Menschen, die den Unterschied zwischen Hass und Verachtung nicht kennen, darf man getrost verachten.
Das Problem an Verachtung besteht jedoch darin, dass sie immer auch gegen sich selbst, also gegen den Verachtenden, gerichtet ist. Der Verachtende ist nicht in der Lage, gewisse Anteile seiner selbst anzunehmen, und muss erkennen, wie er sich im Grunde genommen vom Verachteten nicht wesentlich unterscheidet.
Die heute weitverbreitete Äusserung von Verachtung "echter Monster" gegenüber wie Hitler ist ein nicht sehr raffinierter Versuch zu verdrängen, dass ein kleiner Hitler in jedem von uns lebt. Würden wir ihn bloss hassen, so wären wir uns selbst begegnet, wären wir unbedingt ehrlich zu uns selbst. Weil wir nicht ehrlich zu uns selbst sein wollen, verachten wir ihn lieber. Das ist weitaus bequemer. Da können wir uns selbst vormachen, das Schlechte sei zwar irgendwo da draussen, nicht jedoch auch in uns selbst.
Ähnliches gilt für Kinderschänder usw. Die Tatsache, dass prinzipiell jeder Mensch einen gewissen Gefallen im Angesicht von ausgeübter, brutaler Gewalt empfindet (ganz besonders wenn sie ein sexuelles Element beinhaltet), wird aufs Strengste verdrängt. Darum überbieten sich die Menschen schnell, wenn es um die Bestrafung ebensolcher Personen geht: Lebenslange Verwahrung, Todesstrafe, Kastration, elektronischer Sender usw. Wir nehmen es lieber in Kauf, selbst "im Auftrag der Gerechtigeit" zu (natürlich völlig humanen) Monstern zu werden, anstatt uns ehrlich im Spiegel zu begegnen und erschrocken zuzugeben, dass dieses Monster schon seit langem in uns steckt.
Und weil das nun mal so ist, wird der Mensch auch in Zukunft weiterhin Kriege führen, andere abschlachten, vergewaltigen, selbstverständlich nur im Auftrag des Guten. Denn das Monster ist überall da draussen, nur nicht in uns selbst.