Täterloyalität

Lagerfeuer

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Was kann man dagegen tun ?

Es gibt zwei Formen davon, zum einen die ungesunde Loyalität eines Opfers einem Gewalttäter oder Suchtkranken gegenüber, wo tatsächlich das Opfer die Entscheidung treffen muss sich innerlich zu lösen und auch das Mitgefühl dem Täter gegenüber loslassen muss um selber heilen zu können und neue Beziehungsstrategien zu entwickeln.

Dann noch das Umfeld des Täters, der den Täter in seinem Verhalten unterstützt, also man einigt sich gemeinsam dass das Opfer Schuld ist (Sündenbochk oder schwarzes Schaf) und bestätigt sich immer wieder gegenseitig darin.
Die Energie der Gruppe verstärkt die destruktive Situation.

Nehmen wir als Beispiel eine durchschnittlich dysfunktionale Familie, wo die Problematik sehr verstrickt ist:

Traumata der vorhergehenden Generationen führen zu Gewalt, Selbstlüge, Verleugnung, gegenseitiger Manipulation des mental Stärkeren gegen die Schwächeren, übler Nachrede, narzistische Kompensierungstendenzen und ähnliches.

In dem speziellen Fall, ein intelligenter, gesellschaftlich erfolgreicher Vater, mit paranoider Persönlichkeitsstörung, diktatorisch, Kinder und Frau müssen 100 Prozent gehorsam sein, nicht nur alles tun was der Patriarcharch will, sondern auch alles denken und fühlen was er will, weil er sich sonst psychologisch bedroht fühlt.
Ihre eigene Individualität und Bedürfnisse werden ihnen kategorisch streitig gemacht, sie werden behandelt wie Eigentum.

Eines der Kinder schafft es sich aus der Situation abzulösen, aber auch erst nach einem schweren, sehr zerstörerischen Trauma mit sehr langwierigen Heilungsprozessen.

Damit der Vater seine Unschuld beweisen kann beginnt eine üble viel Jahre dauernde Verleugnungskampagne gegen das Kind mit absolut jedem Verdachts-Argument welches er sich nur ausdenken kann, also es ist wirklich absolut alles dabei, angefangen von Beschmutzung des Charakters, dann darüber das Kind als krank hinzustellen oder vielleicht auch kriminell oder drogenabhängig, der Phantasie sind keine Grenzen gesetzt, immer wieder viele Körnchen des Misstrauens säen, wie eine gezielte Gehirnwäschetaktik.

Gleichzeitig stellt sich der Vater als armes Opfer hin, dessen Kind ihn schäbig im Stich gelassen hat und wie sehr er dieses Kind doch lieben und vermissen würde, er wisse überhaupt nicht wie er das verdient hätte, nicht mal zu seinem Geburtstag eine Karte zu bekommen, er hätte doch immer sein bestes gegeben.

Man kann sich vorstellen dass ein nun lange erwachsenes Kind, welches inzwischen über Jahrzehnte auf diese Weise verleumdet wurde, keine Chance mehr in dieser Familie bekommen wird seine eigene Wahrheit zu erzählen, kein Mitgefühl für erlebtes zu bekommen, geschweige denn Wiedergutmachung.

Doch in bestimmten Momenten regt sich der Wunsch sich wieder mit seinen Wurzeln zu verbinden.

Das erwachsene Kind nimmt im Abstand mehrerer Jahre Kontakt zu verschiedenen Verwandten auf in der Hoffnung die Zeit oder Umstände hätten sich verändert.

Doch es läuft völlig gegen die Wand, denn natürlich wird sofort der Vater kontaktiert, der genau weiss wie er die Marionettenfäden ziehen muss um einen maximalen zwischenmenschlichen Schaden zu erreichen, denn natürlich hat er keinerlei Interesse daran dass sein "geliebter Sündenbock" jemals wieder Teil der Familie sein kann.

Die ganze ungesunde Familienstruktur würde auf den Prüfstand geraten.
Um das zu verhindern schreckt der Vater selbst davor nicht zurück dramatische rechtliche Schritte gegen das erwachsene Kind in Erwägung zu ziehen, denn Strafe muss sein, so wie damals, seine Angst mischt sich mit einem Gefühl selbstgerechter Rachsucht.
 
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Meine Frage nun, warum spielt sein verwandtschaftliches Umfeld das falsche Spiel mit ?

Sie haben nichts daran zu gewinnen, sie kannten das Kind nicht besonders aufgrund weit entfernten Wohnortes, deshalb besteht weder Nähe noch Feindschaft, sie haben keinen Grund sich in irgendwelche Intrigen verstricken zu lassen, würden aber jetzt zu Mittätern werden.

Sie haben das damalige Kind nicht vor seiner persönlichen Tragödie beschützt, da könnte man Begründungen finden wie, sie wussten es nicht, aber sie sind alle intelligente Menschen, heute könnten sie nachfragen, heute ist jeder alt genug verantwortungsbewusste, ethische Entscheidungen zu treffen, doch es passiert nicht.

Wie kann man diese falsche Loyalität aufbrechen, die natürlich dem Gewalttäter auch nichts nützt, denn auch ihm wird dadurch nicht die Chance gegeben seine alten Wunden zu heilen, sein Verhalten unter Mithilfe einer objektiven Person, wie eines qualifizierten Therapeuten zu reflektieren ?

Und wie sieht es auf spiritueller Ebene aus ?

Muss diese besch... Konstellation denn nun Leben für Leben weiter gelebt werden, immer wieder der gleiche Teufelskreis ?

Nur die Opfer haben schliesslich genug Leidensdruck ihre Geschichte bearbeiten und klären zu müssen, Täter und Mitläufer fühlen sich in einer starken Gruppensituation bestätigt, lassen das ehemalige Opfer einfach in seiner Bemühung gegen die Wand laufen und demütigen es weiter.

Was kann man also tun ?

Sie sagen einfach, nein du hast unrecht, so war es nicht, diese Art der Gewaltanwendung ist dir nie passiert, versuch keinen Schuldigen zu finden für das was in deinem Leben nicht rund läuft.

Nein, dein Vater (und unser Bruder) hat uns nicht all die Jahre angelogen, das hätten wir als intelligente, erfolgreiche Menschen doch bemerkt, wir sind gesellschaftlich respektable Menschen, wir sind erfolgreicher als du, also haben wir die Wahrheit auf unserer Seite, das ist unverschämt von dir was du machst , deine armen Eltern, tun sie dir nicht leid ?


Es wirkt alles so irrational...jeder redet immer nur von Vergebung...doch ist die Situation ja immer noch grausam, ist nicht Schnee von gestern, jeder selbst nur kurze Kontakt mit dieser irrationalen Situation ist eine grosse Belastung, unerträglich, führt zu Ängsten, Selbstzweifeln, Schlafstörungen, Wut, Trauer, die Intensität der Gefühle wird nicht weniger.

Die Gesellschaft und auch die Bibel sagt, man muss seine Eltern ehren, doch was wenn man an seiner Herkunftsfamilie schon zerbrochen war mit drastischen Konsequenzen fürs persönliche Leben, besteht die Pflicht ihnen gegenüber trotzdem weiter ?

Kann die eigentliche Pflicht nicht auch darin bestehen zu sagen, "Hört zu, jetzt ist aber mal Schluss mit lustig ! Lasst uns diesen Wahnsinn doch einfach beenden ! Lasst uns einen gesünderen Weg für alle Beteiligten finden !
Aber diesmal auf der Basis der Wahrheit und stimmigen Werten !

Vielleicht ist die Zeit jetzt noch nicht reif, vielleicht eines Tages !

(Vielleicht bin ich selber nicht bereit den Weg der Liebe wirklich gehen zu können. )

Liebe Grüsse
 
Mit jemandem verwandt zu sein, heißt noch lange nicht, daß man zusammen gehört. Manchmal muss man akzeptieren, daß es keinen Weg zurück in ein destruktives System gibt und man es nicht ändern kann. Man kann immer wieder ins Feuer greifen und Schmerzen haben, oder es als zu heiß akzeptieren und gehen. Akzeptanz heilt.
 
Deine beiden Beiträge drehen sich ja nun doch zum allergrößten Teil um die zweite Form der Täterloyalität - der des Systems. Mit deiner Frage zum Schluss:
Die Gesellschaft und auch die Bibel sagt, man muss seine Eltern ehren, doch was wenn man an seiner Herkunftsfamilie schon zerbrochen war mit drastischen Konsequenzen fürs persönliche Leben, besteht die Pflicht ihnen gegenüber trotzdem weiter ?

Kann die eigentliche Pflicht nicht auch darin bestehen zu sagen, "Hört zu, jetzt ist aber mal Schluss mit lustig ! Lasst uns diesen Wahnsinn doch einfach beenden ! Lasst uns einen gesünderen Weg für alle Beteiligten finden !
Aber diesmal auf der Basis der Wahrheit und stimmigen Werten !

Vielleicht ist die Zeit jetzt noch nicht reif, vielleicht eines Tages !
stellt sich mir die Frage, ob du dir nicht nochmal die erste Form genauer anschauen solltest, und dir überlegen, wo du nach wie vor innerlich dem Täter loyal bist.
Es gibt zwei Formen davon, zum einen die ungesunde Loyalität eines Opfers einem Gewalttäter oder Suchtkranken gegenüber, wo tatsächlich das Opfer die Entscheidung treffen muss sich innerlich zu lösen und auch das Mitgefühl dem Täter gegenüber loslassen muss um selber heilen zu können und neue Beziehungsstrategien zu entwickeln.
LAss mich dir sagen: du wirst das System nicht ändern, auch wenn du es dir noch so wünschst. Die Menschen, die Teil davon sind, sind es nicht von ungefähr. In pathologischen Strukturen greift in der Regel ein Zahnrad ins andere, die Pathologien der beteiligten ergänzen sich. Und du kannst die nicht heilen.

Was mir geholfen hat war die Erkenntnis, dass Verzeihen nicht heißt, dass ich weiterhin eine Beziehung zu diesen Menschen haben muss. Du kannst deine Eltern also Ehren - soll heißen: schauen, ob du nicht auch etwas gutes an ihnen findest und das in Ehren halten -, und dich gleichzeitig von ihnen fernhalten. Ich habe für mich gefunden: Ja, verzeihen ist vielleicht irgendwann möglich. Aber für dein missbräuchliches Verhalten stelle ich mich nicht mehr zur Verfügung.
 
Und wie sieht es auf spiritueller Ebene aus ?

Muss diese besch... Konstellation denn nun Leben für Leben weiter gelebt werden, immer wieder der gleiche Teufelskreis ?
Wie kommst du denn darauf? Das ist ein sehr deprimierender Glaubenssatz... Wenn du dich aus einem solchen System befreit hast, dann hast du eh genug Karma abgetragen. Warum glaubst du, dass du das im nächsten Leben wieder so machen musst?
Wenn, dann ist es der Täter, der negatives Karma auf sich geladen hat und das im nächsten Leben zu spüren bekommt. Du bist aus dem Kreislauf ausgestiegen.
 
Meine Frage nun, warum spielt sein verwandtschaftliches Umfeld das falsche Spiel mit ?
Weil manche Menschen bestens manipulieren können (insbesondere, wenn narzisstische Tendenzen vorliegen), Du hast die Manipulation ja in Deinem Beitrag schon ein bisschen anklingen lassen.
Das hat übrigens auch nichts mit Intelligenz zu tun - ich kannte schon sehr intelligente und reflektierende Menschen, die in zwischenmenschliche Fallen getappt sind. Weil das Gegenüber ihnen immer einen Schritt voraus war.

Muss diese besch... Konstellation denn nun Leben für Leben weiter gelebt werden, immer wieder der gleiche Teufelskreis ?
Das kann wohl nur Dein eigener Glaube Dir beantworten.
Ich persönlich würde es eher so sehen, dass man in jedem Moment das Beste aus seiner Situation machen kann. Jede Veränderung, und sei sie noch so klein, kann den Teufelskreis brechen.

Die Gesellschaft und auch die Bibel sagt, man muss seine Eltern ehren, doch was wenn man an seiner Herkunftsfamilie schon zerbrochen war mit drastischen Konsequenzen fürs persönliche Leben, besteht die Pflicht ihnen gegenüber trotzdem weiter ?
Ich finde, auch das kannst nur Du für Dich beantworten. Auch Eltern haben Pflichten (oder hätten sie gehabt).
Ob man sich mit Tätern irgendwann vielleicht innerlich versöhnen bzw. damit abschließen kann - das ist die Frage. Es kann unmöglich erscheinen, es kann aber auch befreiend sein.

Was kann man also tun ?
Da Dich diese Sache verständlicherweise offenbar extrem belastet, wäre vielleicht eine Familienaufstellung (bei einem seriösen Psychotherapeuten) interessant. Ich kenne Menschen, wo sich dadurch Einiges gelöst hat. Ich weiß aber nicht, wie schnell man dzt. einen Termin bekommt. Es sind da vielleicht auch gar nicht so viele Sitzungen nötig.

Ich wünsche Dir viel Kraft!
 
Was kann man dagegen tun ?
Mit der Aufmerksamkeit weggehen vom kranken System/dem Täter; Selbstliebe kultivieren; die gesunden Anteile stärken; sich klar machen, dass es vorüber ist, und der Täter keine Macht mehr über einen hat; stärkenden Affirmationen in Erinnerung rufen, die in einem Resonanz finden (z.B. "Ich muss nicht mehr gehorchen"); Selbstfürsorge betreiben - d.h. sich von diesen Menschen zurückziehen/Kontakt abbrechen, wenn man merkt, dass einem der Kontakt nach wie vor Angst macht/aus dem eigenen Frieden, der eigenen Mitte wirft.

Jeder Mensch hat das Recht auf körperliche, seelische und soziale Unversehrtheit. Und ein erwachsener Mensch hat die Verpflichtung selbst darauf zu schauen, dass diese gewährleistet sind. Kinder können das noch nicht, die sind ihren Eltern ausgeliefert. Kein Mensch hat die Verpflichtung, in einer missbräuchlichen Beziehung zu verharren.

Vielleicht schaust du dir noch mal deine Schuldgefühle an, und woher die kommen. Warum glaubst du, weiterhin in ihrer Schuld zu stehen, wo sie sich doch an dir schuldig gemacht haben? Woher kommt das Ideal, dass du ihnen verzeihen müsstest (katholische Erziehung?), auch wenn sie dich weiterhin missbräuchlich behandeln?

Mein Rat: bring dich in Sicherheit! Finde Menschen, die gesund und respekt- und liebevoll in ihrer Lebensführung und in ihren Beziehungen agieren. Damit erweist du der Welt einen weit größeren Dienst, als wenn du weiterhin Gefangene(r) eines kranken Systems bleibst. Außerdem: allein schon, wenn du dich rausnimmst, verändert sich die Dynamik des Systems. In welche Richtung, das liegt nicht in deiner Verantwortung. Das sind alles erwachsene Menschen, die selbst für ihr Handeln verantwortlich sind.
 
Was kann man dagegen tun ?
Was mir ganz persönlich sehr geholfen hat und immer wieder hilft, war die Beschäftigung mit ressourcenorientierten Ansätzen. Also auszusteigen aus dem kleinen, gedanklichen "Universum", das ich in der missbräuchlichen Umgebung kennengelernt habe, und mich daran zu orientieren, was die Eckpfeiler eines gesunden Lebens sind. Da hat mich unglaublich beeindruckt, dass es in den Verfassungen der westlichen Länder festgeschrieben ist, dass jeder Mensch das Recht auf ein Leben in körperlicher und seelischer Unversehrtheit hat. Recht auf körperliche Unversehrtheit – Wikipedia Da wurde mir erst so richtig klar, dass dieses Recht eine Universalie ist- also auch für mich gilt, und dass meine Eltern nicht das Recht haben, sich darüber zu erheben und mich davon auszunehmen, indem sie mir das verwehren. Weil es ganz klar eine Instanz gibt, die über ihnen steht. Später bin ich dann etwa mit Martha Nussbaum in Kontakt gekommen, und ihren 10 Befähigungen für ein geglücktes Leben. Da beschreibst sie ganz klar, was einem jedem Menschen an Verwirklichungschancen zusteht. Der letzte Punkt lautet bei ihr: das Recht eines jeden Menschen, sein eigenes Leben zu leben, und nicht das eines anderen. Das hat mich tief getroffen. Aber auch andere Punkte haben mich beeindruckt: etwa das Recht auf Spiel und Spaß, das Recht Beziehungen einzugehen, das Recht auf Sexualität, das Recht auf Kontakt zu anderen Spezies, das Recht auf Privatsphäre, etc. Lauter Dinge, von denen ich nicht wusste, dass sie auch mir zustanden. Das fand ich unglaublich erleichternd.
 
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Meine Frage nun, warum spielt sein verwandtschaftliches Umfeld das falsche Spiel mit ?

Meine Frage wäre eher - warum macht das Kind als Erwachsener nicht einen kompletten Cut?

Das ist bei diesen vorliegendenen Umständen und Zuständen doch die einzige wirklich heilende Möglichkeit.

Noch nie hat jemand jemand Anderen ändern können und in Familie schon gar nicht.

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