Das weiß ich nicht, bin erst etwas später auf diese Welt gekommen

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Ich sehe keine zunehmende Entgleisung von der Seite der Jugendlichen. Ich sehe alte Sitze in neuen Zügen, die nicht ausgetauscht werden wollen. Die Jugendliche rütteln lediglich an den Sitzen und es sieht so aus als würde so ein Zug kippen oder Entgleisen, es liegt auch nicht an den Gleisen.
Weißheit fehlt und Wissen quellt schon über.
hi Talen,
das Bild eines Zuges für eine Gesellschaft finde ich sehr brauchbar. Erinnerst du dich an meinen Zug, den ich mit Kinnarih damals hier mal hatte? Das war ja schon hart, oder?
Ich erinnere mich genau, ich befand mich im Zustand, das Wort "Verlockung" kennen zu lernen. "Spannung". Eine verrückte Zeit. propaganda, Lösung- Annehmenwollen, was angeboten wird als Information. Wie, womit muß ich locken. Die Antwort meines damaligen Lernprozesses: ultimativ natürlich mit Geld. Aber was noch? Mit schönen Geschichten, bunten Bildern, ein bißchen Stimmung, ein tässchen Kaffe und vor allem: das Bemühen um jeden Einzelnen. "Wie gründe ich eine Sekte"- unter anderem, in dem ich jedem Einzelnen meine Bemühung zeige und ihn "ausbilde" in dem, was ich denke und ihm dann eine Verlockung anbiete, der er nicht widerstehen kann. "Werbung"--- darum geht es, um Konsum.
Wir sind wirklich in einer schlimmen Lage heute, aber das ist vorübergehend- das ist ja mein persönlicher Glaube wenigstens, den mir bisher noch keiner nehmen konnte. Weiß auch nicht, wo ich den Optimismus da immer hernehme. Diese Sache mit zuwenig Weisheit und zuviel Wissen, die Du nennst, die trifft in meinen Augen die Ursache auf's Auge.
Ich will unser Wissen mal zweiteilen: in erfahrenes Wissen und in erforschtes Wissen. Das erfahrene Wissen, was Menschsein heute ist, finde ich katastrophal. Die Geschichte wie die Gegenwart ist eine Metzelei mit Gütern, die eigentlich heilig sind. Traurige Sache.
Das erforschte Wissen aber ist seit Anfang des Jahrtausend diesem Gemetzel gewissermaßen "überlegen", wenn man es ethisch-moralisch betrachtet und die naturwissenschaftlichen Forschungsgebiete einmal unter dem Dach wieder zusammen faßt, von dem sie sich ursächlich gelöst hatten, motiviert durch die Frage: was ist der Mensch? Wie funktioniert er, wie tickt er , und wie muß demnach die Gestaltung des Erdenlebens sinnvollerweise aussehen? Im Grunde eine philosophische Frage. Man liest auch, daß die Philosophie letztlich diejenige Wissenschaft ist, die die Naturwissenschaften wieder unter dem Dach Eines Sinnes vereint. Jeder einzelne wissenschaftliche Bereich durchstößt neuerdings die Grenzen zur Philosophie, weil neuderdings nicht nur im Rahmen des Glaubens oder der besonders klugen Menschen erfahrbar ist, daß wir nichts wissen. Nein, dieses Wissen, das wir nichts wissen, ist jetzt darstellbar Allgemeingut. Wir sind. Eine Art. Mehr wissen wir nicht.
Dieses Wissen hat sich in unserem Verhalten noch nicht niedergeschlagen- es ist auch sehr schwer, es zu formulieren. Der Mensch ist das Thema, wegen dem jeder einzelne Forschungsversuch jemals gemacht worden ist. Warum ist das so, was wir erfahren? Nun, wir wissen das heute. Weil wir es uns so zeigen. Und das war es.
Würden wir es uns anders zeigen, hätten wir eine andere Welt. Was müssen wir dafür tun? Uns selber anders zeigen. Dann zeigt sich die Welt uns über mehrere Generationen hinweg auch anders, weil sich unsere Gesellschaft umgestaltet, wenn wir uns anders zeigen. Zeigen wir uns verwahrlost (ohne wahre Lose, unwahre Schicksale lebend, das Schicksal unserer Eltern) oder sind wir bereits gekleidet, ausgekleidet mit einer Art Wärme-Dämmung gegen die Hitzigkeit unseres Lebens, in dem uns der Busen in die Augen springt und am Arbeitsplatz Kollegen-Geschrei ist? Ist das normales menschliches Verhalten, was wir heute in den unteren Bildungsschichten haben? Huh, no! Ich verweise auf diverse Talk-Shows.
Wie sieht das aber in den oberen Schichten aus, verhalten die sich denn normal? Ja wie denn in dieser Gesellschaft hier? Hi, da muß ich ja mal lächeln. Du darfst heute ja nichts mehr sagen. Die offensichtlichsten Dinge, die man mit den Augen sehen kann, die darf man heute ja nicht mehr sagen. Da sind die Leute ja beleidigt. Du mußt ja die einfachsten Dinge verklausulieren wie ein Gott und dann hast Du das Problem, daß Du ein Gott bist. Eine normale Begegnung am Arbeitsplatz ist heute doch gar nicht so leicht zu empfinden. Also wenigstens mir geht das so, der Druck ist sehr groß in mir, daß ich auch alles richtig mache und sage und so weiter. Die Leute sind heute manchmal so starr- sobald sie irgendeinen anderen Raum betreten als den Traum-Raum machen sie ein Buhei darum, wer sie sind- ich nehme an in meinem Darm gibt es in etwas soviele Bakterien, wie es Menschen auf der Erde gegeben hat, da sieht man mal die tatsächliche Dimension.
Wir müssen heute wichtig empfinden, Gewicht tragen, etwas behalten und mit uns herumschleppen. Und das ist dieser Datenstau, den ich meine, der uns im Alter die Gehirne zerfranst. Man sieht bei Dementen folgendes Phänomen: das Bewußtsein entwickelt sich altersmässig rund um existentielle Erfahrungsmomente des Lebens zurück. Da beginnt ein Mensch, der ist z.B. 80 Jahre alt. Bis er objektiv 85 geworden ist, ist sein Gehirn zum Teil materiell verändert durch den Krankheitsprozeß und der Mensch erlebt aber subjektiv eine innere Reise in die Vergangenheit. Das Ich-Erleben fühlt sich rückwärts altersmässig, nicht wie 82-jährig, sondern wie 50-jährig. Und später nicht wie 84-jährig, sondern wie 25-jährig. Und es endet als Kind.
Und in dieser inneren Reise rückwärts gibt es Phasen, die man als biographische Highlights bezeichnen könnte. Da rennt eine 85-jährige Frau über den Flur im Altenheim und erlebt, daß sie 35-jährig sich um ihr Töchterchen sorgt und macht aufgeregt Anstalten, das Altenheim zu verlassen und die Tochter zu suchen. Und das geht dann 2 Monate jeden Tag so und man muß sie "einfangen", allerdings weniger körperlich, sondern geistig-emotional und sie beruhigen. Bis dann diese Energie aus der Biographie- eine Angst, eine Gewissheit, sich nicht ausreichend gekümmert, nicht vorgesorgt zu haben- schließlich nivelliert ist und vermutlich der Bereich des Gehirns, in dem das Ereignis gespeichert ist, abstirbt. Man kennt das ja von Nadelbäumen: bevor sie sterben produzieren die Zapfen wie Blöde. Und genauso verzapfen Demente Menschen eben "Blödes", könnte man meinen, aber sie wiederholen nur, was sie im Leben nicht gelöst haben. Sie werden zum lebenden Rätsel, das nur durch biographische Arbeit letztlich verstanden werden kann.
Wir verarbeiten unsere Lebenserfahrung nicht ausreichend- die Esoterik bietet da gute Möglichkeiten an, das nach zu holen. Wenn man einmal den Herren Mustermann oder die Frau Mustermann malen würde, dann wäre das sehr interessant, was hat man eigentlich erlebt zwischen etwas 1920 und jetzt, was hat eigentlich unser Bild von uns selber geprägt.
Und ich sag mal für mich persönlich so: der Fernseher hat in meiner Kindheit da eine grosse Rolle gespielt. Der Fernseher, was macht der- man weiß das: er versetzt unser Gehirn in einen Alpha-Zustand, also ins Traum-Bewußtsein. Er schläfert uns regelrecht ein. Und Wachheit, Achtsamkeit füreinander, das geht heute verloren. Stattdessen entstehen Schienen, in denen man sich was denkt und verhält. Man spricht nicht mehr aus, was man denkt, man ist gewohnt, daß es so ist, daß man redigiert, was man denkt und dann sagt man etwas, das möglichst Sinn ergibt. Das ist zuvorderst einmal eine Verkümmerung im Sprachgebrauch in der Kommunikation untereinander.
Ich verhampel das ja schreibend in mir, daß mein Denken eine Qualität erreicht, in dem es menschlicher Kommunikation genügt. Aber so leicht ist das nicht. Man kriegt ja immer Informationen vorgesetzt. Dann verurmelt man die denkend und spuckt sie mit anderen Worten wieder aus. Daß da eine eigene innere Stimme ist, die sprechen will und das unaufhörlich tut, das hört man nicht, wenn man im Traumbewußtsein ist. Das ist das Problem, glaube ich. Durch die "Matt"-Scheibe blicken wir bei uns selber nicht mehr durch und hören nicht, wie es uns geht. Die ganzen Depressiven sitzen vor dem Fernseher- warum? Wie bedingt sich das gegenseitig, hm? Eine Flucht aus der Realität ins innere Träumen, ähnlich wie es der Esoterik manchmal "vorgeworfen" wird?
LG,
Trixi Maus