Respektloser Umgang zwischen den Geschlechtern ist ja grundlegend nicht gerade unnormal. Also erstens mal im Sinne von Stereotypen (etwa dumme Sprüche) oder auch "benutzen" - etwa der Versuch eine Frau ins Bett zu manipulieren etc. Der Sinn dahinter eine Frau "abzufüllen" gehört da m.A.n. in diese Kategorie. Aber dabei geht es ja normalerweise durchaus um einvernehmlichen Sex und nicht um Vergewaltigung. Anders gesagt geht es darum die Chance auf ein "ja" zu erhöhen und das Risiko einer demütigenden Abfuhr zu minimieren. Das ist alles sicherlich respektlos aber es hat zumindest immer noch eine Menge Eigenverantwortlichkeit auf Seite der Frau. Denn "abfüllen" ist ja ein ziemlich unpräziser Begriff. Sie trinkt ja freiwillig. Ab da gibts natürlich (zumindest vom Gefühl her) große Unterschiede... Eine betrunkene Frau kann immer noch zustimmen oder ablehnen. Eine Frau die total weggetreten ist kann das nicht mehr.
Oder anders gesagt: Angenommen ein Mann und eine Frau trinken zusammen und er hat durchaus das Ziel sie ins Bett zu kriegen und beide sind betrunken und sie vielleicht auch mehr und vielleicht trifft sie dadurch andere Entscheidungen als sie es nüchtern tun würde, kann das m.A.n. zwar grenzwertig sein, aber es ist wohl noch kein sexueller Missbrauch und erst Recht keine Vergewaltigung. Anders ist es wenn die Frau gar keine Entscheidung mehr treffen kann, total weggetreten ist. So etwas habe ich selbst mal auf einer Party erlebt als ich um die 20 war. Eine Bekannte hatte sich so abgeschossen dass sie irgendwie mit offenen Augen wie schlafend und nicht mehr ansprechbar war und sich auch so gut wie nicht mehr bewegt hat. Und ein paar Typen brachten dann auch dumme Sprüche im Sinne von „Die könnte man jetzt so leicht…“ und das wäre durchaus über der Grenze und letztlich eine Vergewaltigung gewesen. Allerdings waren das tatsächlich nur dumme Sprüche. Niemand hat sie angerührt, sondern es wurde sich um sie gekümmert. Hätte vielleicht anders ausgesehen wenn sie mit so zwei Typen alleine in einem Raum gewesen wäre wie es Gina Lisa war.
Es gibt einen Punkt den ich viel entscheidender finde und der oft zu kurz kommt: Körperliche Überlegenheit. Denn das fast alle Männer deutlich stärker sind als fast alle Frauen ist einfach ein konstanter Fakt der sich durchs ganze Leben (fast) aller Männer und Frauen zieht (abzüglich der Ausnahmen) - und das seit Menschen existieren. Und wenn dann manchmal argumentiert wird, eine Vergewaltigung sei im Grunde nur dann eine Vergewaltigung wenn eine Frau sich deutlich wehrt, dann geht das einfach voll an jeder Realität vorbei. Und ich glaube, dass viele Männer das gar nicht auf dem Schirm haben - also wie groß der Unterschied nicht nur physisch wäre wenn es zu einer physischen Auseinandersetzung käme, sondern welchen Einfluss das auch psychisch hat, wie tief das eingeprägt ist. Dazu kommt noch, dass Männer im allgemeinen einen anderen Zugang zur eigenen „Aggressivität“ haben. Damit meine ich ebenfalls nicht unbedingt das konkrete und aggressive physische Ausspielen dieser Überlegenheit, sondern schon die Vorstufe… Ein Mann kann einer Frau ja durchaus mehr oder weniger subtil signalisieren das er überlegen ist. Das machen Männer ja untereinander im Zweifel auch, also etwa sehr dicht an jemanden herantreten, sich vor jemand anderem „aufbauen“. Und selbst ein Mann der das nicht tut aber eben sehr wütend ist, wirkt auf eine Frau möglicherweise schon bedrohlich.
Ich glaube, dass das ein extrem entscheidender Punkt ist der möglicherweise sogar von Frauen im Alltag unterschätzt wird. Wir sind ja alle seit der frühen Kindheit in unseren Rollen. Frauen lernen ihr ganzes Leben mehr oder weniger bewusst das sie in aller Regel physisch unterlegen wären und Männer das Gegenteil. Das mag im Alltag nur selten eine Rolle spielen aber es hat vermutlich schon jede oder fast jede Frau mal erlebt das ein Mann während eines Streits physisch bedrohlich zu werden schien ohne sie auch nur zu berühren.
Und ich denke, dass das beim Thema Vergewaltigung echt eine riesen Rolle spielt. Denn eine Frau muss ja zumindest irgendwie im Kopf haben das es echt nach hinten losgehen kann wenn sie sich wehrt, im Sinne von „Oh Gott, wenn dieser 90 kg - Typ durchdreht macht der mich fertig!“. Keine Ahnung ob das ein konkreter Gedanke sein muss oder einfach nur eine Art Gefühl aber es kann ja nicht abwesend sein. Und wenn dann gesagt wird das eine Frau sich wehren soll damit etwas als Vergewaltigung gilt, dann sagt man ihr ja im Grunde dass sie mindestens potentiell ein sehr hohes Risiko eingehen muss. Es wird vermutlich viele Vergewaltigungen geben die als einvernehmlicher Sex gewertet werden weil sie vermeiden möchte das eine schwer erträgliche Situation möglicherweise noch schlimmer wird. Und v.a. wenn eine Frau einen Unbekannten vor sich hat, oder jemanden von dem sie zumindest annimmt dass er gewalttätig werden könnte (etwa unter Alkohol-Einfluss) dann ist sie eigentlich sofort in einer Situation sich ausgeliefert zu fühlen, da sie ja nicht wissen kann ob er seine physische Überlegenheit einsetzt und wenn ja wie hart oder eben nicht.
Ich glaube ehrlich gesagt sogar dass das so tief in den Köpfen ist dass es in fast alles mit hineinspielt. Ich habe mich mal gefragt wie es wäre wenn ich physisch sozusagen im Alter von z.B. 12 stehen geblieben wäre. Und ich wäre einfach weniger selbstbewusst glaube ich. Die körperliche Unterlegenheit würde kaum je wirklich eine Rolle spielen, aber es hätte über die Jahre bestimmt psychologisch Einfluss gehabt. Einerseits hätte ich mich vielleicht so daran gewöhnt das es mir selbst nicht mal besonders bewusst wäre, aber es wäre bestimmt irgendwie da… Und Frauen haben das ja schon als Kinder gelernt, so wie Männer das Gegenteil gelernt haben. Es ist ja sogar so dass Männer irgendwann „lernen“ müssen ihre physische Überlegenheit nicht einzusetzen. Denn als Kinder haben wir Männer das (fast) alle sehr oft getan. Damit meine ich jetzt nicht zwingend krasse Schlägereien aber Auseinandersetzungen sind bei Jungen (unter 10 z.B.) oft physisch und unter Jugendlichen (also z.B. mit 16) ist es dann immer noch normal das mindestens subtil-drohend einzusetzen.
Und das sind einfach echt total gegensätzliche Perspektiven deren psychischer Einfluss vermutlich total unterschätzt wird. Vielleicht ist dieser Unterschied sogar gerade in einer westlichen Gesellschaft, in der es vergleichsweise gleichberechtigt zugeht, zu unbewusst geworden und wird daher auch vom Gesetz möglicherweise viel zu wenig berücksichtigt.