Hm.
@martina weigt ... worum gings dir mit diesem "Buch"? Ich habe jetzt auch reingelesen.

... ich checks nicht.
Allerdings und im Kontext des Fadens:
Und jetzt mal ganz ehrlich, wir kommen alle in diese Opferstellung, vor allen Dingen, wenn wir noch klein sind.
Dann gibt es noch das heikle Thema "Mißbrauch". Wie übernehme ich da die Verantwortung? Kann ich sie überhaupt übernehmen? Ja, ich kann.
Und wie, das will ich jetzt mal erzählen, und das kann ich auf alles anwenden, was andere Menschen mit mir tun oder sagen.
Als kleines Mädchen wurde ich mißbraucht. Ich konnte mich nicht wehren, nicht Nein sagen, ich konnte es nicht weitererzählen an Menschen, die ich meine, mich beschützen zu müssen. Warum? Einmal, weil ich Angst hatte, zum zweiten, weil mir vielleicht nicht geglaubt wurde und zum dritten, weil ich noch keine Verantwortung für mich übernehmen konnte.
Ich übernehme heute die Verantwortung dafür, heute, jetzt. Ich stelle mir dieses kleine Mädchen vor, erfahre ihre Gefühle, ihre Ängste und heute bin ich die, die die Verantwortung übernimmt dafür. Ich werde eins mit diesem Kind. Heute mache ich den Mund auf, heute traue ich mich. Ich transformiere sozusagen, denn dieses Kind spricht ja ohne Worte zu mir, ich weiß ja genau, wie es sich gefühlt hat. Und heute nehme ich dieses Kind virtuell in den Arm, sage, "ich verstehe dich. Ich weiß, was du für eine Angst hattest. Du konntest gar nicht anders. Ich übernehme die Verantwortung für das, was dir passiert ist, denn damals konnte ich es nicht. Damals hatte ich ja auch diese Angst."
Und dann kann ich aus heutiger Sicht handeln. Und damit komme ich in die Verantwortung. Dann kann ich jetzt mir verzeihen. Es ist egal, wie ich das mache, ob ich dem Täter verzeihe oder ihn anzeige, ihn anspreche oder ob ich es meinen Eltern erzähle. Für das alles übernehme ich jetzt die Veranwortung und genau damit bin ich aus der Opferrolle raus.
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Inwieweit übernimmst du die Verantwortung für das was passiert ist? Also worin genau vollzieht sich dieses Verantwortung übernehmen? Das einfach zu behaupten ist doch noch nicht der Vollzug. Wie will jemand, insbesondere Kinder, verantwortlich sein für den Missbrauch den ein Missbraucher begeht?
Oder meinst du mit "das was passiert ist" dein Schweigen hinterher, für das du heute die Verantwortung übernimmst?
Ich glaube, viele hier haben ähnliches erlebt, es werden zumindest immer mehr, die es ansprechen. Und vergessen wir nicht die, die es nicht erzählen, was auch vollkommen in Ordnung und verständlich ist. Und viele hier, die es selbst erlebt haben - wir - berichten über einen ähnlichen Weg damit umzugehen. Und dabei geht es nicht um die Details, wie z. B. beten, Rituale, Therapie....
... Sondern, dass die Schuld für die Taten da belassen wird, wo sie hingehört, nämlich beim Täter. Und das war auch für mich lange sehr schwer. Weil mir immer was anderes suggeriert wurde, da die, die mich hätten schützen sollen oder mir zumindest hätten helfen können, es wie die Täter auch, mir angelastet haben, weil sie selbst unter dieser Manipulation erzogen wurden. Und ich es dann irgendwann selbst geglaubt habe. Da ich es aber nicht verstehen konnte, wie und warum, kam ich auf der Suche selbst auf diese ganzen (esoterischen, nicht verschwörungstheoretischen) Konzepte, von Lernaufgabe, Selbstverantwortung für erfahrene Gewalt, Resonanz, Licht und Liebe, Vergebung.... Und eine nicht zu unterschätzende Zeitspanne lang, hat dieser Selbstbetrug auch vermeintlich funktioniert (und damit alle Therapien bis dahin sinnlos gemacht).
Die Strategie um mich selbst zu überzeugen war, es als allumfassende Wahrheit an meine Mitmenschen heranzutragen. Zum Einen, weil ich über meinen Schmerz mit niemandem reden konnte, war ich doch selbst schuld, der Schmerz stand mir also eigentlich gar nicht zu. Zum anderen, weil es dennoch seinen Weg raus gesucht hat und ich nach Verständnis gesucht habe und Gleichgesinnten.
Damit habe ich aber anderen das angetan, was mit mir gemacht wurde. Ich suggerierte ihnen, sie seien für das, was ihnen angetan wurde, selbst verantwortlich, im Sinne von selbst schuld. Das es darauf hinausläuft, dass es um Schuld geht, wollte und konnte ich nicht sehen, weil ich absolut von der Richtigkeit meiner "Wahrheit" überzeugt war. Es war eine in sich geschlossene und selbstbestätigende Ideologie, in der ich mich vor der Wirklichkeit verschlossen und versteckt habe, aus Schutz vor der eigentlichen Wahrheit. Und auch hier gab es gleichwohl Menschen, von denen ich diese Konzepte gelernt habe, die mich in einer absolut labilen Lage ausgenutzt und in meinem Selbstbetrug unterstützt haben und dem Ganzen erst Recht Futter gaben. Der Kreislauf wird immer wieder weitergeführt.
Aber auf Dauer kann man so nicht leben. Man kommt nicht weiter, hängt in einer ständigen Rechtfertigungsspirale, weil man die eigentlichen Fehler im Konstrukt zwar doch sieht, sie aber ignoriert, Ausreden dafür findet. Aus Angst.
Und hier liegt die Selbstverantwortung, ehrlich sich selbst gegenüber zu sein, sich selbst zu hinterfragen, und sich trotz aller Angst den schmerzlichen Emotionen und Erinnerungen zu stellen und diesen Kreislauf zu durchbrechen. Die Psychotherapie konnte erst Früchte tragen, als ich selbst meine Muster erkannt und die Lügen losgelassen habe.
Was passiert ist, kann man nicht ändern. Aber im Hier und Jetzt kann ich anfangen etwas zu verändern, es besser zu machen. Sich der eigenen Fehlbarkeit stellen und der eigenen Verletzlichkeit. Erkennen und akzeptieren, dass man tatsächlich ein Opfer war. Aber jetzt nicht mehr, denn jetzt kann ich konstruktive Verarbeitungs- und Handlungsstrategien erlernen und anwenden, die mir in all der Zeit vorher fehlten. Dafür benötigt man Hilfe und Unterstützung, wofür man sich nicht schämen muss.
Ich habe zeitweise immer noch schwere Depressionen und schreibe meine temporären Gefühle und Gedanken ebenfalls auf. Aber um sie mir bewusst zu machen und dann loslassen zu können, bevor sie sich wieder toxisch manifestieren. Viele Muster und Folgen gehen auch nicht auf die Vergewaltigungen zurück, sondern auf den Psychoterror einer Soziopathin, unter deren Einfluss ich aufgewachsen bin. Und auch da fällt es mir heute noch schwer, die Schuld bei ihr zu belassen. Aber auch hier liegt in mir "nur" die Verantwortung, dass ich an den Folgen arbeite, aber nicht in dem ich Verantwortung für ihr Handeln übernehme. Rechtfertigungen für diese Person gibt es keine mehr.
Was ich verziehen habe war, dass ich solange gebraucht habe, um Fakten zu schaffen, die Verantwortlichen zur Rechenschaft zu ziehen, bei denen es möglich war und dass ich mich selbst so lange gegeißelt habe. Ich könnte noch versuchen mir selbst verzeihen zu wollen, anderen die selben Lügen eingeredet zu haben, was ich aber nicht kann. Das ist etwas, mit dem ich leben muss. Ich kann das heute nur anders machen. Die Therapien sind seit dem effektiv und haben mir sehr geholfen, auch Medikamente.
Und ja, es ist unbeschreiblich schmerzlich und anstrengend. Aber sich der Wahrheit zu stellen lohnt sich, da erst dann Heilung beginnen kann.