Ich wandle im Schatten

Ich weiß, dass es ich dabei belassen sollte. Trotzdem. Das finde ich klasse. Ich kam aus einem relativ gut betuchten Elternhaus bevor ich nach Berlin gezogen bin. Dort wurde ich aus der WG rausgeworfen, als die Leute nicht mit meiner höheren Wahrnehmung der Welt klar kamen (und ich selbst auch weniger als heute). Ihr Argument war: "Wenn jeder selbst für seine Empfindungen verantwortlich sein soll, dann könntest Du uns ja alle schlagen ohne dass Du dran schuld wärst." Das hat denen richtig Angst gemacht. Sie hielten mich dann für einen Psychopaten.

Dann musste ich in irgendwelchen Herbergen und Hotels solange übernachten, bis ich schließlich in Marzahn eine Wohnung fand, weil das eben der einzige Ort hier ist, wo sich die Leute nicht prügeln eine Wohnung zu bekommen. Das habe ich damals auch selbst als sozialen Abstieg erlebt. Danke schön! In meinem Inneren fühle ich mich trotzdem nicht als Marzahner, sondern stelle mir vor immer noch als Kind bei meinen Eltern zu wohnen, die einfach nur im Zimmer neben an wären.

Und wenn ich mir selbst in der Küche Kaffee mache, stelle ich mir vor grade selbst meine Mutter zu sein, wie sie den ganzen Tag Kaffee trinkt. Oder ich habe da so eine Jogginghose meines Vaters mal geschenkt bekommen. Dann ziehe ich die an, setze mich in derselben Pose wie er in die Küche und stelle mir beim Rauchen vor, er zu sein, wie er in der Küche immer raucht, und glaube dann für einen kurzen Moment dieselbe Stärke in mir zu spüren, mit der er immer alles geschafft hat im Leben, auch wenn immer einen bitteren Nachgeschmack hat, weil ich weiß wie kaputt ihn seine Kämpfe gemacht haben.

Diese Vorstellung, dass meine Eltern in mir leben, war der einzige Weg, wie ich ihnen irgendwann verzeihen konnte, dass sie mich emotional nie richtig verstehen konnten.
 
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@Zwiegestalt
Diese Vorstellung, dass meine Eltern in mir leben, war der einzige Weg, wie ich ihnen irgendwann verzeihen konnte, dass sie mich emotional nie richtig verstehen konnten.
jeder hat irgendwie seine Eltern in sich, seien es erlebte Geschichten oder gewünschte Geschichten, die Frage ist wie sie mich bewegen.

Ich erinnere mich an eine Situation als Jugendlicher, wo ich nachts in der Küche (meiner Eltern) sass und mir glasklar wurde, dass mich meine Eltern nicht verstanden und noch schlimmer, dass ich nicht in der Lage war mich ihnen zu erklären. Ich war total am heulen, dann waren plötzlich meine Eltern da und sie waren total hilflos mir gegenüber und ich merkte, dass ist die Trennung, die Ablösung, nun bin ich auf mich selbst gestellt (es war damals keine rationale Erkenntnis, sondern eine gefühlte).

Auch schizoide Schübe hatte ich, nachdem ich mich in Psychogruppen ausgetobt hatte und ich bin froh, dass ich damals nicht stigmatisiert wurde (ich bekam es hin, dass ich nie in die Psychiatrie musste - irgendwann bekam ich eine ambulante Therapie).

Es gibt eine Buch, das genau das beschreibt, was Terra anspricht und was auch mir geholfen hat (ohne dass ich das Buch gelesen hatte) - es hat den Titel "wo die Angst sitzt, gehts lang". Allerdings sollte man nicht mit der Brechstange arbeiten, sondern ein Gefühl dafür entwickeln, was man gerade verkraften kann.
Es geht nicht darum die Gefühle auszuleben (z.B. deinen Hass) sondern darum, sie zu durchleben.

Dass es keinen Anfang und kein Ende gibt, konnte ich bisher nicht verstehen/erkennen oder es ist mir zumindest zu diffus vor Augen, um es zu sehen. Ich frage mich im Moment, ob das für mich wichtig ist.
Mag sein, dass dies für dich momentan ohne Bedeutung ist - mir wurde es irgendwann Erlebnis, indem mir klar wurde, dass ICH schon immer der bin, der ich immer war und dass die Veränderung meines physischen Alters daran nichts ändert.

Das Nachdenken über Esoterik bringt mich auch in den Verstand (mehr als manches andere, da das für mich ein ernstes Thema ist)
Es ist nicht so wichtig über äußere Themen nachzudenken, sondern es ist wichtig was du in dir erlebst, dies kannst du überdenken, ohne dich dann im Denken zu verlieren.

Deswegen will ich so viel wie nötig aber so wenig wie möglich über paradoxe Dinge nachdenken.
gerade mit paradoxen Dingen kann der Verstand nix anfangen, deshalb wird im Zen auch mit solchen Dingen gearbeitet um den Verstand stillzulegen.

Mein Wohnort ist mir nicht egal, da die langen Wege mit der Bahn von Marzahn aus für mich eine große Last darstellen und mich an die Grenze dessen bringen, was ich runterschlucken will.
Es ist schade, dass du unzufrieden bist mit deiner Situation. Entweder man ändert die Situation, oder man ändert die eigene Einststellung dazu.

Ereignisse dieser Art stehen in festem Zusammenhang mit meinem inneren Vater. Ich glaube das passiert, weil dieser Vater zur Reife gelangen möchte und entsprechend äußere Kämpfe braucht.
Ja das könnte man so sehen - wobei das Äußere eher Auslöser ist, es ist Theater, welches dir zum bewusstwerden hilft - die wesentlichen Ereignisse passieren IN dir.

Alles Gute dir
Inti
 
Hallo Inti,

es fiel mir erst schwer eine Antwort zu finden. Seit der Erstellung dieses Threads haben sich ein paar Kleinigkeiten verändert, die trotzdem irgendwie wichtig sind.

Ich hatte gestern das Gefühl, dass mir jemand hier gewünscht hat zu verstehen. Wenn ich grade nicht in einer negativ Erfahrung stecke, begleitet mich grade öfters dieses leichte Gefühl schon immer gewesen zu sein und dass das gut so ist.

Und genau so wie vor einem halben Jahr, als ich schon einmal an besagtem Scheideweg und Konflikt mit meinen "inneren Eltern" stand und als Folge dessen ein paar Tiefe Wunden in meine Familienbande geschlagen wurden, tauchte wieder wie damals heute der Konflikt mit meiner Mutter auf, die mich nun damit erpresste, dass ich sie verlieren würde, wenn ich nicht so bin, wie sie mich will und dass sie meine einzige Verbündete sei und dass ich sowieso alles, was ich je machen werde, nicht schaffen werde.

Erst wollte ich mich wieder verteidigen und ihr zu Bewusstsein bringen, was sie da eigentlich zu ihrem Sohn sagt. Zumal ich ausgerechnet heute jemand anderes kennengelernt habe, der in einem einzigen Gespräch das an Emotion und Verständnis in mir wecken konnte, was sie ihr Leben lang nicht geschafft hat bei mir. Und dann hatte ich das Gefühl, dass ich ihr nur antworten brauche "nein, bitte verlass mich nicht, ich ziehe mein aktuelles Ding jetzt durch."

Das kam mir erst geheuchelt vor, weil diese Entscheidung nicht durch ihre Erpressung kam, sondern durch das Verständnis und Mitgefühl dieser "neuen Mutter" (wie ich sie jetzt mal nennen will). Aber andererseits ist meine Entscheidung jetzt ehrlich und zufällig im Interesse meiner echten Mutter. Also beließ ich es dabei und habe nicht versucht ihr noch einmal meine ehrliche Meinung wie damals zu sagen.

Eine Antwort habe ich bisher noch nicht erhalten, aber ich glaube dass es diesmal anders ausgehen wird, als damals.

Und mir hat sich jetzt wieder ein Weg offenbart wie ich nicht meine Einstellung ändern muss, sondern vielleicht ab August gar keine Bahn mehr fahren brauche, weil ich hier vor der Haustür eine Beschäftigung haben kann. Ich bin mir unsicher, weil diese Beschäftigung sehr einer früheren ähnelt, bei der ich tatsächlich versagt habe und meine Mutter vor ein paar Jahren das erste Mal dazu brachte mir ins Gesicht zu sagen, dass sie den glauben an mich verloren habe. Aber ich glaube, dass ich es trotzdem nochmal versuchen will.
 
Hallo Zwiegestalt,

kannst Du Dir vorstellen, daß es eine Sichtweise geben könnte, wo Du weder Haß auf Deine Eltern haben mußt, noch daß Du ihnen irgendetwas vergeben müßtest?

Jeseits von: Ich will vergeben - ich will nicht hassen?

Eine Situation, in der Du Gedanken an Haß und Gedanken an Vergebung einfach ziehen lassen kannst, weil Du weißt, daß sie wie ein Keim aufgehen, wachsen und verblühen werden?
Daß Du diese Gedanken gar nicht stoppen (verdrängen) mußt - Du sie einfach Gedanken sein lassen kannst und sie vorbeiziehen lassen kannst.

Der Verstand läßt die Gedanken wachsen wie Unkraut. Sie wuchern und überdecken den Rest.
Die Gefühle sind die Wurzeln der Gedanken.
Um an die Wurzeln zu kommen, sind die Gefühle der Schlüssel.

Zitat Inti: "Es geht nicht darum die Gefühle auszuleben (z.B. deinen Hass) sondern darum, sie zu durchleben."

Haß ausleben heißt für mich sich selbst blind zu machen (blinder Haß, rot sehen).
Durchleben heißt für mich annehmen, anerkennen, hinschauen, durchschauen, akzeptieren.
 
Hallo reinsch,

seit gestern Abend habe ich mich viel mit Deiner Antwort beschäftigt. Ich habe versucht jenseits von Vergebung und Hass zu blicken. Erst war darunter sehr viel Kälte, als wäre ich in Wahrheit amputiert ohne genau benennen zu können, was mir da eigentlich fehlt. Einfach so, als wäre ich bereits tot geboren worden und unfähig tiefere Gefühle zu empfinden.
Und als ich mich auch darauf konzentrierte und mich noch tiefer fallen lies, war da einfach nur unendliche Trauer. Eine Trauer, die ich weder richtig in Worte fassen noch rauslassen konnte. Die wie eine Leiche am Grund eines Brunnens liegt und alles an Wasser immer ein wenig danach schmecken lässt.

Ich weiß, dass ich dieses Gefühl schon einmal spürte und versuchte mit meiner Mutter darüber zu reden. Als Antwort darauf blockte sie sofort ab, rief eine Hellseherin an und sagte mir, dass ich von bösen Geistern besessen wäre und hat nur zugelassen, dass ich dann von den Geistern rede, aber nicht dass ich selbst dieses Gefühl empfinden dürfte. Da hatte ich es wieder verschlossen und es blieb dabei.

Wie soll ich mit dieser Trauer jetzt umgehen? Was damit machen?
 
Hallo reinsch,

seit gestern Abend habe ich mich viel mit Deiner Antwort beschäftigt. Ich habe versucht jenseits von Vergebung und Hass zu blicken. Erst war darunter sehr viel Kälte, als wäre ich in Wahrheit amputiert ohne genau benennen zu können, was mir da eigentlich fehlt. Einfach so, als wäre ich bereits tot geboren worden und unfähig tiefere Gefühle zu empfinden.
Und als ich mich auch darauf konzentrierte und mich noch tiefer fallen lies, war da einfach nur unendliche Trauer. Eine Trauer, die ich weder richtig in Worte fassen noch rauslassen konnte. Die wie eine Leiche am Grund eines Brunnens liegt und alles an Wasser immer ein wenig danach schmecken lässt.

Ich weiß, dass ich dieses Gefühl schon einmal spürte und versuchte mit meiner Mutter darüber zu reden. Als Antwort darauf blockte sie sofort ab, rief eine Hellseherin an und sagte mir, dass ich von bösen Geistern besessen wäre und hat nur zugelassen, dass ich dann von den Geistern rede, aber nicht dass ich selbst dieses Gefühl empfinden dürfte. Da hatte ich es wieder verschlossen und es blieb dabei.

Wie soll ich mit dieser Trauer jetzt umgehen? Was damit machen?


Hallo, Zweigestalt

lies doch nochmal die Antworten von Terramarter.....
Die Trauer fühlen;.... NICHTS damit machen.....

Liebe Grüße
 
Du bist jetzt im Raum der Traurigkeit.
Du kannst versuchen, den Raum so schnell wie möglich wieder zu verlassen.
Du kannst ihn jederzeit verlassen.
Wann Du willst.

Du kannst Dich in diesem Raum umschauen.
Kinder können das noch sehr gut.
Sie staunen über die Dinge und wollen sie begreifen (in den verschiedenen Variationen)
Sie lassen sich auf die Dinge ein.
Schau Dich um, mit offenem Geist und offenem Herzen.
Laß die Dinge Dinge sein, die sich in dem Raum befinden.
Versuche der neutrale Beobachter zu sein, der sich weder etwas hinzuwünscht, noch sich wünscht, daß etwas verschwände.
 
Raum der Traurigkeit, was für ein passendes Wort dafür. Ja, ich habe mich da umgesehen. Ich weiß nicht, ob das alles war. Da waren viele Erinnerungen und viele Scherben, die seit einer Ewigkeit bis heute rumliegen, noch genau so wie die Dinge damals zerbrochen sind, als wäre nicht ein Tag seitdem vergangen. Ich habe das Gefühl, als würden sie da auch immer so liegen bleiben. Irgendwann habe ich mich gefragt, ob da noch etwas tieferes unter dieser Trauer liegt. Teilweise musste ich vor all den traurigen Dingen schon wieder lachen.
 
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Es tut mir ja grade leid, aber hat denn keiner was zu den Äußerungen meiner Mutter zu sagen? Ich hatte gräßliche Alpträume bei denen ich schreiend aufgewacht bin heute Nacht wegen diesem Thema. Das ist doch kein Wunder, wenn jemand so gestört oder "angeschlagen" wie ich ist, wenn man einen Vater hat, für den man erst zum Menschen wurde, wenn man immer seine 1 hatte und eine Mutter, die nie zulässt dass ihr Sohn ihr eine ehrliche Meinung sagt und ansonsten nichts kann, als zu erpressen. So eine Familie ist doch von Grund auf im tiefstem krank! Ich hielt es ja erst für eine gute Idee mich diesmal nicht den Erpressungen zu Widersetzen, um ihr sozusagen die Liebe zu geben, die sie braucht, aber meine ganze Seele wehrt sich mit jedem Tag mehr gegen Selbstverleugnung, die ich da betreibe!

Aber ich glaube es auch nicht nochmal zu ertragen mit ihnen darüber zu streiten! Also soll die Heilung wirklich so aussehen, dass ich mich einfach damit abfinde? Und dieses Thema habe ich ja nicht nur mit ihnen, sondern auch mit anderen Menschen, mit denen ich mal eine Beziehung oder Freundschaft hatte! Werde ich denn, wenn ich mich damit abfinde ohne irgendwas absofort aktiv zu tun, irgendwann mal neue Menschen kennenlernen, wo das nicht so sein wird? Werde ich irgendwann mal wirklich Freunde haben, die mich verstehen? Wird das die Belohnung sein oder wird das alles am Ende keinen Sinn machen?

Werde ich selbst überhaupt je in der Lage sein gesunde Beziehungen führen zu können, wenn alles, was mir bis vor kurzem vorgelebt wurde auf Lüge basiert und mich im Tiefsten geprägt hat? Ich kann mir nicht vorstellen, dass ich mir diese Eltern "ausgesucht" haben soll, wie es manchmal heißt.
 
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