Definition des Begriffes Esoterik und Spritualität.

Motorradkraut

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Thread übertragung ausm Berlin-thread:

Motorradkraut schrieb:
Ninchen schrieb:
Hat jemand von euch eine Ahnung ob in Berlin Gruppen zu finden sind, die sich ab und zu treffen um gemeinsam spirituell zu wachsen?
Das heisst? *gg

Normalerweise isset das selbe wie Esoterik... nur mal anners ausgedrückt!



(tritt heute Leuten auf den Schlips)

Damit fing es an

Sirius schrieb:
Motorradkraut schrieb:
Normalerweise isset das selbe wie Esoterik... nur mal anners ausgedrückt!



(tritt heute Leuten auf den Schlips)
Da muß ich [name gelöscht] dann aber doch mal aufs 'Kraut' treten :)


Ja, Spiritualität wird oft als Synonym zur Esoterik benutzt.
Und doch beschreiben beide Begriffe zwei sich zwar überschneidende aber doch grundverschiedene Gebiete.
Dies wird mangels klarer Grenzen (oder zumindest der Bewußtheit darüber) und einer ins Unendliche zu gehen scheinenden und daher scheinbar alles umfassenden Inhaltlichkeit nicht einfacher. Wobei schon klar ist, daß es sich bei "alles" eigentlich um "alles nicht klar wissenschaftliche" dreht und somit schon eindeutig eingeschränkt ist. Gegenüber der Prämisse der Unendlichkeit erscheint das "Wissentliche" natürlich trotzdem verschwindend gering.

Womit wir auch schon bei dem Hauptunterschied sind: Wissen und Nichtwissen, bzw. Halbwissen.
Denn darum geht es bei der Exoterik, von der die meisten sicherlich meinen noch nie etwas gehört zu haben und die doch alle kennen, die ja sogar zu DEN Grundfesten unserer heutigen Zivilisation gehört, und der Esoterik. Oder anders ausgedrückt unter Erklärung der Wortherkunft: Exoterik bezeichnet eine "offen zugängliche Lehre oder auch Wissen" wogegen Esoterik eine "verborgene, innerliche, geheime Lehre oder auch Wissen", also mit anderen Worten eine Geheimlehre, bezeichnet. Die griechische Vorsilbe Exo- ("außerhalb") findet sich auch in z.B. Exoskelet oder Exotisch und das griechische esôteros bedeutet "das Innere".

Somit kann man sagen, daß Exoterik alle öffentlich zugänglichen Lehren beinhaltet.
Im engeren religiösen Sinn beinhaltet sie damit Religionen, in denen rituelle Handlungen von großer Bedeutung sind (z.B. Judentum, Christentum, Islam) und die ein von einer externen Instanz im Gottesbild geprägt sind.
Im weiteren Sinne kann man unter diesen Begriff aber alle offen zugänglichen "äußerlichen" Lehren sehen, d.h. unser komplettes Wissenschaftlich geprägtes Weltbild, was uns so viele unserer neuzeitlichen Errungenschaften beschert hat.

Der Begriff "Errungenschaften" ist für sich selbst schon ein Zeichen und eine nette Umschreibung dieses Weltbildes, in der man sich Dinge "erringt", also durch Kämpfen erreich. Und in der man sich Dinge "erschafft", also durch Arbeit Materie umschichtet, oder mit anderen Worten etwas "macht" (Leistungsgesellschaft) anstatt einfach nur zu "Sein".
Das wird auch klar, wenn man sich ins Bewußtsein ruft, daß dieses newtonsche Weltbild, grundlegend geprägt durch die Vorstellung vom unabhängigen Betrachter, außerhalb der Dinge lebt die sie betrachtet, den Betrachter also vom Betrachteten Objekt als unabhängig sieht. Damit lehrt die Exoterik die Dualität, die Gespaltenheit der Dinge, welche immer tiefere Kluften und Täler schlägt, je weiter sie voranschreitet. Nicht zuletzt wenden sich so viele, nach der Zusammenführung der Extreme suchend, heute zunehmend wieder den Religionen und allgemein der Spiritualität zu, doch soweit sind wir noch nicht.

Esoterik dagegen, inneres Wissen, könnte man schlicht auch unter dem Begriff Geheimwissenschaften zusammenfassen, also im traditionellen Sinne unter all dem Wissen welches von Geheimgesellschaften nur einer kleinen Gruppe Auserlesener zugänglich gemach wurde. Diese bezeichneten sich unter anderem auch als Illuminati (davon inspiriert aber nicht gleichzusetzen ist die gleichlautende möglicherweise rein hypothetische Organisation von angeblichen Weltherrschern, aber auch das führt hier jetzt zu weit), also die Erleuchteten, jene welche über bisher unbekanntes oder in Vergessenheit geratenes Wissen im Lichte sind, es also gesehen haben, davon wissen. Da vieles heutzutage wieder durch wissenschaftliche Erkenntnisse in das allgemein zugängliche Wissen Einzug gehalten hat, ja teilweise, für den Unbedarften, an Unglaublichkeit übertroffen wurde, und dieser Trend anhält, je mehr die Wissenschaft forscht, überrascht es nicht, wenn die Grenzen wahrhaft verschwommen sind und sich mit der Zeit eindeutig verschieben.

Daneben wird heute im weiteren Sinne alles unter den ach so geduldigen Sammelbegriff Esoterik gepackt, was nicht Niet- und Nagelfest ist und auf das seriöse Wissenschaftler sich (noch) nicht festlegen wollen. Von Randgebieten der Wissenschaft (den Boderlines of Science) die noch genug Raum lassen um seinen Claim (Wirkungsbereich) abzustecken, über verpönte Gebiete wie der Erforschung nichtirdischen Lebens incl. Ufo Kult und Rassenkunde außerirdischer Rassen, über den durchaus lukrativen pseudomedizinischen Bereich und die gesammelten medizinischen und medizinmännischen Kenntnissen aller Volker dieser Welt in den Bereichen Körper, Psyche, Geist, welche die Schulmedizin nicht/noch nicht/nicht so anerkennen will, bis hin zu nicht-sinnlichen und -physikalischen Bereichen in denen mit Gedanken experimentiert wird (Telepathie, Telekinese) und Geist und Materie untrennbar verwoben sind. Interessanter Weise hat gerade in diesen Bereichen die Quantenphysik und -theorie neue Türen geöffnet, die teilweise alte Ideen und Weisheiten bestätigen und neue Erkenntnisse und natürlich noch mehr Fragen bringen und somit Brücken schlagen, die bislang keinen für möglich gehalten hat. Dazu muß man allerdings sehen, daß die Schulwissenschaft in allen Bereichen noch locker 50 bis 100 Jahre den Erkenntnissteigerungen der Erfahrungen mit der Quantenwelt hinterher hinkt und die neuen Erkenntnisse so gut wie noch gar nicht integriert hat. Hier ist nach wie zuvor immer noch die Dominanz des 400 Jahre währenden Newtonschen Weltbildes zu spüren.

Schlussendlich werden in die Esoterik im sowohl engeren wie auch weiteren religiösen Sinn vielfältige Geistige und nicht rationale Denkens- und Erfahrenswelten einbezogen oder zumindest vielfältig gestreift. Im engeren sind dies auf die Religion bezogen all jene Religionen, welche eine innere Sicht auf die Welt lehren und leben und Gott im inneren und nicht außerhalb suchen, so z.B. der Buddhismus, der Hinduismus oder auch die Baha'i, wobei letztgenannte auch teilweise der Exoterik zugeordnet werden könnten.

Spiritualität dagegen ist keine Wissenschaft, sondern im weitesten Sinne eine Lebensweise. Für den einzelnen bedeutet sie meist eine Integration metaphysischer und transzendenter Konzepte und Vorstellungen mit einer gelebten Verbindung zum Göttlichen oder formlosen und unbekannten, der Kraft, welche hinter den Dingen steht. Dies entsteht meines Erachtens zum einen aus dem Bedürfnis zu einem umfassenden Verständnis der Welt und zum anderen aus dem Verlangen nach der Identifikation (Findung, Ergründung) und Einnahme des dadurch ersichtlichen Platzes in der Welt.

Dies hat sich seit Menschengedenken meist in der Form von Religionen manifestiert, also organisierten Gruppierungen und Vereinigungen welche dem Individuum ein vorgefertigtes Weltbild - metaphysische Komponente inbegriffen - und einen spezifischen Platz darin anbieten. Dieses kann dann, unter dem Preis der Individuellen Freiheit, ohne viel eigene Arbeit angenommen werden. Somit sind auch alle heidnischen Religionen und auch unsere heutige Wissenschaft Ergebnisse dieser Suche.

Wer bei letztere die metaphysische Komponente vermißt, hat nicht richtig hingeschaut. Sie ist da, wurde lediglich teilweise mit mehr oder wenig komplizierten Theorien umbenannt und umdefiniert und der schäbige Rest wurde der Einfachheit halber mit dem lapidaren Dogma "Existiert nicht, gibt es nicht!" hinweg spezifiziert. Was ein Witz in sich selbst ist, hält man sich vor Augen, daß ja nie jemand behauptet hat, daß die metaphysischen (also nicht physischen) Elemente in dieser Realität (nach ihrer - wissenschaftlichen -Definition) vorhanden sind, sondern außerhalb dieser stehen. Die Wissenschaft (neuere Interessante Entwicklungen mal abgesehen) dagegen stellt sich einfach hin, hält sich die Augen zu und sagt "Ich sehe dich nicht, als gibt es dich nicht.". Einfach, aber nicht unbedingt Effektiv oder Ergebnisorientiert.

Wer weiter forschen will, sollte einmal darüber Nachdenken, daß die meisten der heutigen Wissenschaftlichen Theoreme statt fixem Wissen nichts weiter als lange nicht umgeworfene Dogmen sind. Und wer genauer hinschaut findet in der Geschichte massig Beispiele für deren Umwurf bei neuen Erkenntnissen, meist leider aber erst 2-3 Generationen später nach ableben der Entdecker. Gestern wie heute lieben wir unsere Dogmen und nennen sie liebevoll Wissen.

Im Zuge der Individualisierung der Gesellschaft hat sich jedoch, geschürt durch die immer weiter auseinander klaffenden Täler der Dualität, das Bedürfnis zu einer Einheit gebenden Spiritualität verstärkt. Da die Religionen dieses aber gar nicht oder nur bedingt (ich denke da an Buddhismus) befriedigen können, hat sich in den letzten Jahrzehnten eine immer stärker werdende Bewegung, ich würde sie als Esoterik bezeichnen, entwickelt, in der sich Leute - durch intensive Beschäftigung mit alten und neuen Lehren, sich und der Welt, Wirklichem und Phantastischen, Realität und Wunschdenken, Physik (griechisch physike, das Natürliche, Weltliche) und metaphysik, dem Außen und ihrem Inneren - hin zu einer neu gefundenen, persönlichen und sehr individuellen Lebensweise und -weisheit bewegen. Das ist für mich Spiritualität, und wird in Ermangelung einer Schublade (welche es noch in den gebieten der Esoterik und bei den Religionen durchaus gibt) auch von der Allgemeinheit unter dem dafür passenden Oberbegriff zusammengefasst.


So, ist eeeetwas länger geworden ich hoffe ich konntet mir bis dahin folgen, denn dann kann ich damit auch wieder weiter ziehen und endlich meine Füße vom 'Kraut' nehmen :)

Alles Liebe
Sirius

Auf Wunsch von Harser hierher verschoben. Viel Spaß Harser (bitte verwendet meinen Namen nicht. Hab ihn aus dem Zitat von Sirius gelöscht).

Ich hab ein paar links noch gefunden zum Thema.

Meine Meinung, wenn wir schon mit Begriffen werfen *gg

New-Age *gg

Ich bezweifle einfach mal ernsthaft das Ninchen wirklich die definierte Spiritualität meint. Weil das kein "Esoteriker" wirklich so 100% meint. New-Age find ich dagegen passender, weil da irgendwie alles durchgemixt wird. Allerdings sagen viele heutzutage zu New-Age Esoterik. Und somit war mein Einwand durchaus berechtigt.

(Ach by the way... allein Wissenschaft und Spiritualität nebeneinander zu schreiben find ich ja amüsant) *gg

Links:
http://de.wikipedia.org/wiki/Exoterik
http://de.wikipedia.org/wiki/Spiritualismus_%28theologisch%29
http://de.wikipedia.org/wiki/New_Age

Krautliche Grüsse
(Aber nichmehr in meinem Unkraut rumtrampeln das is unanständig *gg)
 
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Ich dachte eigentlich an ein "Richtiges Verschieben", aber vieleicht bekommt das ein admin noch hin, dann bleiben nämlich auch die Formatierungen erhalten :)

Und ich finde die Unterscheidung schon wichig. Für mich war die Esoterik mit all ihren Faceten der Begin meines Weges, auf dem ich meine Spiritualität entdeckt habe und auch gemerkt habe, daß mir die viel wichtiger ist, als die Beschäfigung mit 'banalen' Themen wie Geheimgesellschaften oer Ufos.

Sirius
 
Also,

man kann sich dem Begriff Esoterik von verschiedenen Seiten nähern, weil er auch in unterschiedlichen Bedeutungen verwendet wird. Da ist zum einen

Esoterik als Spartenbegriff/Marketingbegriff/Begegnungsrahmen
Auch der Name dieses Forums leitet sich aus dieser Bedeutung her. Esoterik ist demnach ein unscharfer Sammelbegriff für an sich recht unterschiedliche Dinge, die aber gemeinsame Charakteristiken aufweisen.

1. Nichtanerkennung durch die akademische Wissenschaft, insbesondere die Naturwissenschaft. Besonders deutlich wird dieses Charakteristikum, wenn z.B. Dinge wie TCM, Ayurveda in der akademischen Wissenschaft zunehmend Anerkennung finden und damit aus dem Begriff "Esoterik" herausgelöst werden. Allerdings beschäftigen sich manche akademische Wissenschaften, die Parapsychologie, die Religionswissenschaft durchaus mit Phänomenen, die eigentlich recht typisch für diese Sparte sind, z.B. Uri Geller oder auch der Schamanismus indigener Völker. Auch hier ist die Zuordnung zum Begriff "Esoterik" uneindeutig, in Veränderung begriffen. Interessant ist die Zuordnung der Familienaufstellung nach Hellinger zur Esoterik, weil andere Arten der Familientherapie, die Ähnlichkeiten in Form und Inhalt haben aber in der Psychotherapie anerkannt sind, nicht dazu zählen.

2. Selbsteinordnung zur Esoterik. Wenn also Vertreter einer bestimmten Richtung sich auf Esoterikmessen begeben, oder Anzeigen in esoterischen Zeitschriften schalten, dann ordnen sie die Richtung in die Esoterik ein. Da passiert es auch manchmal, dass es gar keine sonstigen inhaltlichen Zusammenhang gibt, da fällt mir der Vertrieb von Massageliegen ein. Oft sind sich die Vertreter uneins über die Einordnung, aber im Prinzip reicht schon eine aktive Minderheit, damit eine Richtung mit dem Begriff "Esoterik" verknüpft wird.

3. Einordnung durch Verlage, Buchhandlungen und Bibliotheken. Hier wird der Begriff "Esoterik" sehr wirksam mitgeprägt. Interessanterweise laufen in Deutschland manchmal Richtungen unter Esoterik, die in anderen Ländern nicht darunter fallen, z.B. manche chiropraktiktische Richtungen, und umgekehrt.

4. Indirekte Einordnung durch Menschen. Wenn also Menschen, die sich für Esoterik interessieren, sich auffällig auch für eine andere Richtung interessieren (die inhaltlich nichts damit zu tun haben muss), dann färbt die Esoterik-Zuordnung auch auf diesen Bereich ab. Ein Beispiel ist der Bereich "Gesunde Ernährung" oder auch rauchfrei Tanzen. Diesen Menschen folgen natürlich aus Marketinggründen auch die Vertreter dieser Richtungen.

5. Zuordnung durch Negation. Die Richtung Skeptizismus, also die fokussierte Verneinung/Widerlegung bestimmter esoterischer Richtungen folgt dem Bereich wie ein Schatten, und kann so mit Fug und Recht auch diesem Bereich zugordnet werden.

6. Verknüpfungen über Internetforen/Chatrooms/Webseitenverknüfungen. Das kann man in diesem Forum auch sehr deutlich studieren, darum erübrigt sich ein Beispiel.

7. Wenn sich Menschen unter dem Stichwort "Esoterik" begegnen, hat das auch Rückwirkungen auf den Spartenbegriff "Esoterik".
 
Die Bedeutungsebene "Esoterik als Geheimlehre" hat Sirius übrigens sehr treffend und genau beschrieben. Es ist die bekanntere inhaltliche Auslegung des Begriffs. Aber es gibt noch eine weitere unterscheidbare inhaltliche Auslegung, die ich

Esoterik als wissenschaftstheoretischer Begriff
nenne. Auch diese beruht auf dem Gegensatzpaar Exoterik/Esoterik, aber die Deutung der Begriffe ist anders, und zwar so: Ein konkreter Forschungsgegenstand kann auf unterschiedliche Weise beleuchtet werden. Die exoterische Beleuchtung ist uns von der Naturwissenschaft vertraut, es geht um die Quantifizierung, um die Aufdeckung direkter Kausalitäten, um die Reproduzierbarkeit von Ergebnissen, um die kausale Erklärung bestimmter Phänomene und um die modellgestützte Vorhersage von Phänomenen. In der exoterischen Beleuchtung verändern sich die Prioritäten, es geht um die Einordnung des Phänomens in andere Zusammenhänge, es geht um den Sinn oder Zweck von bestimmten Dingen, es geht um die Aufdeckung von Synchronizitäten. Die wichtigsten Untescheidungskriterien sind:

1. Exoterik negiert die "Kausalität des Zweckes", wohingegen sie in der Esoterik zentral ist.
2. Unter "Warum?" versteht die Exoterik "Auf welche Art und Weise?", die Esoterik hingegen "Wozu?"
3. Exoterik untersucht Synchronizitäten nicht, wenn sie nicht in einem Modell beschreibbar sind.
4. Exoterik interessiert sich nicht für Einzelfälle, singuläre Begebenheiten, wohingegen sie in der Esoterik gleichwertig zu den wiederholten Begebenheiten sind.
5. Die Exoterik konzentriert sich auf eine einzige Beschreibungsebene (z.B. die chemische Betrachtungsweise), die Esoterik versucht, viele Beschreibungsebenen miteinander zu verknüpfen, ohne in einer einzigen Beschreibungsebene allzu sehr ins Datil zu gehen.
6. Typische ELemente der esoterischen praktischen Arbeit sind in der Exoterik nicht zugelassen oder tabuisiert: intuitive Innenschau, Analogieschlüsse aus völlig anderen Bereichen, die gleich-gültige Zulassung von widersprechenden Dingen.

Andere analoge Gegensatzpaare, die auf diese begriffliche Ebene passen, sind Chemie/Alchemie, Physik/Metaphysik, Astronomie/Astrologie (passt weniger). Ein anderes Begriffspaar liefert Rüdiger Dahlke mit horizontales versus vertikales Denken/Weltbild.

Interessant ist auch folgende Asymmetrie: Während die Esoterik Erkenntnisse der Exoterik problemlos benutzen kann, geht das umgekehrt nur sehr eingeschränkt. Dazu ist das Beispiel der Temperamentenlehre aufschlussreich, die in der (exoterischen) Psychologie insbesondere in der Praxis eine Rolle spielt, obwohl die esoterische Herkunft (aus der Vier-Elemente-Lehre) offensichtlich ist - solche Beispiele bilden aber eher die Ausnahme. Ansonsten sind esoterische Elemente im Denken der exoterischen Wissenschaftler durchaus häufig, obwohl in den veröffentlichten Theorien und Modellen dieses Element bewusst ausgeklammert wird.
 
Spiritualität als Spartenbegriff
ordnet sich der Sparte Esoterik unter, so jedenfalls diktieren die Verlage, Buchhandlungen und Bibliotheken. In diesen Bereich wird tendenziell alles eingeordnet, was mit Religion und Weisheitslehren zusammenhängt, tendenziell nicht eingeordnet, was mit Techniken, praktischen Anwendungen, Magie und mit Alternativwissenschaften zusammenhängt.

Ich sage tendenziell, weil die Zuordnung nicht immer eindeutig, und gelegentlich auch uneinheitlich ist. Es gibt hier auch die Selbstzuordnung: manche Bücher führen das Wort spirituell im Titel oder im Untertitel. Und dann gibt es Bücher, die verbinden das Adjektiv "spirituell" mit etwas anderem, was eigentlich nicht in diesen Bereich gehört, dann gibt es die perfekte Konfusion.

Der Bereich "Religion" selber wird aber oft separat geführt, in den werden dann Bücher in deren Mittelpunkt eine der Weltreligionen steht. Wenn diese Zuordnung nicht so eindeutig ist, dann wird es wiederum unter Spirtualität einsortiert.
 
der begriff "spiritualität" ist ein neologismus. die ursprüngliche bedeutung
des wortes ist christlich. paulus verwendet den griechischen begriff
"pneumatikos" (lat. spiritualis) um ein "leben im geist", im unterschied
zu einem "leben im fleisch" zu beschreiben. das adverb "spirituell" ist
seit den kirchevätern bekannt.

das substantiv "spiritualité" wird anfang der 1950er jahre von französischen
jesuiten geprägt und meint auch da ein "leben aus dem (heiligen) geist".
erst in den end 60igern kommt das wort im deutschsprachigen raum als
"spiritualität" an, wobei es anfangs nur von katholischen gelehrten, erst
später auch von evangelischen verwendet wird, um den begriff der
"frömmigkeit" um den aspekt der "actio", des handelns nach aussen hin,
zu beschreiben: war "frömmigkeit" etwas höchstpersönliches und höchst-
innerliches, so zeigt "spiritualität" auch den sozialen aspekt des glaubens-
lebens.

erst in den 70/80igern wurde der begriff spiritualität ausshalb des christlichen
raums entdeckt und steht heute für eine vielzahl und unterschiedlichen
ansätzen.

unter spiritualität könnte man heute, ganz allgemein formuliert, den
grundvollzug eines lebensentwurfs bezeichnen, der über alle empirische
realität hinaus eine wirklichkeit annimmt, die dann allerdings als massgeblich
angenommen wird. in diesem sinn ist spiritualität gelebter vollzug dieser
wirklichkeit.


liebe grüsse,

pilger

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forum für christliche spiritualität und interreligiösen dialog
 
Ja, es ist doch immer wieder erstaunlich, mit welchem Tempo manche Begriffe ihre Semantik verändern. Die Benutzung ist immer nur eine Momentaufnahme, es sei denn, síe geschieht explizit mit historischem Bezug.
 
@harser

mir war die kleine genealogie schon deshalb wichtig, weil viele heute denken,
spiritualität sei eine erfindung aus der esoterik-szene. kaum jemand verbindet
das noch mit einem vitalen christentum.

und: selbstverständlich liegt die semantik unabhängig von historischen
bezügen immer im auge des betrachters!


liebe grüsse,

pilger

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Spiritualität als Unterbegriff von Religion

Wenn Religion betrachtet, kann man zwei Bereiche unterschieden: einmal der theoretische (betrifft die alten Texte, die Theologie, aus unterschiedlichen Ansätzen ein kohärentes Ganzes machen, die Dogmen) und der praktische (die religiösen Wahrnehmungen, Rituale usw.). Spiritualität bezieht sich eindeutig auf den zweiten Teil.

In der praktischen Religion gibt es einerseits Elemente von Tradition und andererseits von Freiheit. Spiritualität bezieht sich vor allem auf die letzteren.

Zur praktischen Religion gehört einerseits das Handeln, andererseits die Wahrnehmung. Spiritualität bezieht sich vor allem auf letzteres.
 
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Spiritualität als Unterbegriff von Religion

Wenn Religion betrachtet, kann man zwei Bereiche unterschieden: einmal der theoretische (betrifft die alten Texte, die Theologie, aus unterschiedlichen Ansätzen ein kohärentes Ganzes machen, die Dogmen) und der praktische (die religiösen Wahrnehmungen, Rituale usw.). Spiritualität bezieht sich eindeutig auf den zweiten Teil.

In der praktischen Religion gibt es einerseits Elemente von Tradition und andererseits von Freiheit. Spiritualität bezieht sich vor allem auf die letzteren.

Zur praktischen Religion gehört einerseits das Handeln, andererseits die Wahrnehmung. Spiritualität bezieht sich vor allem auf letzteres.



ob eine, ich möchte beinahe sagen: derart akademische trennung wirklich
sinnvoll ist oder nicht, ob dies tatsächlich auch dem gegenstand entspricht
um den es hier geht, sei dahingestellt. ich gebe nur zu bedenken, dass wir
hier nicht von blosser theoriebildung, sondern von einer hochgradig vitalen
angelegenheit sprechen.

dass spiritualität sich vor allem auf "wahrnehmung" und nicht doch auch
auf das "handeln" bezieht, möchte hingegen ganz herausstreichen: spiritualität
lebt, und da spreche ich nicht nur vom christentum, immer aus der spannung
zwischen "action und contemplation", sie ist weder bauchnabelschau noch
aktionismus: genau dies macht sie aus.

meine meinung,

pilger

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