Hi.
Bei dem Thema fühle ich mich beinahe verpflichtet, auch mal etwas weiter auszuholen, denn meine Meinung zum Thema Häuser ist durch viele kleine Schnippsel noch nicht in der vollen Breite kommuniziert. Also:
Häuser halte ich für Hilfskonstruktionen, die vor langer Zeit erfunden wurden, um ein Dilemma der Astrologie zu beseitigen: mangelnde Rechenzeit.
Um ein Horoskop von Hand zu rechnen (ha, das hab' ich auch noch gelernt), braucht man einiges an Zeit. Um den Lauf des Lebens zu "sehen" (was ja alle Astrologen, auch jene, die sich nicht mit Prognostik befassen -- die schwatzen dann halt weise von "Anlagen, die es zu entwickeln gilt", "Potenzialen, die die Entwicklung fördern", was auch immer -- und geben damit genauso ihre Prognosen ab -- wollen), muss man viele weitere Horoskope erstellen und die wieder mit dem Radix in Beziehung setzen. Das ist vor allem viel Zeitbedarf für "Hilfsrechnungen", die Deuterei wäre schon harmlos.
So, und nun hat "man" (damals, vor einigen hundert Jahren) abgekürzt.
Man hat (wohl durch Beobachtung) heraus gefunden, dass gewisse Planetenstände in gewissem Abstand zum AS irgendwas begünstigen. Damit wurde das grundlegende Schema der Häuser gefunden, und das war äqual.
Wer's noch nicht gesehen hat, sollte sich mal das Horoskop Wallensteins von Johannes Kepler ansehen -- äqualer geht's nicht, und noch nicht einmal ein Kreis war es, sondern ein schnödes Quadrat. Und trotzdem ist es wohl eines der bekanntesten Horoskope der Menschheit -- ganz ohne Placidus, Aspektlinien, nur sieben Planeten, etc. Wie das?
Weil Kepler rechnen konnte -- dem dürften viele Dinge leichter gefallen sein als anderen Astrologen, darunter auch und vor allem die Rechenarbeit. Heute haben es alle leicht -- der Computer produziert die Horoskope und der Rechenaufwand beschränkt sich meist auf einen Klick mit der Maus.
Und was machen wir daraus?
Die meisten: Nichts. Sie lassen sich durch die schrill-bunten Programme (die mir schon einfach mal so in den Augen weh tun; mit denen ich daher nicht arbeiten kann) in ein Raster pressen, das Haus-Raster. Ich habe schon viele Programme gesehen, aber nur wenige, wo man die Häuser abschalten kann. einfach weg damit -- geht nicht. Das liegt aber nicht an der astrologischen Weisheit oder dem Wunsch Gottes oder was auch immer, sondern an der Sachunkundigkeit der Programmierer und der Betriebsblindheit der beauftragenden Astrologen.
Aber was dann?
Wahrscheinlich habe ich lange genug mit Horoskopen zu tun, dass ich feststellen kann, dass Häuser völlig unerheblich sind, wenn man für eine Deutung Zeit investieren will -- Deutungszeit, nicht Rechenzeit inzwischen.
Denn: Mit allen Häuser-Wurschteleien kommt "eigentlich nie(*)" etwas anderes heraus, als wenn man die Aspekte verfolgt und die Harmonischen Horoskope auch betrachtet.
(*) "Eigentlich nie" sage ich, weil die verwendeten Häusersysteme eben Abkürzungen sind -- man kommt zwar am selben Ort an, der Weg dazwischen ist aber ein anderer. Daher kommt mit den Häusern eine Vereinfachung ins Spiel, die man einerseits nicht braucht, die man andererseits aber in die Deutung reinnehmen wird, weil das eben Usus ist.
Aus diesem Umstand, und keinem anderen, weichen Aussagen auf Basis der Hausdeutung zu Aussagen auf Basis der Aspektdeutung von einander ab.
So, und daher ist mir die Deutung über die Häuser nicht nur kein Anliegen, sondern geradezu ein Feindbild geworden. In den aller meisten Fällen werden Häuser "gezogen", wenn man sich eigentlich nicht mit der Sachlage beschäftigen will, aber doch ein astrologisches Statement abgeben möchte:
"Tja, völlig klar, mit dem Uranus im siebten Haus kann es ja gar nicht anders laufen". Uargh. Das läuft auf die HFA (HausFrauenAstrologie) hinaus, die einerseits nicht völlig falsch liegt (bei genügend schwammiger Formulierung trifft eh alles, außerdem gibt es einiges an statistischer Wahrscheinlichkeit, und wenn man einen Tipp unter drei richtig hat, fällt einem der Native eh schon um den Hals vor Begeisterung), andererseits aber keine Anstrengung unternimmt, von dieser billigen Abkürzung runter zu kommen, die heute gar nicht mehr notwendig ist, weil es ja die billigen Rechenknechte gibt...
Weil ich schon mal dabei bin, möchte ich dann auch gleich los werden, was ich von sonstigen Abkürzungen halte -- Glückspunkte, Alterspunkte, Huber, Döbereiner, die Grade von Roscher, etc...: Nix.
Das sind alles Abkürzungen, die (vielleicht) für den Verfasser relevant waren, die aber im "Basis-Instrumentarium" keinen Platz haben sollten. Die verwendeten unterliegenden Methoden sind so abartig primitiv, dass es beinahe schon schmerzt -- mehr als die Strichrechnung brauchten diese Astrologen nicht...
Alternativen?
Die Deutung benötigt neben der Radix, die ja nur den Startpunkt markiert, Wegpunkte in der Zeit. Die oft zitierte "Zeitqualität", die sich im Horoskop abbildet. Also muss der Lauf der Sterne in der Zeit in Bezug zur Radix gestellt werden, was man (üblicherweise) auf drei Arten durchführt:
Die Transite, die am leichtesten verständliche und natürlichste Beziehung der Gegenwart zur Radix-Vergangenheit. Kennt jeder, hat jeder, und wenn man sonst nix sieht, gibt's immer noch ein Haus, wo man doch was raus findet -- "kein Wunder, mit dem Uranus Transit in VII. musste sie sich ja scheiden lassen". Aua -- wer sowas sagt, weiß meist gar nicht, wie lange der Uranus durch VII. läuft...
Dann die Progression, die ich zwar nett finde, die mir aber auch zu sehr "Abkürzung" darstellt. Aus einem Tag ein Jahr zu machen, nun ja, wenn man (wie vor langer Zeit) keine Ephemeriden jederzeit zur Hand hat, muss man ja etwas erfinden, was (wie auch immer bemäntelt) den Lauf der Zeit in die Zukunft vergleichsweise billig abbilden kann. Als das erfunden wurde, lag die Lebenserwartung der Nativen bei etwas kaum mehr als sechzig Jahren, da kam man mit zwei Monaten Progression schon ganz gut hin.
Wahrscheinlich hätte man die Progression gar nie erfunden, hätte es den Computer schon gegeben -- denn besser als eine Simulation der Wirklichkeit ist immer noch die Wirklichkeit selbst, also Transit statt Progression.
(Daraus ergeben sich nun ein paar "Probleme", die aber diesen Haus-Thread sprengen würden).
Und dann die Direktionen, Sonnenbogen, was auch immer: Alles Abkürzungen beim Versuch, eine Gegenwart oder Zukunft aus der Radix abzuleiten. Bräuchte es alles nicht mehr, denn wir haben die Rechner, die weit mehr können, als bloss ein paar Planeten-Positionen linear im Kreis herumzuschieben.
Worum es letztlich geht, sind die Aspekte. Zuerst die Aspekte im Radix- Horoskop, dann die "unsichtbaren Aspekte", wie z.B. Halbsummen, und dann die Aspekte der Radix zu einer "Zeitqualität".
Diese Zeitqualität können Transite sein, die müssen aber nach h.M. durch Progression und / oder Direktion gestützt sein -- wobei die unterliegende Idee wohl jene des "Kondensats" der Zeit durch eben jene Projektionen ist. Wenn ich ein ganzes Jahr auf ein Horoskop reduziere (nichts anderes machen Progression und Direktion), erhalte ich Schnittstellen, an denen sogenannte transitäre Auslösungen (durch Aspektbildung) passieren (können). Hier orte ich einen Schwachpunkt der astrologischen Denke, hatte ich bereits gesagt, aber da helfen auch die Häuser nichts...
So, und damit habe ich vielleicht klar gestellt (wenn denn bis hierher jemand gelesen hat), warum ich Häuser für zumindest entbehrlich halte. Und ja, ich verwende sie teilweise sogar selbst, für den raschen Überblick, oder weil das darunter liegende Prinzip ganz gut beschreibt, was ich aussagen möchte, aber sie sind niemals Ausgangspunkt oder Endpunkt meiner Betrachtungen.
Entsprechend sind mir die Häusersysteme reichlich egal -- wer sich darum bekümmert, mit welchem Haussystem die "richtigste" Deutung möglich wäre, hat ohnehin des Pudels Kern nicht verstanden und denkt nur darüber nach, ob er (oder sie
) den Hund nun klassisch oder modern frisieren möchte.
Die hier bisher gehörten "Bekenntnisse" der Entwicklung -- bedauerliche Schicksale, die ihr Leben mit Abkürzungen zubringen, wo doch die alles begründende Basis vor ihnen auf dem Schreibtisch in Hunderstel-Sekunden errechenbar wäre -- wäre, denn dafür mangelt es dem typischen "Astrologen" mit seiner "Ausbildung" (oder doch besser: Abrichtung, wie in der (Hunde-) Schule?) an Phantasie, die hat man ihm (oder ihr) ausgetrieben.
Es ist doch erschreckend -- oder sollte es sein -- dass bei allem Fortschritt der Menschheit in den letzten zweihundert Jahren an der Art der Horoskopie nichts ernsthaft (im Mainstream) verändert wurde. Die schiere Wucht der (im Kern) immer gleichen Bücher walzt jeglichen Ansatz der Erkenntnis durch hunderte, tausende, millionen Seiten nieder. Die ständige stereotype Wiederholung von Unbrauchbarem aber macht nichts brauchbarer -- es ist hoch an der Zeit, die diversen Katechismen des Astroglaubens auf Sinn und Unsinn abzuklopfen und die schwachsinnigen Seiten herauszureißen, wie im "Club der toten Dichter", weg damit, Schluss mit Unsinn, Verwirrung und Aufblähung.
Das Kapitel mit den Häusern darf drinnen bleiben, ganz hinten, als Anhang, wo es hingehört. Die hochtrabende Diskussion über die Vor- und Nachteile verschiedener Häusersysteme kann dann gänzlich unterbleiben -- nehmen wir des lieben Friedens willen Placidus als Standard, und gut iss. Dann kann man viele sonstige Irrtümer der Zunft (von Vehlow bis Koch samt Huber) gleich in ein Museum der Skurrilitäten stecken und fertig. Wir gewönnen somit viel Zeit, uns den wirklichen Themen der Zunft widmen zu können...
So, und bevor die Diskussion ausufert: nö, ich will diese Sicht nicht weiter begründen. Wenn du also jetzt meinen Standpunkt abklopfen möchtest: ich werde nicht antworten. Mich interessiert es nicht mehr, deine Sicht der Dinge zu erhellen -- das musst du selbst machen. Mich interessiert die Entwicklung brauchbarer Systeme, und daher ist nur die Diskussion eventueller neuer "Progressionen" für mich interessant, oder Aspekt-Deutung, aber bitte keine Häuser-Schlachten mehr -- seit Stalingrad wissen wir, dass diese nur unsinnig viel Schaden anrichten, ohne einen relevanten Gebietsgewinn zu bringen.