Hallo Fina, na, das ist ja nicht so schön. Deine Hündin, die Arbeitslosigkeit, der Streit.
Also für mich war das Schlimmste in diesen Zeiten das Geld. Ich war zweimal ohne Arbeit, einmal ein halbes Jahr und dann über 2 Jahre vor dem Selbständigwerden bis Mitte letzten Jahres.
Das erste Mal war selbstgewählt, ich hatte daher eine Sperre vom Arbeitsamt, hatte für diese Zeit aber noch Geld. Weil wir zu zweit lebten und zuvor zwei Gehälter hatten, war es nicht ganz so schlimm. Aber nach dem halben Jahr mußte ich wieder arbeiten gehen, und ich hatte genug Kontakte, um etwas zu finden.
Beim zweiten Mal war das zwar auch selbstgewählt, aber ich war damals reichlich orientierungslos. Meine bisherigen beruflichen Tätigkeiten konnte ich aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr ausüben. Berenten lassen wollte ich mich nicht. Stattdessen habe ich mehrere Stunden am Tag Taichi geübt, was mir dann später ermöglichte, das Unterrichten darin zum kleinen Nebenberuf zu machen. Und wenn ich das wollte, dann könnte ich das auch noch ausbauen.
Ich überlege zum Beispiel, mich mal auf die Heilpraktikerprüfung vorzubereiten und die zu machen. Ich interessiere mich sehr dafür, das Akkupunktieren zu erlernen. Und: weder das Können im Taichi noch das Interesse für die Akkupunktur hätte ich entwickelt, wenn ich nicht Zeit im Leben gehabt hätte (und mir genommen... auf Kosten von Anderem und vielleicht auch von Anderen.). Ohne arbeitslos geworden zu sein könnte ich heute kein Geld damit verdienen, denn ich hätte gar nicht so viel üben können. Ich hätte drei Mal in der Woche Taichi gemacht und nicht dreimal am Tag und dreimal in der Nacht und selbst im Traum hab ich Taichi geübt.
Und ansonsten habe ich es vorgezogen, mein berufliches Fach zu "transzendieren", es also wenigstens in meinem Geiste soweit zu schaffen, daß ich es verstehe und daß ich ein Bild von meinem Beruf habe - den ich nicht mehr ausüben kann. Es hat eine ganze Weile (des Schreibens) gedauert, bis ich dann wie heute in der Lage bin, diese beruflichen Inhalte zum Teil zu unterrichten. Wenn ich es nicht mehr selber kann, dann kann ich es ja dennoch Anderen beibringen. Jede Umschulung hätte länger gedauert, und Zufriedener hätte mich das nicht gemacht. Denn ich mag meinen Beruf eigentlich. Ich habe aber viel lernen müssen, um Weitermachen zu können, sehr viel, würde ich sagen. Ich glaube daß ich in diesen zweiten 2 Jahren der Arbeitslosigkeit mehr gelernt habe, v. a. intensiver gelernt habe, als in 13 Jahren Schule zusammen.
(Ich mußte mich aber eine ganze Weile erst (beim Schreiben...) erinnern, wie das nochmal geht, das Lernen. Das hatte ich nicht mehr so ohne Weiteres drauf. Kam nicht zum Punkt, hatte nie das Gefühl, es sei jetzt genug, um anzufangen.)
Was habe ich noch gemacht? Etwas ganz Wichtiges: reflektiert. Ich weiß nicht, wieviele Worte ich auf Zettel, in den Computer getippt habe, um zu reflektieren. Unzählige, es müssen viele Milliarden gewesen sein. Ich habe mir so bewußt gemacht, was ich bin, wer, und was ich kann. Und was ich nicht kann, das habe ich reflektiert da, wo ich es erkannt habe und habe versucht und versuche, es zu verstehen. Dann kann ich's Lernen. Aber ich merke auch immer wieder, daß ich sehr unfertig bin in vielen Dingen. Sehr unfertig. In einfachsten, normalsten Dingen bin ich deppert, tappert, tollpatschig und ein grober Klotz, es ist zum Erbrechen. Ja, so bin ich.
Ich habe dann einmal "um mich herum" gedacht. So würde ich das sagen. Habe überlegt:
"wenn Du nicht der wärest mit Deinen Erfahrungen und Deinen Überzeugungen und vor Allem mit dem, was Du weißt (dem Bißchen....) und was Du für möglich hältst - was würdest Du dann aus Deinem bisherigen Leben für eine Lehre ziehen?"
Meine Antwort auf diese Frage steht als Ende eines langen Prozesses jetzt als Prototyp eines Gerätes für Menschen, angefertigt als Lehrstück eines Maschinenbaulehrlings in einer Firma für Medizintechnik. Und das war und ist das Faszinierendste, was ich je gemacht habe, diesen Denkprozeß mit der obigen Frage zu führen und daraus neue Eindrücke zu bekommen, um dann Probleme im Kern, und nicht mehr nur aus der eigenen Perspektive heraus zu betrachten und Lösungen zuzuführen.
Ich glaube, daß dieser Denkprozeß da rund um die Frage, die ich im vorletzten Abschnitt formuliert habe, meine bisher größte Lebensleistung war. Das war meine Form der Bewußtseins-"Erweiterung". Und dieser Denkprozeß ganz allein wird mir meine Zukunft sichern, auf vielen Ebenen. Und ich hätte ihn nicht führen können, wäre ich nicht arbeitslos gewesen. Denn Denken geht am Besten mit dem ganzen Körper, also vernetzt. Und man spürt sich nicht, wenn man in dieser Welt arbeitet und sich laufend anpassen muß, sich abschotten muß, angegriffen wird und so weiter. Man spürt sich dann wirklich nicht gut, aber das merkt man erst, wenn man arbeitslos wird und dann da sitzt. Dann merkt man auf einmal, daß einem eigentlich der gesamte Körper weh tut. Weil man jahrelang nicht gut für sich sorgen konnte - schließlich mußte man ja arbeiten. (Und darin liegt die Chance, denke ich, der Arbeitslosigkeit. Daß man wieder zu sich findet. Danach findet man auch wieder Arbeit.)
"Denkprozesse führen" --- das ist für mich die Essenz meines bisherigen Schreibens und daher vermutlich auch das, was ich Dir gerne sagen möchte. Als "Tip": Führe Deine Denkprozesse an. Folge ihnen nicht nur. Sei kreativ.
Kannst Du malen? Male! Kannst Du schreiben? Schreibe! Kannst Du Singen? Singe! Hast Du Interessen? Verfolge sie und überlege, was Du lernen müßtest, um diese Interessen beruflich zu verfolgen und nicht nur als Hobby. Überlege: willst Du weiter ein Leben mit solchen Chefs führen, oder willst Du dich über Jahre hinweg langsam in einem nicht leichten Weg hinbewegen zu etwas Anderem, z.B. zu einem selbständigen Arbeiten? Was könntest Du nach Jahren des Lernens erfolgreich dann anbieten, Deinen Interessen folgend?
Alternativ findet man ganz einfach einen neuen Job, rasch, und wird dort zufrieden. Daß das so wird, das wünsche ich Dir. Und Deiner Hündin und Dir zünde ich jetzt ein Kerzchen an. Und ich bewahre Euch in meinem Herzen.
Liebe Grüße,
Trixi Maus