Schau mal:
https://de.wikipedia.org/wiki/Thalidomid
Wenn Du schaust wofür "Contergan" heute eingesetzt wird, schaut es für mich sehr nach zufälligen Entdeckungen und viel Ausprobieren aus, Wirkmechanismen aufzudecken ist auch mit dem heutigen Stand der Technik nicht möglich. Da wid vorgegangen nach dem Prinzip: wer heilt hat Recht. Leidlich in brave wissenschaftliche Methodik eingebettet, vermutlich um Schlimmstes zu vermeiden.
LG
Any
1963 wurde Valium entwickelt, das seitdem (gemeinsam mit seinen strukturellen Abwandlungen) Barbiturate als gängigstes Beruhigungsmittel großteils abgelöst hat. Außerdem gibt es einige Histaminika, die auch als Schlafmittel verwendet werden. Damit ist Thalidomid als Beruhigungs- oder Schlafmittel nicht mehr interessant gewesen.
Die wissenschaftliche Methode ist übrigens: "
was heilt, hat recht", und nicht mehr und nicht weniger.
Ja, klar dass das Beispiel mit den Prozessen nachträglich nicht hilfreich ist.
Aber was heißt das jetzt? Was hätte man damals machen sollen?
Und was sollen wir heute machen? Wir stehen doch heute vor den gleichen grundsätzlichen Problemen wie damals - nur eben auf viel höherem Niveau. Wenn wir heute ein Medikament entwickeln ist es halt nicht Faktor VEGF, der die unbekannte Nebenwirkung verursacht, sondern ne Wirkung von Rezeptor XYZ, die wir noch nicht kennen und erst in 20 Jahren überhaupt erforschen werden. Was macht das also für einen Sinn?
Das ist schon richtig. Wobei man Einlagerungen (Fettgewebe, Knochen, Zellen) schon mengenmäßig feststellen kann. Ist schon klar, dass Stoffmengen auch einfach ausgeschieden werden. Nur auf diesem Weg sind sie ja ggf. auch in Prozesse eingebunden, da sie ja nicht wie vor ggf. chemisch aktiv sind. Ja nicht nur im Magen, sondern auch im Blutkreislauf. Trotzdem bewirken sie aber auch dort etwas, und sei es nur eine Veränderung des pH-Wertes, und damit wieder eine Veränderung der Aufnahme anderer Stoffe.
Genau das ist ja an der Pharmakokinetik wiederum zu kritisieren, dass sie nicht das Gesamtbild betrachtet, sondern nur den "Gutfall" (Wirkweg) bzw. bekannte Nebenwirkungen. Da fehlt im Gesamtbild einfach unheimlich viel.
Bioakkumulation eines Stoffes ("Einlagerungen") wird heutzutage standardmäßig in den präklinischen Studien getestet.
Und die Pharmakokinetik beschäftigt sich überhaupt nicht mit Nebenwirkungen, sondern nur mit den Veränderungen des Wirkstoffmoleküls im Körper, von der Einnahme bis zur Ausscheidung.
Hatte ich ja auch nicht behauptet. Aber die Pharma sollte sich vielleicht doch mal aus der Steinzeit herausheben.
Warum? Am Ende geht es darum, einen Stoff herzustellen, der wenig Nebenwirkungen und gute Wirkung hat. Was spricht da dagegen, möglichst effizient zu gucken, was wirkt und was Nebenwirkungen hervorruft? So arbeitet die Naturheilkunde seit tausenden Jahren erfolgreich, die Pharmaindustrie hat den Prozess halt noch ne Ecke effizienter gemacht. Ich seh nicht, was daran falsch ist.
Ich kann mich nur auf die zitierte Seite beziehen, nach der vom Hersteller Contergan auf dem deutschen Markt zurückgezogen wurde. Wenn der Wirkstoff natürlich auch in anderen Medikamenten verwendet wird, was nach den Aussagen anzunehmen ist, dann geht das aus der Aussage nicht hervor.
Wenn hier die Pharma in ärmeren Ländern am Schaden der Menschen profitiert ... na ja, das wissen wir ja, dass das so ist, siehe Thema Medikamententests in Afrika und Indien.
Thalidomid ist kein per se "böser" Stoff. Er kann gravierende Nebenwirkungen haben, und er kann vielen Leuten gutes tun. Wie das bei vielen Medikamenten halt der Fall ist. Momentan wird gerade deswegen an Contergan geforscht, weil die Angiogenese (also die Ausbildung von Blutgefäßen) extrem wichtig für das Überleben von Krebszellen ist und der Mechanismus bzw. die Weiterentwicklung von Contergan Aufschlüsse darüber liefern könnte, wie man das verhindern könnte. Vielleicht führt uns Contergan also zu einer neuen Generation von Krebsmitteln.
Muss ich mal auch dir die Frage stellen - soll ich jetzt das ganze System alleine erfinden?
Wie bereits gesagt, es gibt in dem System mehrere Ansatzpunkte (die ja heute auch ausgewertet werden, nur wo die Suche "am lebenden Objekt" halt ziemlich mühsam ist. Ich kann z.B. von der DNS ausgehen - dort haben wir auch noch jede Menge white spots, wo wir nicht wissen wo die Stoffe verwendet werden und wann ihre Produktion aktiviert wird. Dann haben wir Inputs ... bei denen wir auch wissen, was wieder herauskommt ... der Rest muss also im System verstoffwechselt werden. Dann haben wir die Chemie ... die eindeutige Regeln vorgibt, was in der Suppe schwimmt und wer mit wem kann. Einige Prozesse kennen wir schon aus der Vergangenheit, und da kann man fragen, was mit den Stoffen sonst noch passieren kann. Und zu guter letzt kennen wir Nebenwirkungen, denen man auf Prozessebene nachgehen kann. Also jede Menge Ansatzpunkte, die vielleicht heute shcon ausreichen könnten, das Gesamtsystem auszudefinieren.
Nein, aber ich sehe auch abstrakt-theoretisch überhaupt keine Möglicheit, wie die Prozesstheorie das verhindern hätte können. Ein Beruhigungsmittel hat mit der Ausbildung von Blutgefäßen ja praktisch gar nix zu tun. Hätten die Wissenschaftler sagen sollen: "Moment, wir wissen noch nicht, wie Blutgefäße bei Embryos genau gebildet werden, lasst uns dieses Medikament lieber auf Eis legen, wer weiß". Das ist so, als würdest du heute bei JEDEM entwickelten Medikament sagen: "Moment, wir wissen noch gar nicht, wie sich die Doppelmembran eines Autophagosoms bildet. Lasst uns dieses lebensrettende Alzheimer-Medikament lieber vorerst auf Eis legen". Und sobald wir dieses Rätsel gelöst haben, sagt jemand: "hey, wir kennen den Prozess XYZ noch nicht, wir sollten lieber noch warten - zur Sicherheit". Währenddessen sterben tausende Leute an vermeidbaren Krankheiten, weil die Wissenschaftler zu viel Angst haben, das Medikament könnte irgendeine obskure Nebenwirkung verursachen, weil sie den Prozess noch nicht kennen. Wo liegt der Sinn?