@Mandy
Oioioi, schon wieder viel Information! Tut mr leid, ich kann mich einfach nicht beschränken, wenn ich mal zu tippen loslege...
Deine Vorstellung des Zeugen als eine völlig unberührte, "daneben sitzende" Person, ist nicht so schlecht, denk ich mal. Oft wird der Zeuge mit einem Spiegel verglichen: Er ist derjenige, welcher einfach alles passiv wiederspiegeln kann ohne dabei irgendwie verbraucht oder abgenutzt zu werden. Und er kann wirklich ALLES widerspiegeln. Am besten kann man sich dem Zeugen wohl durch vergleichende Beispiele annähern.
Betont werden muss ebenfalls, dass der Zeuge nicht "gefunden" werden kann. Da kannst man noch so suchen, und zwar nicht bloss, weil, wie schon früher erwähnt, der Zeuge nicht gesehen werden kann, sondern auch deshalb, weil es da gar nichts zu "finden" gibt. Wäre der Zeuge etwas, was man zuerst irgendwie "erlangen" oder "erreichen" könnte, dann wäre er auch etwas, was man u.U. wieder verlieren könnte. Alles, was man aber gewinnen/erreichen und auch wieder verlieren kann, ist somit in seinem Wesen immer unbeständig. Wie kann ich jemals wissen, dass das, was ich soeben erlangt habe, ich nicht schon morgen wieder völlig verlieren werde? Neinein, der Zeuge ist das, was schon VORHER da war und auch NACHHER noch da sein wird. Schon bevor wir geboren wurden und noch nachdem wir gestorben sind (allerdings habe ich dafür keine "Beweise", ich kann mich hierin lediglich auf meine Intuition und die Aussagen anderer stützen, das möchte ich hier klarstellen).
"Die Verbindung zum Kosmos" - naja, das ist nun schon ein bisschen vage formuliert. Da müssten wir uns erstmal darüber unterhalten, was mit "Kosmos" gemeint ist. Wenn du damit das "All" im klassischen griechischen Sinne verstehst (als das Allumfassende, das Ganze, die ganze äussere Welt), dann ist der Zeuge quasi der tote Punkt, wo die Innerlichkeit der Welt und die Äusserlichkeit der Welt miteinander in Kontakt treten. Mit Innerlichkeit meine ich aber nicht die Gefühle und Gedanken eines Menschen. Gefühle und Gedanken sind ebenso dem Menschen "äusserlich", wie sein Körper und alles, was man anfassen könnte. Die Innerlichkeit ist sozusagen die "andere Seite" der Dinge, wenn ich Platon richtig verstanden habe dann nennt er das die "ewige Idee" (oder so ähnlich) der Dinge.
Warum zerfällt z.B. ein Apfel nicht einfach in seine einzelnen Atome oder löst sich in Nichts auf? Warum spielen die physikalischen Kräfte immer weiter und hören nicht einfach auf? Die Antwort ist: Weil sie eine Innerlichkeit haben, also sozusagen die abstrakte Idee davon, wie der Apfel zu sein hat. Hmmm, das ist nun in Worten kaum beschreibar - wer aber dieselbe Erfahrung schon gemacht hat (und das haben viele, weil es bedarf wirklich keiner speziellen Anstrengung um die Erfahrung zu machen), der versteht genau, was ich meine.
Der Zeuge ist also ungefähr das, was zwischen dem Innen und dem Aussen der Wirklichkeit steht und den Kontakt zu beiden herstellt (bisweilen wird er auch selbst bloss dem Inneren zugeordnet). Dabei "leuchtet" das Innen durch den Zeugen nach Aussen und erschafft so die manifeste Welt, also diejenige, welche wir anfassen und riechen können.
Unter "Kosmos" verstehen viele Leute aber bloss die äussere Wirklichkeit (weil sie von der inneren Wirklichkeit nicht mal einen Schimmer haben, bzw. nicht haben wollen). So verstanden stimmt deine Aussage nicht. Wenn du mit "Kosmos" aber umgekehrt die Innerlichkeit der Dinge meinst, dann stimmt deine Aussage recht gut.
Warum wir all diese Bemühungen machen, um sowas anscheinend ziemlich abstraktes und seltsames zu verstehen, hat folgenden Grund: Unter der Annahme, dass grundsätzlich jeder Mensch nach Glück strebt, aber wir dabei anscheinend ziemlich blind in der Welt herumirren, da stellt sich die Frage, was eigentlich falsch läuft. Denn irgendwas scheint ja wirklich falsch zu laufen. Oder wer könnte ohne zu zögern die Frage mit vollem Herzen mit Ja beantworten, ob er/sie jetzt und hier grade eben glücklich ist? (Ist übrigens auch eine Fangfrage, aber lassen wir das...).
Eines der Probleme ist, dass wir zwar nach Glück streben, aber kaum eine Vorstellung davon haben, wie dieses Glück eigentlich aussehen könnte. Darum halten wir an allem möglichen fest, was Glück verspricht, ohne zu wissen, ob es wirklich auch Glück bringen wird. Wie ein Ertrinkender, der sich an allem möglichen festhält, ohne vorher zu wissen, ob das jeweilige Ding ihn auch tragen kann. Um diesem blinden Herumirren zu entrinnen, benötigen wir zuerst die Einsicht, dass wir anscheinend ganz grundsätzlich was falsch machen, und zwar muss das etwas dermassen Grundlegendes sein, dass wir es bisher immer irgendwie übersehen haben.
Ich glaube, die meisten Leute haben tief in ihrem Innern eine vage Ahnung davon, dass sie eigentlich völlig an der Sache vorbeigehen, immer wieder, ohne dass sie sich dessen jemals ganz bewusst werden und ohne dass sie sich darum von diesem planlosen hin und her befreien könnten. Und da diese Ahnung obendrein noch ganz leise spricht, ist es wirklich sehr einfach, sie dauernd zu überhöhren, sich einfach mit Sachen vollzustopfen, die tatsächlich greifbares Glück zu geben vermögen - zumindest für 2 Tage oder maximal einen Monat. Danach ist alles wieder wie früher.
Warum haben manche Menschen eine "Midlife crisis"? Weil sie, vor die inzwischen unbestreitbare Tatsache des körperlichen Alterungsprozesses gestellt, plötzlich einsehen, dass sie in ihrem ganzen Leben immer irgendwelchen Phantomen hinterhergerannt sind. Einem guten Job. Einem attraktiven Partner. Erfolg, Geld, Macht, Sex, Aussehen, Beliebtheit, Ruhm, "immer das richtige tun", "nicht zu versagen", "der Person X gefallen zu müssen" - und der wirklich perfideste und fieseste aller Irrtümer: Davon, also von all dem vorher genannten loskommen zu müssen um zum Glück zu gelangen, bzw. nach "Erleuchtung" zu streben.
(Das Problem ist letztlich wirklich dies: Der Mensch möchte immer irgendwas, während er glaubt, er müsse immer irgendwas haben, was er gerade im Jetzt, im Hier, in diesem Moment nicht hat. Eigentlich ganz einfach. Aber unmöglich, sich von diesem Verhalten zu befreien. "Es irrt der Mensch, so lang er strebt." Wie wahr, leider!).
Indem wir nun die verstandesmässigen Grundlagen dafür legen, indem wir also auf der dem Verstand zugänglichen Ebene einsehen, was der Zeuge ist, gewinnen wir dadurch eine Basis, um von unserem ständigen Getriebenwerden zu abstrahieren und uns dadurch eine Distanz zu schaffen, die wir dringend benötigen, um von unserem unseligen Streben und Klammern und Greifen wegzukommen. Das ist aber ein Prozess, der viel Zeit benötigt.