Ich bin hierhergekommen um Antwort auf meine Vergangenheit und Gegenwart zu finden. Das es anderen schlimmer geht ahne ich, aber warum spielst Du meinen Kummer so herunter?? Ich will das Leid nicht messen und es tut gut hier die Seele gestreichelt zu bekommen.
Mein Ausschütten der Gefühle ist die Bitte nach einem Ernstgenommenwerden. Ich will weder Glück pachten noch mieten. Das alles mußte ich mit wenig oder keinem Beistand durchmachen. Es ist nicht schön wenn Deine eigene Mutter Dich fragt ob sie sterben wird und es Dir den Hals zuschnürt. Ja und jeder ist seines Glückes Schmied.
Ich schreibe nicht nur über die Vergangenheit, ich schreibe über die letzten neun Jahre. Von damals bis heute. Solang ich nicht weis was ich in der Vergangenheit falsch gemacht habe kann ich nicht klar nach vorne schauen.
Hanne
Hallo Hanne (klingt doch cool),
meine Mutter ist 2000 gestorben, das Ardeno-Karzinom hatte sie innerhalb von acht Monaten hingerafft. Mein vater hat sich nur auf der beerdigung sehen lassen, was ich ihm hoch anrechne, sie haben sich scheiden lassen, als ich acht war.
Derzeit hab ich mit meinem Vater recht wenig zu tun. Wir haben nicht das beste Verhältnis.
Ich bin ebenfalls Einzelkind und weiss daher, wie sehr es zum Verzweifeln sein kann, wenn man niemanden wirklich hat. Geschwister, leibliche vor allem, könnten vlt. hilfreich sein.
Ähnlich wie du hab ich in den Institutionen in denen ich gearbeitet hatte, immer wieder die Erfahrung machen können, dass es nicht erwünscht ist, die eigene Meinung zu vertreten, oder Kritik anzubringen. Ich hab Erzieherin gelernt. Wenn ich einem auffälligen, schwererziehbar geltenden Jungen ein inkonsequentes verhalten entgegenbringe, wie glaubst du, wird er reagieren? Richtig, er nutzt das aus. Als ich anmerkte in der arbeit, dass das Team Konsequent handeln muss und nicht nur Hü und hott sagen kann, war ich binnen einer Woche gefeuert.
Naja, dann hab ich studiert und bin derzeit arbeitssuchend.
Die Sache mit deinem Ex kommt mir auch so was von bekannt vor: Als Mama krank wurde und ind Krankenhaus kam, hatte er sich eine Neue gesucht, ein halbes Jahr vor ihrem Tod hat er Schluss gemacht, weil ich nicht da war, weil sie ihn besser verstand, blabla. Das war hart, aber auch das kann man schaffen.
Effektiv hab ich an Familie noch meine Oma, die nächsten Monat 83 Jahre alt wird, und das wars. Mein neuer Partner steht zu mir und auch hinter mir, wofür ich mehr als dankbar bin, denn das ist nicht selbstverständlich und ich bin kein einfacher Mensch.
Ich verstehe deinen Kumer, deinen Schmerz und auch das Gefühl "das ist nicht mehr mein Leben" sehr gut.
Aber:
es ist nicht deine Aufgabe, deinem Vater ein neues Leben einzurichten, dass klappt nicht.
es ist nicht deine Aufgabe, idiotische Kollegen abzuwehren. Ganz im Ernst, ich würde Sie zwar höflich behandeln, immer unter Zeugen und ansonsten meinen Job machen, A****lecken 2,50 ist das Gebot der Stunde.
Einen Partner findet man meist genau dann, wenn man ihn nicht sucht und meist auch da, wo mans nicht vermutet, meine Erfahrung.
Falsch gemacht hast du nix, siehs mal eher anders: Deine Mutter und auch dein Vater können verdammt stolz auf dich sein. Schau mal, wo du stehst! Du bist nicht zerbrochen, du hast weiter gekämpft. Deine Mutter wusste und weiss es auch jetzt, dass du alles erreichen kannst, was du willst! Dein Vater weiss, dass du stärker bist als er, denn du flüchtest dich nicht in Rauschzustände, du gehst bewusst und wachen auges durch den Mist, der einem meist bis zum Hals reicht, manchmal auch weiter. Und du hast dich an den eigenen Haaren da raus gezogen! Also, schau es dir noch mal an: Du hättest nichts anderes tun können!
Als meine Mutter starb, war ich bei meiner anderen Oma zum Geburtstag, da sie auch immer allein war. Genau diesen Tag nahm sich Mama um einzuschlafen. Als ich abends heimkam und das haus hell erleuchtet war und meine Oma (Mamas Mutter) mit den Plastiksäcken dastand, hab ich geschrien und getobt, hab letztlich den Ofen angemacht, meiner Oma ein Bier gegeben, den Bestatter aus dem Bett geklingelt und angefangen die Beerdigung zu organisieren. Weil meine Oma nicht konnte, keine Kraft mehr hatte. Ich hab dann danach noch die Ausbildung fertig gemacht, etc.
Und meine Mutter hatte Recht: Was mich nicht tötet, macht mich härter. In dem Fall stärker. Hilfe gabs nicht, Unterstützungt sowieso nicht und als dann am Grab irgendwelche Pfeifen, die Mama nur flüchtig kannten, anfingen wie die Sirenen zu heulen, bin ich fast ausgerastet. So was kann ich so gar nicht haben: scheinheilig dann dastehen und sinnlos heulen, wenn man den Verstorbenen nicht kennt.
Was das Glück angeht, ich habs abseits gefunden, abseits vom alltäglichen. Das ist mein Hund, meine Katze, mein Wellensittich und selbstverständlich mein freund und meine Oma, dann so kleine Dinge wie ein voller Holzstall und eine gefüllte speisekammer. Derzeit lebe ich leider recht ärmlich, da sind solche Dinge das pure Glück. Oder wenn ich etwas geschafft habe, was ich vorher nicht gedacht hätte, wie eben alleine leben können, inkl. Holz hacken, Reperaturen durchführen, eben alles, was man an einem alten Haus machen muss.
Glück liegt manchmal in einer Blume, einer Wolke, den ersten Schneeflocken oder dem Schneemann bauen, dem Gesang der Vögel, die sich zufrieden draussen über Vogelfutter hermachen, etc. Glück ist relativ, individuell.
Und was das Leben an sich angeht, ich finde, du kannst dir ruhig mal sagen, Gut gemacht. Sei mal etwas liebevoller zu dir selbst und schau, was du geschafft hast. Das ist eine Menge.
Und nachdem du diesen Roman geschafft hast, herzlichen Glückwunsch, schnapp dir eine heisse Tasse Kakao und geniesse bei Kerzenlicht den restlichen Abend!
LG
Leprachaunees