Ach Du meine Güte, was für ein Thread. Nach Medizin- u. Pharmabashing nun auch nix wie Verachtung für die Schule!
Da wird ein zweitklassiger Neurowissenschaftler bejubelt, schließlich bestätigt er schon laaange gefühltes „Elternwissen“, und dann geißelt sogar ein Philosoph unser Schulsystem, dass unsere Kinder einem „seelenlosen Bewertungswahn“ aussetzt . Selbst wenn er sich bei seinen „Thesen“ am laufenden Meter selbst wiederspricht. Was macht das schon, in schöne hohle Phrasen gegossen geht das ängstlichen Eltern wie Öl die Kehle hinunter.
Da werden die kümmerlichen Reste von selbständigem Denken ausgeschaltet und die krudesten Zahlen unhinterfragt übernommen – 98% der Kinder sind vor der Einschulung hochbegabt!!!!! Juhuuuu, auch mein Kind!!!! Das muss einfach stimmen. Offensichtlich gibt es nix kränkenderes für esophile Eltern, als normalbegabte Kinder (grad so, als wenn ein normalbegabtes Kind nix besonderes wäre).
Bildungsrevolution muss her (was immer mit diesem Schwurbelbegriff gemeint ist), selbst wenn das Ergebnis schleichende Unbildung und verringerte Kompetenz in Kulturtechniken bedeutet.
Oder die lieben Kleinen werden ganz einfach tendenziösen, sektiererischen Privatschulsystemen ausgeliefert. Wen kümmert ideologische Indoktrination solange es nicht mit „frontalem stumpfen Wissen“ einhergeht.
Schulbildung ist der wichtigste Einstieg in ein einigermaßen selbstbestimmtes Leben. Wer nicht in vollem Umfang sinnerfassend Lesen kann, dem entgehen nicht nur unzählige inspirierende Werke der Weltliteratur, der kann auch von jedem Arbeitgeber, jeder Versicherung und jedem Rattenfänger über den Tisch gezogen werden. Wer sich schriftlich nicht halbwegs ausdrücken kann, der hat nicht nur erhebliche Nachteile einen einigermaßen gut bezahlten Job zu finden, der hat oft auch Schwierigkeiten ernstgenommen zu werden, wenn er Anliegen formuliert.
Wer mit Mengenbegriffen, den Grundrechnungsarten, Schätzverfahren uäm. Probleme hat, der tut sich wahrscheinlich nicht nur beim Einkaufen oder im Umgang mit Geld schwer, der kann grundlegende Informationen nicht hinterfragen!
Allgemeinbildung, politische Bildung, Geschichte und Philosophie gehören m.E. zu jenen grundlegenden Inhalten, die es uns erst ermöglichen gesellschaftliche Entwicklungen einzuordnen, zu hinterfragen oder Konzepte für Veränderungen zu entwickeln.
Zudem ist unser Schulsystem für viele Kinder aus eher bildungsfernen Familien die einzige Möglichkeit auf Chancenverbesserung.
Am jetzigen Schulsystem ist sicher einiges kritikwürdig, wie z.B. die frühe Entscheidung, welcher Bildungsweg eingeschlagen werden soll, aber die geistige Entwicklung der Kinder verkrüppelt es sicher nicht – da sehe ich die Rolle ehrgeiziger Mittelstandseltern oder verklärter überängstlicher Eso-Eltern wesentlich kritischer!
Und weil hier Seneca angeführt wurde:
"Wenn ein Seemann nicht weiß, welches Ufer er ansteuern muß, dann ist kein Wind der richtige."