Trauma

SunnyAfternoon schrieb:
Ich hab mich keinesfalls zusammengerissen, ich hab Freund und Feind angeheult, wenn mir danach war. Vielleicht half mir auch meine Offenheit. Ich hab als Kind schon keinen Hehl daraus gemacht, was mir widerfahren ist.

Hi Sunny,:)

ich glaube, genau darum geht es. Um das Aussprechen, um das Mitteilen, um die Anteilnahme der anderen und dann um das Wissen, dass nicht du, sondern der Täter falsch gehandelt hat.

Das ist ja bei Missbrauchopfern ja das vertrakte: Sie glauben ja oft (besonders Kinder), dass sie selber dazu beigetragen haben, den Täter zu ermuntern, denn warum sonst hätte er sich gerade dieses Opfer ausgesucht?

Und schon wird geschwiegen, vielleicht jahrelang und die Wunde schwelt und eitert immer weiter und wird größer und größer.....


LG
Juppi
 
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ich würde es eher so formulieren: Jedes Opfer hat das Recht, mit seinem Leid anerkannt zu werden. Ich möchte kein Opfer mehr als Opfer sehen, zum Zeitpunkt der Tat schon, danach jedoch nicht mehr. Aber das Leid, welches ein Opfer mit sich rumschleppt, muss von anderen Menschen gesehen werden, damit das Opfer die Chance hat, es aufzulösen.
Mit wegdrängen und -schieben löst sich Schmerz und Leid nicht auf, sondern agiert destruktiv aus dem Unbewussten heraus...
 
Genau das Aussprechen hilft, es ist schön, daß Du das kannst SunnyAfternoon. Und es ist schön, daß man Dir zugehört hat, da freue ich mich sehr für Dich. Und daß Du bis zum Missbrauch eine gute Kindheit hattest, das ist sehr wichtig.

Leider haben das viele Missbrauchsopfer nicht, da gibts nichts gesundes, wo sie drauf bauen können. Mit anderen reden ist da auch nichts, wenn es keiner hören will und man eine am Deckel kriegt, wenn man was sagt. Was soll ein 5-jähriges Kind dann tun? Oder ein 8-jähriges?
Trotzdem sagen viele Leute, daß sie sich zusammenreissen sollen. Sie sagen den Kindern, daß es ihnen ja eh gut geht. Die Mutter schimpft, weil man traurig ist.
Das Leid will kaum einer sehen und erst recht nicht anerkennen.
Und wenn die Kinder dann erwachsen sind, will es erst recht keiner sehen und hören.
Da steht man dann schnell allein da.
 
Reden alleine führt nicht aus dem Trauma heraus. Da braucht es auch Zuhörer, die einem das Gefühle geben, dass sie einem glauben. Und die mit einem versuchen einen Ausgang aus diesem Kreislauf zu finden.

Im Moment habe ich mit einem Thema zu tun, bei dem ich fast glaube, dass es sich um eine posttraumatische Belastungsstörung handelt. Egal, an wen ich mich mit dem Thema wandt, ich wurde weiter verwiesen, oder mir wurde gesagt, dass das ja schon längst vorbei sei. (so wie erst heute früh am Telefon bei einer ausgebildeten Beraterin, keine Eso-Line!)

Ich komme mir vor, als ob ich ein Phantast sei, der sich das alles zusammenspinnt. An wen ich mich bisher gewandt habe, habe ich mich nachher schlimmer gefühlt als vorher und was am aller-aller-schlimmsten ist, ich wurde so nebenbei zum Täter und habe deswegen heute noch mit einer Schuld zu tun, mit der ich nicht mehr klar komme. - Warum schreibe ich das hier, weil ich nicht weiß, wo ich es schreiben kann. Würde ich mich hier persönlich outen, um was es geht, dann müsste ich mit weiteren Angriffen oder Verniedlichungen rechnen, wozu ich keine Lust mehr habe. Und zu einem Therapeuten habe ich auch keine Lust mehr geshcickt zu werden, weil ich schon genügend verschlissen habe, bei denen ich mich immer wieder rechtfertigen musste.

Es ist schon so, man braucht als Opfer ein paar Streicheleinheiten, und zwar auch deswegen, damit der Kopf wieder frei wird und die Abwehrhaltung kleiner werden kann. Umso mehr man als Opfer belächelt wird, umso mehr wird man zum Täter gemacht. So ganz nebenbei, ist meine Erfahrung.

Ich habe auch schon geschaut, ob es eine IG gibt, gibt es aber nicht.

Ich habe auch keine Lust mehr auf pseudo-psychologische Weisheiten, so nach dem Motto: was dir wiederfährt, das gibt es in deinem Inneren. Oder so ähnlich, oder dass zwischen dem anderen und mir Gemeinsamheiten bestehen. Das zieht mich runter!

Pluto :tomate::confused:
 
Hi Sunny,:)

ich glaube, genau darum geht es. Um das Aussprechen, um das Mitteilen, um die Anteilnahme der anderen und dann um das Wissen, dass nicht du, sondern der Täter falsch gehandelt hat.

Das ist ja bei Missbrauchopfern ja das vertrakte: Sie glauben ja oft (besonders Kinder), dass sie selber dazu beigetragen haben, den Täter zu ermuntern, denn warum sonst hätte er sich gerade dieses Opfer ausgesucht?

Und schon wird geschwiegen, vielleicht jahrelang und die Wunde schwelt und eitert immer weiter und wird größer und größer.....


LG
Juppi

Ach, da hab ích schon auch einige nette Sachen erlebt. Die Mutter meines Stiefvaters jammerte überall herum, dass ihr armer Bub ins Gefängnis muß, weil ich ihn verführt hätte (ich war 10....:eek:), aber meine Mutter hatte ihr schon gehörig den Marsch geblasen!

Der Schuldirektor der neuen Schule, in die ich dann kam, setzte mich gleich mal in die letzte Bank, damit ich die anderen Kinder nicht verderben könne (dieses bigotte A.....loch)...Da könnte ich ein Buch drüber schreiben.

Was ich aber ganz sicher glaube, ist für mich das "Glück", dass ich schwanger wurde. Klingt jetzt ein bisschen paradox, denn eine Zwillingsschwangerschaft mit 10 Jahren ist kein Pappenstiel.

Aber das Unrecht wurde sichtbar gemacht, es gab eine Verhandlung, ich war das Opfer, der Täter wurde bestraft. Da gabs nichts zu rütteln.

Wäre ich nicht schwanger geworden, wäre der Mißbrauch wahrscheinlich jahrelang weiter gegangen, was wahrscheinlich für mich traumatischere Folgen gehabt hätte....
 
na ja,
nachdem friendlyviolet nicht erzählt was traumatisiert hat und wie sich das trauma äußert -
ist doch alles was gesagt werden kann ein tappen im dunkeln.

ich erzähle ganz einfach was ich erlebt habe - vielleicht hilfts weiter - vielleicht liege ich komplett daneben.

ich wurde als fünfjährige opfer eines exhibitionisten.
die geschichte fand statt im erdgeschoß des hauses, in dem ich mit meinen eltern gewohnt habe - im dritten stock.
ich hatte jahrelang alpträume.
ich träumte ich würde vor etwas flüchten - aus der wohnung der eltern.
die stiegen bin ich hinunter geflogen - aber von da an wo mir der der mann aufgelauert hatte, konnte ich nicht mehr weiter.
ich bin jedesmal schweißnass aufgewacht.

als ich etwas älter wurde und abends ausgehen durfte, hatte ich panische angst vor dem hausflur und dem stiegenhaus. ich fürchtete das minutenlicht könnte ausgehen, bevor ich in der elterlichen wohnung in sicherheit wäre.
also bin ich die drei stockwerke jedes mal in panik hoch gerannt.

dann habe ich eines tages einen entschluss gefasst.
ich bin in den hausflur rein gegangen - hab noch nicht mal das licht aufgedreht - sondern bin ganz langsam im dunkeln die drei stockwerke hinauf gegangen.
die überwindung war eine gigantische.
ich hatte den traum nie wieder.
 
Reden alleine führt nicht aus dem Trauma heraus. Da braucht es auch Zuhörer, die einem das Gefühle geben, dass sie einem glauben. Und die mit einem versuchen einen Ausgang aus diesem Kreislauf zu finden.

Im Moment habe ich mit einem Thema zu tun, bei dem ich fast glaube, dass es sich um eine posttraumatische Belastungsstörung handelt. Egal, an wen ich mich mit dem Thema wandt, ich wurde weiter verwiesen, oder mir wurde gesagt, dass das ja schon längst vorbei sei. (so wie erst heute früh am Telefon bei einer ausgebildeten Beraterin, keine Eso-Line!)

Ich komme mir vor, als ob ich ein Phantast sei, der sich das alles zusammenspinnt. An wen ich mich bisher gewandt habe, habe ich mich nachher schlimmer gefühlt als vorher und was am aller-aller-schlimmsten ist, ich wurde so nebenbei zum Täter und habe deswegen heute noch mit einer Schuld zu tun, mit der ich nicht mehr klar komme. - Warum schreibe ich das hier, weil ich nicht weiß, wo ich es schreiben kann. Würde ich mich hier persönlich outen, um was es geht, dann müsste ich mit weiteren Angriffen oder Verniedlichungen rechnen, wozu ich keine Lust mehr habe. Und zu einem Therapeuten habe ich auch keine Lust mehr geshcickt zu werden, weil ich schon genügend verschlissen habe, bei denen ich mich immer wieder rechtfertigen musste.

Es ist schon so, man braucht als Opfer ein paar Streicheleinheiten, und zwar auch deswegen, damit der Kopf wieder frei wird und die Abwehrhaltung kleiner werden kann. Umso mehr man als Opfer belächelt wird, umso mehr wird man zum Täter gemacht. So ganz nebenbei, ist meine Erfahrung.

Ich habe auch schon geschaut, ob es eine IG gibt, gibt es aber nicht.

Ich habe auch keine Lust mehr auf pseudo-psychologische Weisheiten, so nach dem Motto: was dir wiederfährt, das gibt es in deinem Inneren. Oder so ähnlich, oder dass zwischen dem anderen und mir Gemeinsamheiten bestehen. Das zieht mich runter!

Pluto :tomate::confused:


Du sagst es!
Es ist sehr verletzend, wenn man gesagt bekommt, daß es ja schon lange her ist, die kanzeln einen ab, weil man Hilfe sucht.
Man soll sich ja gefälligst zusammen reissen.

Ich versteh Dich gut.:trost:
 
Ach, da hab ích schon auch einige nette Sachen erlebt. Die Mutter meines Stiefvaters jammerte überall herum, dass ihr armer Bub ins Gefängnis muß, weil ich ihn verführt hätte (ich war 10....:eek:), aber meine Mutter hatte ihr schon gehörig den Marsch geblasen!

Der Schuldirektor der neuen Schule, in die ich dann kam, setzte mich gleich mal in die letzte Bank, damit ich die anderen Kinder nicht verderben könne (dieses bigotte A.....loch)...Da könnte ich ein Buch drüber schreiben.

Was ich aber ganz sicher glaube, ist für mich das "Glück", dass ich schwanger wurde. Klingt jetzt ein bisschen paradox, denn eine Zwillingsschwangerschaft mit 10 Jahren ist kein Pappenstiel.

Aber das Unrecht wurde sichtbar gemacht, es gab eine Verhandlung, ich war das Opfer, der Täter wurde bestraft. Da gabs nichts zu rütteln.

Wäre ich nicht schwanger geworden, wäre der Mißbrauch wahrscheinlich jahrelang weiter gegangen, was wahrscheinlich für mich traumatischere Folgen gehabt hätte....

Hi Sunny,

uiiiii, wenn ich so etwas lese, überkommt mich echt die Wut. Wie können Menschen einem Kind - wohlgemerkt einem mißbrauchten Kind - danach noch so etwas antun? :wut1:
Gut, es war damals eine unaufgeklärte Zeit und Missbrauch wurde wahrscheinlich eh nicht benannt, weil ja "nicht sein kann, was nicht sein darf".....Durch deine Schwangerschaft konnte man den Mißbrauch aber nicht mehr vertuschen...Nur: Warum suchen die Menschen dann nach der Aufdeckung solcher Machenschaften die Schuld bei einem kleinen 10-jährigen Mädchen? :rolleyes:

Gut, daß du diese ganzen Abartigkeiten so gut verkraftet hast.....Du mußtest in deinem Leben eine ganze Menge einstecken....Eigentlich reicht das Erlebte für vier Lebenszeiten.....:rolleyes:

Hier ein Bild für dich.....Hab ich heute Abend fotographiert...Das Licht war noch so schön draußen.....
Ich hoffe, die norddeutsche Tiefebene gefällt dir Ende August......:)

s2toiw.jpg





LG
U.
 
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nachdem ich jetzt alles gelesen habe komme ich mir mit meinem beitrag ziemlich blöd vor - war ja eine vergleichsweise harmlose geschichte, die ich da aufzuarbeiten hatte -
ich meine die geschichte von der ich erzählt habe.

dennoch - die grundaussage stimmt schon.
was geschen ist kann keiner rückgängig machen - man kann nur sehen, wie man das beste daraus macht.

sunny -
du sprichst mir aus der seele -
mein sohn hat vor noch nicht mal sechs monaten selbstmord begangen.
ich habe immer aus all den schrecklichen dingen die mir wiederfahren sind versucht das beste zu machen -
in jedem schlag auch das positive zu erkennen -
chance und auftrag zur weiterentwicklung.
weiter geholfen hat mir auch immer meine offenheit -
und so versuche ich auch jetzt selbst im freitod meines sohnes noch das positive zu erkennen, und auch darin dass mir alle die schuld daran zuweisen.
obwohl ich die einzige war, die für ihn da war - in 13 jahren schizoaffektiver psychose.
ich sitze hier am computer in seinen räumen mit den wild bemalten und beschriebenen wänden - da wo ich ihn aufgefunden habe - seine asche gleich neben mir.
hier fühle ich mich am wohlsten - dem wunderbarsten menschen nahe, dem einzigen, der mich je verstanden hat, so wie ich ihn....
 
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