Hallo Route666
Route666 schrieb:
Wenn jemand verbreitet, dass die tibetische Kultur auf rituellen Tötungspraktiken an Menschen in allen Variationen beruht, dieser Mensch aber nicht einen einzigen Fall von ritueller Tötung belegen kann, dann muss er sich herbe Kritik von mir gefallen lassen.
Wenn es dir schon zu viel Mühe macht, dir den Text selber einmal durchzulesen, so wollen wir doch bei der Wahrheit bleiben. Ich habe nicht gesagt, dass die tibetische Kultur auf rituellen Tötungspraktiken beruht, sondern dass diese rituellen Tötungsdelikte in den Tantras erwähnt werden. Dazu schreibt
trimondi:
Morde finden in den Tantras (Heiligen Texten) eine sakrale Legitimation: Etwa in den Riten des Hevajra Tantra: "Nachdem Du deine Absicht dem Guru und den vollendeten Wesen (Buddhas) kundgetan hast," - heißt es dort - "führe den Tötungsritus an einer Person durch, die nicht an die Lehren des Buddhas glaubt, sowie an den Verleumdern der Gurus und Buddhas. Man sollte eine solche Person in seiner Imagination hervorbringen, ihre Form mit dem Kopf nach unten visualisieren, wie sie Blut erbricht, zittert und mit zerzausten Haaren. Dann stelle man sich eine glühende Nadel vor, die in ihren Rücken eindringt. Wenn Du dann die Ursilbe des Feuerelements in ihr Herz hinein imaginierst, wird sie im selben Augenblick getötet." (Farrow, 276)
Auch im Guhyasamaja Tantra wird wie im Voodoo Zauber gelehrt, Abbilder des Gegners herzustellen und diesem "mörderische" Verletzungen beizufügen, welche sich dann in der Realität verwirklichen: "Mit Kreide oder Kohle oder dergleichen zeichnet man einen Mann oder eine Frau. Man projiziert in die Hand eine Axt. Dann projiziert man, wie der Hals durchgeschnitten ist." (Gäng, 225)
An anderer Stelle wird der Feind verhext, vergiftet, versklavt oder paralysiert. Entsprechende Sätze gibt es im Kalachakra Tantra. Auch dort fordert man den Adepten auf, ein Wesen, das die buddhistische Lehre verletzt hat, zu ermorden. Der Text verlangt jedoch, dass dies mit Mitgefühl zu geschehen habe. (Dalai Lama XIV, 1985, 349)
Es gibt zwar eine Diskussion darüber, ob solche Ritualakte wörtlich oder nur symbolisch verstanden werden müssen - aber die lamaistischen (!) Kommentatoren sind sich hierin keineswegs einig. Auf jeden Fall kennen wir mehrere Fälle aus der tibetischen (!) Geschichtsschreibung, die bezeugen, dass derartige rituelle Tötungen real durchgeführt wurden.
Im Kapitel "Schwarze Magie und Schadenzauber" berichtet der Ethnologe Schuster über todbringende Zauberakte, vom Giftmischen, vom Absaugen des Lebensatems u. ä.. "Eine der kompliziertesten Methoden, den Tod eines Feindes, ja, einer ganzen Familie herbeizuführen, war das Vergraben eines Unheils bringenden Zauberhorns am Wohnort des Opfers." (115) Dass es sich hierbei nicht nur um die Akte marginalisierter Schwarzmagier handelte, zeigt das Kapitel "machtvoller Feindzauber im Dienste des Staates". (120 ff.)
Der Staat war ganz besonders unter dem V. Dalai Lama an solch groß angelegten Tötungszeremonien interessiert, die mit der erregten Phantasie eines westlichen Horrorautors konkurrieren können. Aber auch unter dem XIII und XIV Dalai Lama (als dieser noch ein Kind war) hat man diesen "Feindzauber" durchgeführt. Schuster: "In einer Gesellschaft, in der das Magische eine so bedeutende Rolle spielte, ist es nicht weiter verwunderlich, dass auch von staatlicher Seite Zuflucht zu schwarzmagischen Praktiken genommen wurde." (120) Schuster beschreibt drei staatliche Vernichtungsrituale, die wir auch in unserem Buch (Der Schatten des Dalai Lama) beschreiben.
Der V. Dalai Lama, auf den sich der XIV Dalai Lama als seinem bedeutendsten Vorläufer immer wieder beruft, war ein Meister des Horrors, dessen Machtvisionen vor nichts Halt machen. Zur Durchsetzung seiner Ziele dienten ihm die finstersten Voodoo Techniken. Eine davon, die auch bei Schuster erwähnt wird (p. 115 f.), haben wir in Der Schatten des Dalai Lama (p. 563) beschrieben:
Unter dem V Dalai Lama wurden die magischen Tötungspraktiken Teil der hohen Staatspolitik. Der "Große Fünfte" ließ ein grauenhaftes "Rezeptbuch" (das Goldene Manuskript) anfertigen, das sich ausschließlich mit magischen Techniken zur Feindvernichtung beschäftigte. Darin sind auch mehrere Variationen des sogenannten gan tad Rituals beschrieben:
In das Zentrum eines Kreises wird ein Mann oder eine Frau gezeichnet, die das Opfer darstellen. An Händen und Füßen sind sie durch schwere Ketten gefesselt. Um die Figur herum hat der Tantra Meister Schadsprüche aufgeschrieben, wie die folgenden. "Das Leben sei abgeschnitten, das Herz sei abgeschnitten, der Körper sei abgeschnitten, die Macht sei abgeschnitten, die Herkunft sei abgeschnitten." (Nebesky -Wojkowitz, 483)
Das letztere bedeutet, dass auch die Verwandten des Opfers vernichtet werden sollen. Jetzt muss das Menstruationsblut einer Prostituierten auf die Beschwörungsformeln getropft werden, Haare und Nägel werden der gezeichneten Figur beigegeben. Nach einigen Texten genügt ein wenig Erde von einem Fußabtritt oder etwas Putz vom Hause des Opfers. Dann faltet der Ritualmeister das Papier in ein Stoffstück.
Das Ganze wird mit weiteren grauenhaften Ingredienzien, deren Aufzählung wir uns ersparen möchten, in ein Yakhorn gestopft. Das Ritual ist in Handschuhen durchzuführen, da die Substanzen auf den Magier sehr schädliche Auswirkungen haben könnten, wenn er sie berührt. Auf einem Friedhof beschwört er ein Heer von Dämonen, sich auf das Horn zu stürzen und es mit ihrer zerstörerischen Energie zu schwängern. Dann wird es auf dem Grundstück des Feindes vergraben, der bald darauf stirbt.
Wundert es dich wirklich, dass in einer Kultur, in der tiefer mythologischer Aberglaube vorherrschte, die nie besonders mitfühlend mit der eigenen Bevölkerung umgegangen ist und eine grausame Justiz hatte, dort solche Praktiken vorzufinden? Mich nicht.
Alles Liebe. Gerrit