Hallo Niemand
Wenn man Kontemplation im Mittelalter als etwas bezeichnete, das einem Menschen zuteil wird, dessen Ich soweit zurückgetreten ist, dass er den Grund des Seins, das Wesen Gottes erfährt, dann muss man zunächst einmal ganz nüchtern die Frage stellen, was ist den Menschen passiert.
Hatten sie Gotteserscheinungen oder erlebten sie irgendwelche Wunder? Man muss den Einzelfall also ganz aufmerksam betrachten. Es sei darauf hingewiesen, dass aussersinnliche Wahrnehmungen, wie Gotteserscheinungen oder Marienerscheinungen in Wirklichkeit zum Bereich der Sinneswahrnehmungen zählen. Sie beruhen nämlich auf körpereigenen Drogen.
Diese angeblich aussersinnlichen Erscheinungen gehören allerdings nicht zu den alltägliche Erfahrungen. Darum hatte man für solche Erfahrungen keine Erklärung und ordneten sie religiösen Wundern zu.
Der Autor ordnet auch das Gebet der Kontemplation zu. Soweit einverstanden. Aber er interpretiert die Auswirkungen dieser Kontemplation, nämlich die rauschhaften Zustände, die der Betende erfahren kann, natürlich wieder religiös. Gebet ist aber letzten Endes nichts anderes als Meditation, eine andere Form der Kontemplation.
Durch dieses Gebet wird aber nichts anderes gemacht, als ein Heilungsprozess in Gang gesetzt. Das ist zwar sehr erstrebenswert, es missfällt mir allerdings, dass dieser Heilung der religiösen Einstellung zugeschrieben wird. In Wirklichkeit sind es biologischen Abläufe, die durch das Beten in Gang gesetzt werden, die zur Heilung führen.
Man mag nun sagen, na gut, ist ja egal, wie die Heilung zustande kommt, Hauptsache der Mensch wird gesund und fühlt sich wohl. Das ist zwar einerseits richtig, aber andererseits hat die Fixierung auf die Religion weitreichende Folgen, und zwar auf der persönlichen als auch auf der gesellschaftlichen Ebene.
Auf der persönlichen Ebene heisst das nämlich, dass der Mensch nicht wirklich frei ist, wenn er weiterhin so kritiklos die religiösen Vorstellungen akzeptiert. Welche Folgen das auf der gesellschaftlichen Ebene haben kann, hat man gerade im Mittelalter sehen können. Angefangen von den Hexenverbrennungen über die Kreuzzüge bis hin zur Verketzerung von Kritikern und Wissenschaftlern der Kirche, die z.B. wie Kopernikus erklärten, dass die Erde nicht der Mittelpunkt des Universums ist und damit das geozentrische Weltbild zum Einsturz brachten.
Es sei noch angemerkt, dass ich immer etwas kritisch bin, wenn jemand von den Erfahrungen eines anderen berichtet, ohne selber über diese Erfahrungen zu verfügen. Das geht zwar nicht eindeutig aus dem Text hervor, aber ich fände es viel authentischer, wenn der Autor von seinen eigenen Erfahrungen berichtet.
Was aber ganz wichtig anzumerken ist, ist die Tatasache, die auch in dem Text angesprochen wird, dass bei fortschreitender Kontemplation auch fromme Gedanken und Gefühle zurücktreten. Auch ich glaube, dass dieses der Fall ist. Bei fortschreitender Kontemplation tritt nämlich eine seelige Leere oder Ruhe ein. Diese Ruhe, dieser Friede, kann man tatsächlich als göttlich bezeichnen.
Der Autor drückt diese Seligkeit wie folgt aus: "Von jetzt ab genügt es, Gott mit deinem reinen, ungeteilten Sein aufs höchste zu verherrlichen." Ich kann die Haltung des Autors durchaus verstehen. Diese Seligkeit gleicht wirklich einem göttlichen Geschenk. Sie beruht allerdings auf den Schwingungen des Gehirns (Thetawellen), die durch die Kontemplation auf eine ganz bestimmte Wellenlänge angehoben wurden. Diese Hirnströme sind übrigens messbar.
Die Kontemplation entspricht also nichts anderem als einer Suggestion, die genauso, wie die Meditation, die Hirnströme auf eine Frequenz von 4 bis 8 Hertz anhebt und damit einiges an Transmitteraktivitäten auslöst, die nicht nur Euphorie auslösen, sondern ebenso Heilungsprozesse beschleunigen.
Ordnet man diesen biologischen Prozesse aber eine religiöse Ursache zu, so ignoriert man vollkommen die gesellschaftlichen Ursachen, die dafür verantwortlich sind, dass sich neurotische Zustände so massiv in unserer Gesellschaft ausgebreitet haben und kehrt alles unter das Deckmäntelchen des lieben Gottes.
Und das ist vielleicht auch beabsichtigt. Schliesslich geht es in unserer Gesellschaft nur nur um das Sein sondern auch um das Haben. Und spätestens dann, wenn man dieses Haben nicht mehr hat, nämlich die materielle Grundversorgung, dann beginnt man sehr deutlich zu verstehen, was es heisst nicht zu haben.
Alles Liebe. Gerrit