen Kehrtwendung: „Aber nicht wieder wie vor zehntausend Jahren! Nein! Ein Asteroid kommt diesmal nicht in Frage, bloß kein zweites Atlantis...“
Die beiden anderen Außerirdischen hatten sich als Enkil und Khem vorgestellt und standen ein weinig abseits mit Johannes in ein anregendes Gespräch vertieft. Plötzlich lachten alle drei laut los.
„Lachen die über unsere bevorstehende Bevölkerungsexplosion?“, erkundigte sich Wilhelm vorsichtig bei Anu.
„Nein“, antwortete Anu zwinkernd. „Sie lachen gerade über die Bewohner eures Städtchens. Dein Freund Johannes wird fast zur gleichen Zeit auf die Erde zurückkommen wie du“, fuhr er fort. Johannes wird ein großer Dichter sein. Er wird das fortführen, was er als Alchemist in Prag begann“, meinte er bedeutungsvoll. „Es ist die Suche nach dem Stein der Weisen, der in unserem Inneren verborgen liegt. Johannes ist ein Poet und wird es auf seine Weise immer bleiben. Die Menschheit braucht Genies, ohne sie würdet ihr innerlich verdorren. Ersterben im kalten Intellekt.“
„Werden wir uns begegnen?“, fragte Wilhelm gespannt.
„Nein. Ihr werdet euch nicht begegnen. Aber wenn du die Ellegien von Rainer Maria Rilke liest, dann denke daran, dass es sich da um deinen guten Freund Johannes handelt.“ Anu legte ihm die Hand auf die Schulter. „Du wirst dich an alles erinnern können. Wir haben dein Gedächtnis bereits vorprogrammiert, es ist ab heute voll funktionsfähig.“
Man vernahm ein leises Summen, Anu sprach in sein Sendegerät.
„Ja, wir kommen. Ja, wir bringen Johannes mit.“
Wilhelm sah überrascht zu Johannes rüber, der nickte ihm zu, meinte dann lachend: „Ab morgen werden sie im Städtchen noch mehr über mich zu reden haben.“
„Hör mal Johannes?“ Wilhelm ging zu ihm. „Wie steht es eigentlich mit unserer Freiheit auf der Erde?“
„Darüber sprechen wir ausführlich auf Nibiru, mein Freund.“
Wilhelm sah vor seinem innerem Auge den Planeten Nibiru, der sich in seiner Umlaufbahn alle dreitausendsechshundert Jahre dem Asteroidengürtel zwischen Mars und Jupiter nähert um dann wieder weit hinaus in das Universum seine Bahn zu ziehen, bis zum Stern Sirius.
„Auf Nibiru? Das ist ja erst in zehn Jahren“, meinte Wilhelm enttäuscht.
„Es wäre zu kompliziert, dir das jetzt zu erklären.“ Johannes klopfte ihm beruhigend auf die Schulter. „Ich muss gleich los, Wilhelm. Denke inzwischen schon einmal darüber nach, was Freiheit wirklich bedeutet, in seinem Unterschied zu Willkür.“
„Johannes nimmt alles zu ernst“, schaltete sich Anu lachend ein. „Aber lasse dir gesagt sein Wilhelm, ihr habt Freiheit.“ Anu lächelte verschmitzt. „Wir sind die Spielleiter und ihr seid die Spieler. Der Ausgang des Spiels ist immer offen, denn es gibt ein Set von Wahrscheinlichkeiten.“ Anu schien selbst begeistert zu sein, von seiner kleinen Rede. Seine Augen glänzten, als er sagte: „Spiel ist die höchste Form schöpferischen Ausdrucks.“
„Wir müssen los!“, riefen Enkil und Khem gleichzeitig dazwischen. „Unser Mutterschiff kann nicht ewig hinter dem Mond versteckt bleiben.“
„Wir sehen uns auf Nibiru“, rief Johannes seinem Freund noch zum Abschied zu und stieg mit den Außerirdischen an Bord der Shuttlefähre, die innerhalb eines Augenblicks in Richtung Mond verschwand.
Vergnügt machte sich Wilhelm auf den Rückweg durch den Wald. Und während er ein Liedchen vor sich hin pfiff, dachte er: „in Wirklichkeit ist alles relativ...ich werde bald eine Theorie darüber aufstellen.“


Karuna:liebe1: :liebe1: :liebe1:
 
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Die Stadt Ur... gibt's die wirklich oder hast du die für mich erfunden :) gute Karuna?

Jetzt geh ich erst mal mit euch in die inneren Welten... bis dann... :escape:
Kalihan
 
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Kalihan schrieb:
Die Stadt Ur... gibt's die wirklich oder hast du die für mich erfunden :) gute Karuna?

Jetzt geh ich erst mal mit euch in die inneren Welten... bis dann... :escape:
Kalihan


die Stadt Ur gab es wirklich
sie liegt am Euphrat im heutigen Irak...



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