Die Frage dürfte weniger das Erinnern selbst sein, sonders das woran. Scheint doch mitunter ziemliche Unterschiede dabei zu gegen. Je nachdem, wie effektiv man selbst die "Erinnerungen" filtert. Und wo man an die eigenen Grenzen stößt.
Das ist dann Deine Frage, ja. Woran soll ich mich erinnern und wie erkenne ich, was Illusion und was Erinnerung ist?
Eine sehr gute Frage.
Mach doch zum Beispiel mal folgendes Erinnerungsspiel: stell Dir vor, Du seiest in Deinem Kinderzimmer. Wir alle hatten irgendwo einen Ort, zumeist eine Schublade oder eine Kiste. Dort versteckten wir unser Geheimnis, unseren "Schatz". Zieh doch mal in Deiner Erinnerung diese Schublade auf und schau Dir deinen Schatz an. Wie sah er aus, der Schatz Deiner Kindheit, den Du behütet hast? Den Du versteckt hast vor Dir und anderen? Was war es für ein Objekt, das Du so gehütet hast? Erinnere Dich mal daran.
Und dann mach mal ein Illusionsspiel: stelle Dir vor, daß Du diesen Schatz nicht behütet hast, sondern daß Du ihn verschenkt hast. Nimm ihn doch mal aus der Schublade heraus und gib ihn z.b. Deiner Schwester oder Deinem Vater. Egal, gib ihn mal spaßeshalber weg, Deinen Schatz. Und schau dann nochmal in die Schublade und sieh Dir an, daß der Schatz tatsächlich weg ist. Es ist nur noch der leere Schubladenboden da.
Und dann mach nochmal das Erinnerungsspiel. Zieh die Schublade auf, sieh Dir den Schatz an, der da wieder liegt. Nimm den Schatz ruhig mal heraus und schau ihn Dir an. Deinen Schatz. Du wirst vielleicht bemerken, daß sich das Erinnern an Deinen Schatz anders in Dir anfühlt, daß es Anderes "mit Dir macht", als die Illusion, den Schatz weggegeben zu haben.
Und dann mach nochmal das Illusionsspiel, zieh die Schublade auf, sieh Dir den Schatz an und gib Deinen Schatz weg. Du wirst vielleicht bemerken, daß diese Illusion sich anders anfühlt, als die Erinnerung. Die Erinnerung bringt Dich Deinem Schatz näher, sie ist die Beschäftigung mit Dir selber und dem, was in Dir ist. Mit Deinem "Schatz". Die Illusion dagegen entfernt Dich von Deinem Schatz und "widerspricht" quasi Deiner Erinnerung. Sie ist die Unwahrheit, während der Schatz in der Schublade, den Du hattest, die Wahrheit ist.
Erinnern kann man sich also v.a. an die Wahrheit. Die Illusion dagegen ist die Unwahrheit. Ich stelle mir vor, daß jeder Mensch in sich die Möglichkeit birgt, Illusion von Wahrheit zu unterscheiden. Und damit auch im Umkehrschluß die Möglichkeit, die Unwahrheit aus der Erinnerung heraus zu filtern.
Insgesamt denke ich, daß eine Illusion niemals zu einem wahren Schatz wird, den ich auch anfassen kann, der sich manifestiert oder bereits früher manifestiert hat wie im Schubladenbeispiel. An der Erinnerung dagegen erkenne ich meinen Schatz, der in mir ist, wenn ich die Erinnerung zulasse.
Wichtig ist in dem Zusammenhang dann natürlich die Frage, wie ich meine Erinnerung eigentlich wiederbekomme. Die Erinnerung an meinen Schatz meine ich, und dabei meine ich jetzt nicht den Schubladenschatz aus der Kindheit, sondern den inneren Schatz, den jeder Mensch in sich trägt, seinen Reichtum. Das, was in ihm ist und was er geben könnte. Was er leben könnte. Was er sein könnte.
Insofern ist Erinnerung ein Potential, das sich erfüllt oder nicht. Erinnere ich mich, erfüllt sie sich nicht und ich bin getrennt von meiner Vergangenheit im Hier und Jetzt. So bin ich nicht verbunden, weil ich nicht mit meinem inneren Schatz verbunden bin.
Um ja den inneren Schatz zu finden ist die Spiritualität da. Ob man Buddha wählt oder Jesus Christus, um an den eigenen inneren Schatz zu gelangen, ist gar nicht wichtig. Entscheidend ist vielleicht, daß ich zunächst lerne anzunehmen, daß ich einen mir noch unbekannten Schatz berge, den ich noch nicht lebe, sondern ja vielleicht nur hier im Forum vertippe in unendlichen, wiederkehrenden Schleifen der Fragen und der Ungewißheit.
Insofern wünsche ich allen, daß Ihr euren inneren Schatz findet. Er liegt in der Tat in einer Schublade Eurer Kindheit für Euch bereit - als Energie, die Ihr euch nehmen könnt, die Ihr "verinnerlichen" könnt. V
erinnerlichen ist ja nun doch nah an der Erinnerung gelegen.
lg