les das mal, zum es gibt noch mehr kritische Punkte
Pro und Contra Vorratsdatenspeicherung Drucken E-Mail
Argumente der Befürworter einer Vorratsdatenspeicherung kritisch beleuchtet:
* "Verbindungsdaten sind zur Bekämpfung von Terrorismus und organisierter Kriminalität unverzichtbar"
* "Wenn auch nur ein schweres Verbrechen verhindert werden kann, rechtfertigt dies schon die gesamte Datensammlung"
* "Kommunikationsinhalte werden nicht gespeichert"
* "Verbindungsdaten werden bereits heute gespeichert; sie sollen künftig nur länger aufbewahrt werden"
* "Der Zugriff auf die gespeicherten Daten ist nur unter engen Voraussetzungen (z.B. richterliche Anordnung) zulässig"
* "Deutschland ist verpflichtet, die europäische Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung umzusetzen"
* "Die Richtlinie war als Kompromiss nötig, um weiter gehende Speicherpflichten zu verhindern"
* "Deutschland setzt die EU-Richtlinie nur mit den Mindestanforderungen um"
* "Durch die Vorratsdatenspeicherung werden Bürgerrechte nicht beschnitten"
* "Der Gesetzentwurf zur Vorratsdatenspeicherung ist verfassungskonform"
* "Wer redlich lebt, hat nichts zu verbergen"
* "Wir brauchen mehr Überwachung, um uns vor Kriminalität/Terroristen/Sexualstraftätern zu schützen und um in Sicherheit leben zu können."
* "Wir müssen alles tun/alle verfügbaren Mittel einsetzen, um künftig solche schrecklichen Verbrechen/Terroranschläge/Kindesmissbrauch/... zu verhindern."
* "Datenschutz ist Täterschutz. Er steht dem Schutz unschuldiger Menschen im Weg."
* "Wir müssen etwas gegen die Kriminalität unternehmen. Wir können nicht die Hände in den Schoß legen und kapitulieren."
* "Der Staat ist verpflichtet, seine Bürger zu schützen. Die Bürger haben einen Anspruch auf Sicherheit."
* "Wer nichts zu verbergen hat, hat nichts zu befürchten."
* "Die Überwachung erfolgt ausschließlich zur Bekämpfung schwerer Straftaten."
* "Überwachung ist nur ein geringfügiger, kaum merklicher Eingriff."
* "Überwachung stärkt das Sicherheitsgefühl der Bevölkerung."
* "Datenschützer sind paranoid, ihre Schreckensszenarien sind übertrieben."
Verbindungsdaten sind zur Bekämpfung von Terrorismus und organisierter Kriminalität unverzichtbar
Falsch. Zur Kriminalitätsbekämpfung sind auch ohne eine Totalprotokollierung jeder Benutzung von Telefon, Handy, E-Mail und Internet genügend Verbindungsdaten verfügbar:
* Zu Abrechnungszwecken werden bestimmte Verbindungsdaten ohnehin gespeichert, in Deutschland bis zu sechs Monate lang.
* Darüber hinaus können die Sicherheitsbehörden bei Bedarf eine richterliche Anordnung beantragen, derzufolge die Verbindungsdaten bestimmter Verdächtiger aufzuzeichnen sind.
* Die terroristischen Anschläge in Madrid im Jahr 2004 konnten mit Hilfe von Verbindungsdaten aufgeklärt werden, die ohnehin verfügbar waren. Eine Vorratsdatenspeicherung war nicht erforderlich.
* Bis zum Beschluss der Vorratsspeicherungs-Richtlinie im Jahr 2006 gab es weltweit nur wenige Länder mit Vorratsspeicherungspflichten. In keinem Land gab es eine so umfassende Protokollierung wie in der EU-Richtlinie vorgesehen. Die weltweiten Sicherheitsbehörden sind bisher stets ohne eine Totalprotokollierung der Telekommunikation ausgekommen.
Das Bundeskriminalamt nennt in einer Untersuchung 381 Fälle, in denen den Ermittlungsbehörden Verbindungsdaten fehlten gemessen an den 6 Mio. pro Jahr begangenen Straftaten eine verschwindend geringe Zahl von 0,01%. Bei diesen Fällen ging es nur um die Aufklärung bereits begangener Taten, nicht um die Verhinderung von Straftaten. Überdies wiesen von diesen 381 Taten nur zwei Bezüge zu Terrorismus auf, obwohl die Bekämpfung des Terrorismus immer wieder als Grund für die Vorratsdatenspeicherung vorgeschoben wird. Laut Bundeskriminalamt fehlen Verbindungsdaten im Wesentlichen nicht bei der Bekämpfung von Terrorismus und organisierte Kriminalität, sondern bei der Verfolgung des Austauschs von Kinderpornografie im Internet sowie bei Ermittlungen wegen Betrugsdelikten. Bei diesen Straftaten wird allerdings bereits ohne Vorratsdatenspeicherung die höchste Aufklärungsquote aller Straftaten erreicht. Außerdem ist bei Betrugsdelikten Prävention sehr viel wirkungsvoller als Strafverfolgung. Eine Sensibilisierung der Internetnutzer kann etwa verhindern, dass sie leichtgläubig auf Identitätsdiebstahl ("Phishing-Mails") hereinfallen und Schaden erleiden.
Eine Vorratsdatenspeicherung ist gegen Terrorismus und organisierte Kriminalität wirkungslos:
* Ernsthafte Kriminelle bleiben unentdeckt, weil sie Umgehungsstrategien einsetzen (z.B. wechselnde Benutzung unregistrierter Prepaid-Handykarten) oder auf andere Kommunikationskanäle ausweichen (z.B. Post, persönliche Treffen).
* Der Präsident des Europäischen Verbands der Polizei Heinz Kiefer warnte 2005: "Für Kriminelle bliebe es einfach, mit relativ simplen technischen Mitteln eine Entdeckung zu verhindern, z.B. durch den Einsatz und häufigen Wechsel im Ausland gekaufter, vorausbezahlter Mobiltelefonkarten. Das Ergebnis wäre ein enormer Aufwand mit wenig mehr Wirkung auf Kriminelle und Terroristen, als sie etwas zu verärgern."
* Klaus Jansen, Vorsitzender des Bundes Deutscher Kriminalbeamter, klagt bereits heute: "Da es sich herumgesprochen hat, dass Telefongespräche relativ leicht abgehört werden können, reden die Verdächtigen nur noch selten offen am Telefon". Wenn eine Vorratsdatenspeicherung kommt, werden sich Kriminelle auch darauf schnell einrichten.
Auch sonst verhindert eine Vorratsdatenspeicherung keine Kriminalität. Irland, das 2002 eine dreijährige Vorratsdatenspeicherung eingeführt hat, hat keinen Rückgang der Kriminalität vermelden können.
Wirklich nützlich für die Arbeit der Sicherheitsbehörden wären andere Maßnahmen, etwa verbesserte Zugriffsmöglichkeiten auf ausländische Verbindungsdaten. Sicherheitsbehörden klagen, dass Auskünfte über Verbindungsdaten aus anderen EU-Staaten nur sehr langsam, aus Nicht-EU-Staaten überhaupt nicht zu erlangen sind. Dies beeinträchtige ihre Arbeit viel stärker als das Fehlen von Verbindungsdaten im Inland. Etwa 80% der Ermittlungen im Bereich Terrorismus und organisierte Kriminalität weisen internationale Bezüge auf.
Wenn auch nur ein schweres Verbrechen verhindert werden kann, rechtfertigt dies schon die gesamte Datensammlung
Falsch. Eine freie und offene Kommunikation ist für unsere Gesellschaft wichtiger als der Versuch, möglichst jede Straftat zu verhindern.
Zunächst einmal wird es kaum jemals vorkommen, dass mithilfe von Verbindungsdaten eine Straftat verhindert werden kann; höchstens können bereits begangene Straftaten aufgeklärt werden.
Selbst, wenn im Ausnahmefall einmal die Verhinderung einer Straftat gelingen könnte, rechtfertigt dies nicht die Aufzeichnung der Kommunikation der gesamten Bevölkerung. Würde die Verhinderung eines Verbrechens jegliche Maßnahme rechtfertigen, müssten wir die Grundrechte aufgeben, auch das Folterverbot und den Schutz der Menschenwürde. All diese Menschen- und Bürgerrechte können der Verbrechensbekämpfung nämlich im Einzelfall im Weg stehen. Insgesamt dienen die Grundrechte aber der Erhaltung einer freien Gesellschaft und einer lebendigen Demokratie, letztlich also dem Wohl der gesamten Bevölkerung. Diese Werte sind für uns wichtiger als der Versuch, möglichst jede Straftat zu verhindern.
Wer jede Straftat verhindern will, müsste konsequenterweise auch für ein Tempolimit auf Autobahnen, für strenge Rauchverbote und für Alkohol-Werbeverbote eintreten. Auch diese Maßnahmen könnten die Anzahl von Todesfällen erheblich senken. Wer dagegen eine "Bevormundung" der Bürger ablehnt und deswegen Verkehrsopfer und Krebstote in Kauf nimmt, kann nicht glaubwürdig jedes einzelne "Verbrechen" verhindern wollen.
Falsche Prioritätensetzung
Wer ständig mehr Sicherheit fordert, lenkt von den Versäumnissen und der falschen Prioritätensetzung der Politik ab. Während die Politik versucht, durch eine lückenlose Überwachung und Kontrolle der Bevölkerung möglichst auch noch den letzten Straftäter zu bestrafen, nimmt sie bewusst in Kauf, dass tausende von Menschen jedes Jahr an den Folgen z.B. von Tabak, Alkohol und Verkehrsunfällen sterben. Zugunsten des Profits einzelner Wirtschaftszweige (Tabakindustrie, Brauereien, Autoindustrie) bleibt die Politik untätig, wo sie Krankheit und Tod unzähliger Menschen leicht verhindern könnte und müsste. Auch bei der Bekämpfung von Arbeitslosigkeit und Armut seit einigen Jahren die wichtigsten Sorgen der Menschen hat die herrschende Politik in den letzten Jahren beständig versagt, wie die Statistiken zeigen.
Die Auswirkungen von Kriminalität sind im Vergleich zu diesen Problemen ungleich geringer:
* Eurostat zufolge sterben weniger als 0,002% der Europäer jährlich als Opfer einer Straftat, terroristische Anschläge eingeschlossen.
* Der Weltgesundheitsorganisation zufolge beruht der Verlust gesunder Lebenszeit für Westeuropäer zu 92% auf Krankheiten, zu 2% auf Verkehrsunfällen, zu 1% auf Stürzen, zu 1,7% auf Suizid und nur zu 0,2% auf Gewalt und Straftaten. Die großen Gesundheitsrisiken sind andere als Kriminalität: Bluthochdruck, Tabak, Alkohol, Cholesterin, Übergewicht, Fehlernäherung und Bewegungsmangel sind die Hauptrisikofaktoren. Auch dass uns Lebensrisiken wie Armut, Arbeitslosigkeit oder Naturkatastrophen treffen, ist weitaus wahrscheinlicher als das Risiko, Opfer einer Straftat zu werden.
* Würde man z.B. den Tabakkonsum nur um 2% reduzieren, dann würde man der Gesundheit der Bevölkerung einen größeren Dienst erweisen als durch die Verhinderung sämtlicher Gewalttaten einschließlich Terrorismus.
Wer ständig neue Maßnahmen zur Kriminalitätsbekämpfung fordert, verfehlt damit die wirklichen Probleme der Menschen, mit denen sie täglich zu kämpfen haben. Die Kriminalitätsrate hat schon immer in der gleichen Größenordnung wie heute gelegen, ohne unsere Gesellschaft dadurch ernsthaft zu gefährden.
Nachteile
Wer die einzelne, schreckliche Straftat in den Mittelpunkt stellt, ignoriert, dass die Nachteile einer Totalprotokollierung deren Nutzen bei weitem überwiegen. Weil die Nachteile einer generellen Kommunikationsprotokollierung für unsere Gesellschaft deren Vorteile bei weitem überwiegen, ist eine Vorratsdatenspeicherung unverhältnismäßig. Selbst der Schutz vor Verbrechen rechtfertigt keine unverhältnismäßigen Maßnahmen.
* Eine Vorratsspeicherung schreckt Informanten von Journalisten davon ab, wichtige Informationen über Missstände per Telefon, Fax oder Internet weiterzugeben. Informanten müssten ständig damit rechnen, dass ihr Kontakt mithilfe von Verbindungsdaten aufgedeckt werden kann.
* Wer bei einem Anwalt, einem Arzt oder einer Beratungsstelle (z.B. Eheberatung, Suchtberatung, Telefonseelsorge) Rat sucht, müsste bedenken, das der Kontakt Rückschlüsse auf sein persönliches Problem (z.B. Ermittlungsverfahren, Krankheit, Ehekrise, Suchtproblem) zulassen kann und im Fall des Bekanntwerdens Nachteile drohen. Für Prominente, denen die Sensationspresse auf Schritt und Tritt nachspioniert, ist dies eine besondere Gefahr.
* Vertrauliche Verhandlungen in der Wirtschaft über Großaufträge oder Fusionen würden behindert, weil die Beteiligten mit Wirtschaftsspionage rechnen müssten. Konkurrenzunternehmen könnten auf Verbindungsdaten zugreifen, um Aufträge "wegzuschnappen" oder Zusammenschlüsse zu verhindern.
* Politiker würden erpressbar, weil ihre Kontakte zu umstrittenen Personen (z.B. Lobbyisten, Industrielle) nachvollziehbar würden.
* Die Arbeit von politischen Aktivisten (z.B. Globalisierungskritiker, Castorgegner) würde behindert, weil sie mit einer - auch nachträglichen - Aufdeckung ihrer Netzwerke durch den Verfassungsschutz rechnen müssten.
Insgesamt würde die Unbefangenheit weiter Teile der zwischenmenschlichen Kommunikation verloren gehen, und zwar spätestens, wenn der erste Missbrauchsfall an das Licht der Öffentlichkeit gelangt. Abhörskandale hat es bereits in Griechenland und Italien gegeben. In den USA können Verbindungsdaten käuflich erworben werden. In Deutschland ist Missbrauch mit Bonusmeilen-Daten und die Bespitzelung von Journalisten durch Geheimdienste bekannt geworden. Dass auch vorratsgespeicherte Kommunikationsdaten missbraucht würden, ist nur eine Frage der Zeit - und der Geldsumme, die z.B. einem Telekom-Mitarbeiter für eine Auskunft angeboten wird.
Kommunikationsinhalte werden nicht gespeichert
Das ist für sich genommen zwar richtig, aber irreführend. In vielen Fällen lässt sich der Kommunikationsinhalt nämlich anhand der Verbindungsdaten rekonstruieren.
Schon die Person des Gesprächspartners lässt oft Rückschlüsse auf den Gesprächsinhalt zu. Es liegt auf der Hand, weshalb jemand eine Ehe- oder Drogenberatungsstelle anruft, einen auf Geschlechtskrankheiten spezialisierten Arzt, einen Fachanwalt für Steuerstrafrecht oder eine Telefonsexnummer. Bei Politikern können Kontakte zu Lobbyisten oder zu Prostituierten von Interesse sein.
Bei der Nutzung des Internet werden die abgerufenen Inhalte, die Klicks und Suchwörter des Nutzers oft von dem Anbieter freiwillig mitprotokolliert ("Server-Logfiles"). Hier genügen schon die Verbindungsdaten des Internet-Zugangsanbieters (IP-Adresse), um die Kommunikationsinhalte minuziös nachvollziehen zu können.
Es besteht die Gefahr, dass die Vorratsdatenspeicherung in Zukunft auf Kommunikationsinhalte ausgedehnt wird. In Italien werden beispielsweise SMS bereits gespeichert. Mit dem Argument, dass die Daten zur Strafverfolgung benötigt werden, lässt sich in Zukunft durchaus auch eine Inhaltsspeicherung rechtfertigen.
Verbindungsdaten werden bereits heute gespeichert; sie sollen künftig nur länger aufbewahrt werden
Zur Verteidigung ihres Vorhabens sagte Bundesjustizministerin Brigitte Zypries den Medien: "Man muss sich zunächst mal klar machen, dass heute bereits die Daten der Telekommunikationsteilnehmer genau so gespeichert werden, nur zu Abrechnungszwecken, und dass auch dann, wenn ein richterlicher Beschluss vorliegt, auf diese Daten zugegriffen werden kann. Wir werden künftig die Speicherung aber nicht nur für 90 Tage haben, sondern für 180 Tage. Ansonsten ändert sich ja im Wesentlichen nichts."
Das ist falsch.
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