Ja, lieber Krabat, mit dieser Erkenntnis arbeite ich auch. Mein "Ich" hat allerdings einen (wiederum ins Extreme) ausgeprägten Gerechtigkeitssinn. Da von unserer Gesellschaft viele herrliche Charaktereigenschaften, die uns von Geburt an mitgegeben werden, missgebildet werden, entstand bei mir wiederum ein starres Bild im Kopf. Ich konnte aufgrund dieses übertriebenen Gerechtigkeitssinnes nicht verstehen, WARUM Gewalt angewandt wird. Und schon gar nicht konnte ich es akzeptieren. Ich verstand nicht, warum die russisch-othodoxe Lehre mit Leichtigkeit über das "die 2. Wange zum Schlagen anbieten" redet. Das war für mich nicht annehmbar. Denn wenn man etwas nicht versteht, wird auch nix daraus.
In meiner inneren Arbeit habe ich für mich selbst folgende Grundsätze aufgebaut. Diese Grundsätze erschienen mir irgendwann nacheinander im Kopf in den letzten Monaten. Ich las zwar esoterische Literatur, aber ich verstand es noch nicht. Ich unterhielt mich mit spirituellen Menschen, aber ich sah es noch nicht ein. Dieses Lesen und sich Unterhalten waren vorab nur wie Schlüssel zur Tür der Erkenntnis. Aber die Tür
öffnen musste ich schon selbst. Und
nur die Innere Erkenntnis dessen ermöglicht es mir, klar und mit voller Verantwortung heute Folgendes zu schreiben:
Jede Arbeit an sich selbst erfordert
1. Das Erkennen
2. Das Bearbeiten
3. Das Verinnerlichen
4. Das Auflösen
5. Das Neu-Aufbauen
Also auf Beispiel meiner Gewalt-Erfahrung kann ich das wie folgt anwenden:
Punkt 1: Ich erkenne, was überhaupt passiert ist. Viele Menschen verdrängen erst mal schlechte Erfahrungen. Das ist m. E. nach grundlegend falsch.
Punkt 2: Ich analysiere das Geschehene für mich selbst in allen Einzelheiten. Häufigster Fehler hier: die Gewalthandlungen wie im Film immer und immer wieder aufs neue durchlaufen lassen, wie im Kreis. Analyse erfordert aber mehr: man muss hier bereits im Stande sein, den Kreis der Gewalt zu analysieren. Fähigkeit, von der Vogelperspektive das Problem im Ganzen und gleichzeitig in allen Einzelheiten zu sehen. Das ist die Bedingung. Gute Nachricht: dies kann auch unbewußt sein. Man muss ja nicht alles unbedingt aufschreiben.
Punkt 3: Das Verinnerlichen schließt in sich die Arbeit ein, zu verstehen, warum Dir Gewalt angetan wurde und auch noch Verzeihen. Das Verzeihen war für mich, wie ich geschrieben habe, aufgrund des nackten Gerechtigkeitssinnes einfach nicht möglich. Und das erschwert die Arbeit sehr.
Punkt 4. Nach dem Verzeihen kommt ein herrliches Gefühl, in dem man es genießt, wie sich die starren alten Strukturen auflösen und das vorher mit Hilfe anderer aufgebauten häßlichen Gebilde in Licht auflösen. (Ja, ja, an diesem häßlichen Gebilde haben nicht nur wir selbst gearbeitet, sondern auch andere. Warum aber? Weil wir unwissend waren und dies zugelassen haben oder noch schlimmer um die "Hilfe" baten. Der Kreis oder die Falle schließt sich dabei)
Punkt 5. Ich baue mir selbst meine neue Welt auf. (Und ich lasse hier bewußt die Diskussion aus, ob es darum geht, dass ich hiermit eine neue Illusion mir selbst aufbauen würde oder nicht)
Diese Methodik (gut, vielleicht ist sie noch nicht vollständig, wer weiß) ist das, was ich heute auf mich mit Erfolg anwenden kann. Nur hindert meine nächste Charaktereigenschaft, dies zu machen. Das ist Antriebskraft, die wiederum von Gesellschaft in eine häßliche Extreme der Ungeduld und Reizbarkeit ausgebildet wurde. Die gute Nachricht: ich erkenne das. Die schlechte Nachricht:
Anscheinend ist die Arbeit an sich selbst die schwierigste, die ich je in meinem Leben getan habe.
Liebe Grüße und aufs
Erkennen!