Liebe wildsau
Danke dass du so ausführlich geantwortet hast, ich war zu platt dafür, es ist psychologisch sehr schwierig überhaupt an den Punkt zu kommen wo man dieses so als Wahrheit begreifen kann, noch mal schwieriger das dann so nach aussen zu bringen und nicht zu wissen wie andere darauf reagieren.
Man wartet ja eigentlich darauf dafür kritisiert und in Frage gestellt zu werden und ich bin sehr erleichtert dass die Antworten doch sehr unterstützend und einstimmig ausgefallen sind.
Deine beiden Beiträge drehen sich ja nun doch zum allergrößten Teil um die zweite Form der Täterloyalität - der des Systems.
Ja, da hast du Recht, weil es mit dem Erwachsenen-Ich wesentlich leichter ist die heutige Sichtweise darzustellen als Zugang zum Kindheits-Ich zu finden.
Ich kann ja teilweise nur raten wie es damals war, vieles wurde aus Überlebensgründen verdrängt oder vergessen, deshalb gibt es viele Lücken, es lässt sich nicht alles leicht rekonstruieren.
Manchmal hat man einen Flashback und sieht bestimmte Szenen oder man hat einen Trigger, das sind dann aber nur die Roh-Emotionen.
Was man konkret gedacht oder gefühlt hat ist teilweise zu verschwommen.
Mit deiner Frage zum Schluss:
stellt sich mir die Frage, ob du dir nicht nochmal die erste Form genauer anschauen solltest, und dir überlegen, wo du nach wie vor innerlich dem Täter loyal bist.
Ja, absolut !
Rückwirkend muss ich davon ausgehen dass ich als Kind sehr mitfühlend mit dem Täter war, es hat ihm innere Erleichterung verschafft mich zu schlagen und da ich symbiotisch mit seiner Identität verschmolzen war, waren seine Probleme auch meine,
seine Erleichterung hat mich auch erleichtert, es hat mir damals sicher nichts ausgemacht mir Schuld geben zu lassen, mir die Verantwortung für sein Wohlbefinden aufbürden zu lassen oder mich bei Misserfolg eben auch zu schämen.
Wahrscheinlich gibt es sehr viele Kinder, die unbewusst ihre Eltern heilen wollen weil sie in dem Alter diese ganz natürliche Liebe und Empathie in sich tragen.
Wenn man sich als Erwachsener von dem Täter trennt, dann kann es sein dass man das Kind mit dem Bade ausschüttet und sich auch von seiner eigenen Liebesfähigkeit und Empathie trennt, bei mir war es so.
Ich hatte den Eindruck dass ich durch meinen damaligen Selbstmordversuch bis heute auch irgendwie einen Teil meiner Seele verloren habe und ich möchte das Gute und Weiche in mir das Heilen wollende gerne zurück.
Aber ich habe Angst vor den Schmerzen, die es bringen könnte wieder in so einem Muster zu landen.
Man gibt als Kind das allerbeste von sich, würde selbst noch sein eigenes Leben geben und es ist trotzdem nicht genug, das fühlt sich echt Scheisse an, zerstörte Unschuld !!!
Meine Mutter hatte mir damals sogar noch ins Gesicht gesagt: "Na dann bring dich doch um, dann habe ich wenigstens einen Grund dich einweisen zu lassen !"
Ich hatte ihr nicht geglaubt, denn sie war ja meine Mutter.
Ich hatte nicht geglaubt dass sie auch Ärzte und Jugendamt anlügen würden.
Wie fühlt sich das an als Gewaltopfer zwangseingewiesen zu werden und für den Täter geht alles normal weiter ?
Weggeworfen zu werden wie ein Stück Müll und dann noch das Stigma tragen zu müssen, ach du bist doch krank, ohne Diagnose versteht sich.
Die Ärzte waren verplichtet mich wegen Eigengefährdung einzuweisen und eine Zeit zur Beobachtung dazulassen bis ich stationär eine Therapie angefangen hatte, die ich aber nicht wollte, weil das ja eigentlich ungerecht war.
Aber ich war danach eben nie mehr der gleiche Mensch wie vorher.
Den Zusammenbruch hatte ich erst dort, aus dem tiefsten Gefühl der Ohnmacht und Einsamkeit heraus.
Man hatte so lange durchgehalten um dann am tiefsten Punkt von allen im Stich gelassen zu werden.
Meinen 18. Geburtstag verbrachte ich im Krankenhaus, denn ich hatte keinen Platz wohin ich gehen konnte, ein Recht auf eine Wohnung oder eigenes Geld hatte ich noch nicht, die Plätze in der Jugendfürsorge waren knapp und sie wollten das Risiko nicht wirklich eingehen.
Nicht jeder hat die Fähigkeit mal eben auf der Strasse leben zu können und ja, ich hatte es schon probiert, konnte es nicht ertragen, es war so kalt, ich musste ja zu Haus bleiben um die Schule abschliessen zu können und studieren zu können, was dann aber auch nicht mehr möglich war,
für einen zerbrochenen Menschen war es schwierig nur den nächsten Tag überleben zu können, kein Gedanke an die Zukunft möglich.
Ja, und trotz alledem denkt man selbst nach vielen Jahren immer noch, was wenn ich sie heilen könnte, was wenn man das Wundermittel oder die Wundermethode findet damit alles gut wird.
Ich weiss dass es nicht möglich ist, statistisch betrachtet gibt es ein paar wenige Fälle wo es ging, oft auch nur kurz vor dem Tod oder schwerer Krankheit der Eltern.
Aufzugeben an den guten Funken von schwierigen Menschen zu glauben ist ja vielleicht auch nicht so gut.
Man hat dann den Eindruck die Welt ist ein kalter und grausamer Ort.
Vielleicht hat hier ja doch noch jemand eine Erfolgsgeschichte, wo entgegen jeder Erwartung doch Dinge gut wurden ?