Freier Wille ein frommer Wunsch?

@haris, ich verstehe was dein spiritueller lehrer sagt. aber ich verstehe nicht,
was er damit erreichen will?

Lieber Esperanto,

mein Lehrer will meine Fragen auflösen - Aber er will auch dem Frager helfen, zu finden, was hinter der Frage steckt (also wer der Frager eigentlich ist) Er will mich so bis zur Grenze des Verstandes bringen und dann soll ich den nächsten Schritt machen. Seine Antworten sind nicht absolut (z.B. über "freier Wille"), man kann darüber streiten, wenn man will - es gibt tausend mögliche Antworten. Aber für mich wars irgendwie geklärt, ich erkannte durch den Dialog, daß das nicht meine eigentliche Frage war und somit war wieder eine Frage aufgelöst. Er führt mich einfach sehr schnell in die Unfindbarkeit von Antworten bei der Suche nach mir selbst. Das ist sehr erleichternd und befreiend. Und das beste ist, man kann alles selbst ganz genau und kritisch überprüfen (in der Meditiation) - für mich stimmt es, ich meine, das einzig verlässliche ist das Mysterium, eine unerklärliche Präsenz - das ist als einziges immer da

herzliche Grüsse,

Haris
 
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esperanto schrieb:
@haris

es würde mich trotzdem jetzt noch interessieren... wie du denn zum
freien willen stehst:

hast DU einen freien willen?


Lieber Esperanto,

jetzt haste mich aber zum hirnen gebracht! Danke dafür!
also ich will Dir ganz ehrlich antworten: nein, ich habe keinen freien Willen, aber auf der Leinwand in meinem Heimkino namens Verstand erscheint es manchmal so, als hätte ich einen.

Dazu erzähl ich Dir jetzt mal, wie ich grade über die Frage nachgedacht habe:

Ich las die Frage auf dem Bildschirm - sagen wir mal das ist der Ausgangspunkt - sie setzte ein freudiges Gefühl in mir frei - juhu, da fragt einer was - ich bin doch erst kurz hier in dem forum drin, da ist es sehr aufregend eine reaktion zu kriegen - super! - aber woher kommt dieses Gefühl. Wenn ich Erklärungen suche, und das mache ich schon fast übertrieben, stelle ich fest, daß sie irgendwie aus der Tiefe kommen, sie schwappen irgendwie aus der Tiefe in mein Bewusstsein hoch. Man könnts jetzt psychologisch erklären. Geschenkt, er erklärt nicht den Ursprung des Gefühls. Es schwappt einfach. Keine Ahnung woher.
Dann kriegte ich irgendwie den Impuls die Wohnung aufzuräumen - wir fahrn morgen in urlaub und hier siehts aus wie bei hempels unterm sofa - räum also auf - hm, woher kommt dieser impuls? Keine Ahnung, ich denke, die von mir als unaufgeräumt wahrgenommene Wohnung spricht irgendwie mit mir und in mir zig andere Stimmen, die alle miteinander den Impuls "räum endlich auf" loslösen. Frei ist da gar nichts, volle Abhänigkeit! Dann ruft meine Frau: Haris, kannst Du noch die Blumen gießen, dazwischen meine kleine Tochter: Papa, magst Du mit mir Kaufladen spielen, dann klingelt das Telefon und währenddessen hirne und hirne ich über meinen, persönlichen freien Willen, lege mir Worte für die Antwort auf Deine Frage zurecht. Aus den Augenwinkeln sehe ich einen bedrohlichen Berg Wäsche auf dem Sofa, der ruft "bügel mich, bügel mich". Für einen kurzen Moment schwappt Wut und Überforderung hoch. Ich will jetzt meine Ruhe. Aha, da ist er, ich hab ihn erwischt, meinen privaten freien Willen, der nur aus mir selbst kommt! Ja, das bin doch ich, der da wütend wird, oder woher kommt jetzt das auf einmal? Oh, da gehts aber dann grad weiter: aus mir selbst? Selbst? Ich? wo was wer? Die Nachbarin klingelt: ob ihr kleiner Bub noch ein bissle mit unserer Tochter spielen dürfe. Wieder so ein Moment der Entscheidung. Ich sage spontan: ja, klar. Es ist jetzt ziemliches Chaos hier und irgendwie larviere ich mit meinen Impulsen in diesem total verworrenen, völlig abhängigen Bedingungen herum - irgendwie komme ich aus allem heil raus und finde mich schließlich am Bügelbrett beim Bügeln. Hach, das tut gut. Das wollt ich eigentlich von Anfang an, ein bißle Ruhe und Zufriedenheit. Aber das es so passiert hab ich nicht geplant, ja ich wusste anfangs gar nicht, das es vielleicht das sein könnte, was ich will. Weiß der Kuckuck, ich hab nicht geplant, daß ich heut bügeln will, um endlich zur Ruhe zu kommen, aber das liebe Leben hat es so gemacht, daß ich hier gelandet bin. Und jetzt im Moment mündet alles in das Schreiben dieser Mail. Jetzt frag mich nicht, wie ich vom Bügeln zum Email schreiben gekommen bin. Du hattest mir ne Frage gestellt und die lößt den Impuls aus, zu antworten.

Also nee, wirklich nicht: mindestens 95% des Geschehens ist nicht von meinem persönlichen "ich", frei und unabhängig von allem anderen entschieden worden. Gar nichts ist entschieden worden. Es blüht einfach alles vor sich hin.

Aber ich habe ein ganz anderes Problem: Wo bin eigentlich "ich" bei der ganzen Sache. Da gehts wieder von vorne los. Ich halte mich kurz an und forsche mit meinem Verstand nach der Substanz meines ichs: achja, klar, ich bin der Haris, ich bin der Papa von meiner TOchter, ich bin der der grad bügelt...alles klar. Aber wenn ich weiter frage wirds unendlich schwammig, die Grenzen verschwimmen total, ich kann mich wiedermal nicht mehr finden. Keine klare Umgrenzung, keine Unabhängigkeit,, kein Ursprung, keine Substanz, aber doch eine Präsenz. Ich komme bei meiner Forschung immer wieder zu demselben Punkt: ich ist irgendwas ganz tiefes, ein inneres Licht oder Energiequelle - nicht fassbar - kein Anfang und Ende da - leer, eigenschaftslos, unergründlich. Da lande ich jedesmal und es läßt mich jedes mal einfach nur staunen, diese tiefe leere mit Präsenz. - Früher hat mich das äusserst depressiv gemacht und ich hab alles mögliche gemacht, das leergepowerte "ich" aufzufüllen mit allem Möglichkeit, z.B. ganz stark mit "freier Wille" (meine Frau kann ein Lied darüber singen, was für ein Sturbock ich bin), jemand sein mit Profil usw.. Aber jetzt hilft mir eine neue Sicht, neue Worte und Begriffe, die mir mein Lehrer gibt, es anders zu versuchen - in der Leere zu bleiben, aushalten und beobachten,, was da kommt und geht. Es klappt teils teils, in der Meditation,ruhig alles Blühen nur zu sehen ohne meinen Verstand dadrin zu verheddern.

Jesses, Du hast so kurz gefragt und ich mach n Roman draus. War auch nicht so geplant... .

PS: und wie ist es denn mit Dir? Wer bist Du und wie frei ist Dein Wille?

ganz herzllich,

Haris
 
Hallo Haris,

sorry hab es gerade erst gelesen, was du mir geschrieben hattest.
Mein Problem war einfach, egal was ich angestellt habe, irgendwas ging immer daneben. Habe ich also nichts mehr gemacht, weil ich mir dachte okay, soll es eben nicht sein, kam dann trotzdem irgendwas, womit ich nicht gerechnet habe. Natürlich nur Mist, denn der kommt immer, ob man will oder nicht.

Das hat schon einen gewissen Frust ausgelöst. Denn irgendwann denkst du nur noch, verflixt und zugenäht, was geht hier eigentlich.
Seit ein paar Tagen löst es sich irgendwie, die Problemchen, die ich hatte verschwinden wie durch Zauberhand.

Daher kam meine Frage, ob wir wirklich diesen freien Willen haben, oder wir manchmal einfach gestoppt werden, weil wir im Jetzt nicht wirklich sehen können, ob das, was wir vorhatten so gut für uns gewesen wäre.

Und somit kann ich dir auch gerne sagen, ja dein Text hat mir durchaus weitergeholfen. :kiss4:

LG
Palo
 
Mein Problem war einfach, egal was ich angestellt habe, irgendwas ging immer daneben. Habe ich also nichts mehr gemacht, weil ich mir dachte okay, soll es eben nicht sein, kam dann trotzdem irgendwas, womit ich nicht gerechnet habe. Natürlich nur Mist, denn der kommt immer, ob man will oder nicht.

Hallo Palo,

Ja, das kenn ich nur zu gut. Man versucht dann einfach still zu stehn, damit nichts mehr passieren kann und doch klopft unangemeldet neuer Mist an die Tür. Es ist, als könnste Dich nicht vor dem Mist verstecken. Er findet Dich überall. Und ich glaube auch, daß der Mist auch nur dazu da ist, Dich zu finden. Er bringt Dich einfach immer wieder von neuem auf den Punkt, bzw. den Boden der Tatsachen. Der Mist will, daß Du ihm nicht ausweichst, sondern ganz genau anguckst: Hallo Mist, Du schon wieder. Was willste denn eigentlich von mir? Bei mir ist es so, wenn ich dem Mist ausweiche kommt er immer wieder von neuem, jedesmal in anderer Gestalt. Aber wenn ich mal stehen bleibe und ihn mir mal genau unter die Lupe nehme und ihn mal frage: wo kommst Du denn eigentlich wieder her? Dann stelle ich ausnahmslos immer fest, daß der Mist aus mir selber kommt, oder anders ausgedrückt: weil ich Mist sehe ist Mist da.

Das hat schon einen gewissen Frust ausgelöst. Denn irgendwann denkst du nur noch, verflixt und zugenäht, was geht hier eigentlich.
Seit ein paar Tagen löst es sich irgendwie, die Problemchen, die ich hatte verschwinden wie durch Zauberhand.


Das ist doch super - das kenn ich ganz genau so. Der Mist haut von selber wieder ab (bis zum nächsten Mal). Die Frage ist, wie wirst Du ihn endgültig los. Und da find ich, spielt es eine Rolle, ob Du die Probleme wirklich anguckst bis zum Ursprung oder ob Du nur verdrängst oder Dich ablenkst. Wenn ich die erste Variante wähle komme ich automatisch zu ziemlich entscheidenden Fragen, so wie Du ja auch: gibt es freien Willen, wer entscheidet was passiert, wer bin ich usw. - dort sehe ich eine Chance mit dem Mist umzugehen. Bei der zweiten Variante, dem Ausweichen, schiebst Du die Fragen nur auf, bis neuer Mist angehäuft ist.


Daher kam meine Frage, ob wir wirklich diesen freien Willen haben, oder wir manchmal einfach gestoppt werden, weil wir im Jetzt nicht wirklich sehen können, ob das, was wir vorhatten so gut für uns gewesen wäre.

Ja, ich glaube das trifft es gut: das Jetzt stoppt Dich, damit Du sehen kannst, was in Deinem Geist vorgeht und damit Du beurteilen kannst, ob es Dir gut tut oder nicht. Ich bin überzeugt, daß es ganz tief in uns diese Fähigkeit gibt, zu unterscheiden, was uns wirklich gut tut und was eher Ablenkung ist.

Und somit kann ich dir auch gerne sagen, ja dein Text hat mir durchaus weitergeholfen. :kiss4:

Das freut mich! Und Deine Frage hat mir auch sehr weitergeholfen!

LG

Haris :)
 
lieber haris,
Haris schrieb:
Aber ich habe ein ganz anderes Problem: Wo bin eigentlich "ich" bei der ganzen Sache.
ja, das ist eine sehr wichtige, existenzielle frage.

vielleicht ist es ein bischen stupid, aber die frage nach "subjekt" & "objekt" half
mir diesbezüglich irgendwie weiter:
was kannst du als subjekt bestimmen, das dir nicht gleichermassen als objekt erscheint?

Haris schrieb:
und wie ist es denn mit Dir? Wer bist Du und wie frei ist Dein Wille?
ich bin eine laune der natur. vielleicht auch gottes. das weiss ich nicht so genau.
mein wille geniesst (fast) gänzliche freiheit. eine gewisse sehnsucht bindet mich. (sonst wäre meine wille gänzlich frei.)
es ist eine art blockade, nichts bestimmtes. ich geniesse es. oftmals auch
pflege ich diese sehnsucht mit gegebenen aktivitäten zu stillen.
das kann eine reise sein. meine freundin. eine pary. usw.
es findet sich nichts, was diese sehnsucht für immer stillen könnte.
es ist aber nichts negatives. ich geniesse es. irgendwie ist es pures leben. *lach*
eigentlich aber ist es genau das, was mich von der vollkommenen freiheit abhält.

natütlich gibt es noch viel zu tun.
aber alles zu gegebener zeit. da habe ich nicht mitzureden.

herzlich,
esperanto
 
ich war gestern im mystery park, in interlaken.
ich fühlte mich den ganzen tag hindurch top.

abends fragte mich jemand, wie ich denn meinen tag verbracht hätte.

ich... wollte grad drauf antworten. ging aber nicht. ich wusste nicht mehr
was ich den tag hindurch tat. ?
nach eine weile natürlich, kam es mir wieder in den sinn. aber ich musste
mich sehr anstrengen, um die info in meinem kopf zu finden.

esperanto befindet sich auf dem holzweg?
hm, nein. das würde nicht meinem empfinden entsprechen.
 
esperanto schrieb:
ja,
man könnte sagen, dass gewissermassen die freiheit mit der freiheit kollidiert.
was daraus resultiert ist freiheit.
es entspricht aber nicht der freiheit, die man sich vorstellt. nein. es geht
darüber hinaus.

diese freiheit bedingt die sprengung aller ketten die um uns geschlungen sind.

(es kommt mir schopenhauer in den sinn: "der mensch wird frei geboren, doch überall sieht man ihn in ketten liegen")

diese sprengung muss so gewaltig sein, dass sie dem urknall gleich kommt.
es wird dann etwas geboren. natrülich nicht im übertragenen sinn.
geboren im sinne von "eins werden mit dem glasklaren, puren, ewig
expandierenden universum".
_____

nein, schwachsinn.
ich verstehe es nicht.
_____

ich denke es müsste durch kunst erklärt werden. es werden die verstehen,
die es... eben verstehen werden.

___________
esperanto
 
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