Spirituelles Gehen

Leichter Nieselregen dämpft jedes Geräusch der Schritte im feuchten Laub - der Wind läßt die Kälte ins Gewand kriechen; in der Deckung von dicken Bäumen gehe ich langsam an den Waldrand, schlängele mich von Baum zu Baum, um meine Kontur für die Rehe zu verwischen. Und sie äsen vollkommen friedlich weiter - der Wind weht mir ins Gesicht, und so haben sie keine Ahnung wie nahe ich ihnen bin. Nur meine kleine Kompaktkamera ist mit ihrer Leistungsfähigkeit begrenzt - das Teleobjektiv ist nur halb ausgefahren, um nicht allzuviel Licht zu verlieren - aber ich will ja keine Rekordbilder schießen, sondern nur einfach dokumentieren, was mir begegnet ist ... langsam wende ich mich um, und wie ich gekommen bin, verschwinde ich wieder zwischen den Bäumen und tauche in ihrem Schatten unter ...

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... und stehe nach wenigen Metern vor einem seltsam gewachsenen Baum, dessen drei überschenkelstarke Äste alle in eine Richtung zeigen. Hoch und schmal sind die Ansätze am Stamm, und ich frage mich, wie es zu solch einer Wuchsform kommen konnte .... oft stehe ich vor ähnlichen, aber wesentlich älteren Bäumen, aus denen dann eine seltsame Kraft zu strömen scheint, bei denen manchmal das Bedürfnis entsteht, sie zu berühren, mit den Armen über die Rinde zu streichen oder sie zu umfassen. Aber hier ist diese Kraft irgendwie fremdartig, fast ablehnend, und ich gehorche dem Gefühl, verweile nicht lange und mache mich aus dem Staub.
Aber ich werde wiederkommen und das gefühlte noch einmal überprüfen ... viel zu neugierig bin ich ...

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Am anderen Ende des kleinen Wäldchens ist der Boden und die Stämme aller Bäume weiß gefleckt, bekleckert vom Kot der Massen von Vögeln, welche hier übernachten. Da es ohnehin schon leicht dämmerig wird, horche ich aufmerksam in die Weite und tatsächlich - entferntes Rufen und Krächzen von Scharen von Dohlen und Krähen ist hörbar. Auf den nahen Feldern bilden sie schon kleine Schwärme, die sich bald zu sich drehenden und kreisenden Großschwärmen vereinigen werden, die laut tobend in ihre Schlafplätze einfallen. Es wird wohl Zeit, dass ich hier verschwinde, um nicht lautes und lärmendes Rufen und schimpfendes Krächzen zu provozieren ....

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Schon bin ich wieder am Anfang des Wäldchens angelangt, und ein bemooster Baumstumpf erregt mein Interesse. Ich knie nieder und mein Blick stöbert zwischen abgestorbenen Moospflänzchen, als eine kleine, träge, langsame Bewegung wie in Zeitlupe den Blick einfängt. Ein kaum 5mm großer Laufkäfer, braun mit 4 hellbraunen Flecken, hat seine Winterritze verlassen und kämpft sich durch die Kälte. Aber gleich verkriecht er sich wieder zwischen den abgestorbenen Teilen und wird dort auf höhere Temperaturen warten, welche ihm genug Energien verleihen, um seinem Namen gerecht zu werden: er ist schließlich ein Laufkäfer, und kein Frier- oder Langsamkriechkäfer .....

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... ich hätte ihn mitnehmen sollen, denn die vier Flecken haben den Eindruck erweckt, dass er leicht zu bestimmen sei; aber es gibt einige so kleine Tierchen mit vier mehr oder weniger verwaschenen Flecken, dennoch neige ich dazu, dass es sich um ein Tier der Gattung Bembidion sp. handelt ... aber fix is' nix ..... und ich muss ja nicht alles wissen! So bleibt noch genug Wissen für andere übrige ;)

Trotz der windig-nassen Kälte ein schöner, gemütlicher Spaziergang, der wieder mal alles in kurzer Zeit und auf kleinstem Raum geboten hat; von "Groß"tieren bis zu Winzlingen, von seltsamen Bäumen bis zu den schwarzen Kunstfliegern, den Krähen. Herz, was willst Du mehr .....

Nasskalte Grüße
cerambyx
 
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Ich lese immer zuerst die Beschreibung und betrachte mir erst dann die Bilder, um zu schauen, ob ich es mir richtig vorgestellt habe. Wie bei einem Rätsel. ;)
 
Ich lese immer zuerst die Beschreibung und betrachte mir erst dann die Bilder, um zu schauen, ob ich es mir richtig vorgestellt habe. Wie bei einem Rätsel. ;)

Hey, das ist gut. Ich vertiefe mich immer erst in die Bilder. Aber ich werde es auch mal anders herum machen.

Es gibt nichts schöneres, als morgens im stillen Büro mit einer Tasse Kaffee zu sitzen und den Arbeitstag mit einem neuen Beitrag in diesem wundervollen Thread zu beginnen.:)
 
Ich freue mich auch immer wieder, wenn ich neue Beiträge hier lesen darf. Ich entdecke auch an mir neue Seiten -Dank Cerambyx,

....hätte nie gedacht, dass ein Bild mit Vogelkot mich so faszinieren kann.

LG
IbkE
 
Ich entdecke auch an mir neue Seiten -Dank Cerambyx,

....hätte nie gedacht, dass ein Bild mit Vogelkot mich so faszinieren kann.

Wenn man die antrainierten Wertungen gut/böse schön/häßlich ausblenden kann, ist man hervorragend vorbereitet für die Spurenkunde - und nicht nur in der Natur um uns, sondern auch in uns .....

Schön, wenn ich was/das bewirken kann ...

LG cerambyx
 
Eigentlich habe ich ja überlegt, einen eigenen Thread zu machen für die "Kleinen" Dinge in der Natur ... aber da diese Bilder und die damit verbundenen Geschichten, manchmal damit verbundenen Informationen, manchmal damit verbundenem Wissen ja auf genau diesen Wanderungen oder Bergfahrten, die ich als "Spirituelles Gehen" bezeichne entstanden sind, werde ich sie einfach hier platzieren. Das erspart mir und Euch die Arbeit mit einem weiteren Thread und ihn zu beobachten .... aber eine gemeinsame Überschrift werde ich versuchen, ihnen jeweils zu verpassen, dann kann leichter danach gesucht werden ...

Flatterhaft, summend, kriechend oder hüpfend ....

Irgendwo hab ich mal geschrieben:

Die kleinen Dinge sind so leicht zu übersehen - und gerade bei diesen Tieren schwanken viele Menschen zwischen höchster Bewunderung und tiefster Abscheu ... und genau das möchte ich versuchen, zu ändern ... denn wieso Abscheu?

Sie lassen schließlich keine Atommeiler explodieren, lagern keinen Atommüll, verschmutzen keine Meere, schippern keinen Abfall nach Afrika und/oder China, verklappen kein Altöl im Meer, machen keine Staatsschulden um Spekulanten zu retten, fischen die Meere nicht leer, betreiben keine Massentierhaltung und/oder -schlachtung, vernichten keinen Regenwald, erschießen keine Indianer zwecks Bodengewinnung, beuten keine schwarzen Minenarbeiter aus ... UND es graut IHNEN dennoch in keinster Weise vor uns Menschen, sondern wir sind ihnen einfach egal .... !


Beginnen möchte diese hoffentlich noch lange andauernde Serie ich mit einem Schmuckstück meiner Heimat: dem Apollofalter!

An einem beginnenden Abend im Vorgebirge, so auf 1100 Metern, habe ich mich verspätet, weil es einfach gut war, da OBEN zu sein. Einge Blüten am Grat haben in der sinkenden Sonne aufgeleuchtet und ich hab mich einfach zu ihnen gesetzt und sie betrachtet. Hab mich gefühlt wie der so oft kitschig beschriebene Wander, der die Blümelein am Wegesrand betrachtend den Weg entlangschreitet und die Natur darin bewundert und so ein bissl abgehoben ist von der übrigen Welt - diese Gedanken hatte ich tatsächlich und ich hab darüber schmunzeln müssen.
Und während ich da saß und mir über die langsam fühlbar werdende Kälte des Gesteins sorgen machte, die den Hosenboden durchdrang, war da plötzlich etwas .... ganz still und unbeweglich ist er dagesessen, scheinbar schon ein wenig steif von der kühlen Abendbrise, reglos, still und unwahrscheinlich schön ....

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Ob er hier auf dieser Blüte übernachten wollte, oder ob ihn die Kälte überrascht hat? Ich weiß es nicht, aber fast eine Viertelstunde saßen wir da so voreinander ... ich brauchte mich kaum zu bewegen für einige Bilder - und er hat sich auch nicht bewegt! Und als ich dann aufgebrochen bin, hab ich mich auch gar nicht besonders bemüht, vorsichtig zu sein! Er ist einfach nicht erschrocken - wozu auch? Von mir drohte ja keinerlei Gefahr - und seit dieser Begegnung glaube ich zu wissen, dass Tiere das bemerken können, seien sie auch noch so klein. und ich bemühe mich oft bewußt, dieses "keine-Gefahr-sein" vor mir herzutragen, es vielleicht einzubauen in meine Aura, die um mich ist, um so hoffentlich nicht nur körperlich den Tieren nahe sein zu können ....

Ich wünsche Allen
sich Zeit nehmen zu können
für solche, für ähnliche Begegnungen
und diese Begegnungen auch wirklich wahrnehmen zu können.
Denn ich glaube fest daran, dass solche Begegnungen bei allen stattfinden .... aber oft eben unbemerkt ....

cerambyx
 
Flatterhaft, summend, kriechend oder hüpfend ....

Dieser schwarze Kasten mit seinem einen runden Auge interessiert mich - er guckt genau so starr wie ich, die Ringelnatter - hm, dahinter bewegt sich was riesenhaft Großes sehr vorsichtig, aber es scheint erstens keine Angst zu haben und zweitens recht friedlich zu sein ... mal sehen, wer länger mit keiner Wimper zuckt .... ich hab' alle Zeit der Welt ....

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Man sollte sicher sein, welche Schlange man vor sich hat, wenn man ihnen so auf den Leib rückt! Die hier ist harmlos, auch wenn sie den Kopf breitdrückt, und der ganze Körper sich aufbläht, wenn sie die Luft einpumpt um danach ein lautes Zischen von sich zu geben. Die EINE aber sehr wirksame Waffe, welche die Ringelnatter zur Abwehr hat, ist ihr Gestank! Wenn man sie fängt und sie aus ihrem After den Kot verspritzt, während sie sich dreht und windet, um ihn überall hinzubekommen, dann ist es schon zu spät. Man ist dann - in einer Menschengruppe - zum Aussätzigen geworden für längere Zeit :D
Ihre ZWEITE Abwehr besteht in einem "Kieferkrampf", bei dem sie sich plötzlich wie unter Schmerzen am Boden windet, Ober- und Unterkiefer verschiebt und weit öffnet, so dass ihr erdbeerfarbener Rachen sichtbar wird, die Zunge heraushängen läßt und verrückt spielt und sich dann langsamer werdend und sich verkrampfend tot stellt. Nach einigen Minuten löst sie das vorsichtig wieder auf und - verschwindet ........

Also keine übermäßige Angst
sondern mal genau hingeschaut
cerambyx
 
Irgendwo hab ich mal geschrieben:

Die kleinen Dinge sind so leicht zu übersehen - und gerade bei diesen Tieren schwanken viele Menschen zwischen höchster Bewunderung und tiefster Abscheu ... und genau das möchte ich versuchen, zu ändern ... denn wieso Abscheu?
das hast Du im Plauderstübchen geschrieben und wir haben Dich gebeten, diesbez. ein extra Thema dafür aufzumachen.
Hatten "Winzlinge", oder "klein aber oho" im Gespräch.

Darum bin ich nun auch hier am lesen,
da Du uns heute den Link hierher dort eingestellt hast.

Ein sehr interessantes und lehrreiches Thema.

Danke auch für die wundervollen Bilder dazu.

Du wolltest hier auch über Zecken schreiben, denn ich bin der Meinung sie sind nur eine Plage für Mensch und Tier,
ich sehe darin keinen Nutzen, oder ein spirituelles Gehen,
dass es sie gibt, denn ich wurde schon von einer gebissen und hatte danach Borreliose.

Und dann wollten wir noch über Hummeln, Wespen, Schnaken, Läuse, Frösche usw. von Dir etwas erfahren und bin schon mehr als gespannt,
was Du uns dazu zu berichten hast.
Auch Schlangen und Schmetterlinge waren ein Thema,
aber darüber hast Du ja schon wie ich gerade lesen konnte, uns schon berichtet.
 
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Flatterhaft, summend, kriechend oder hüpfend ....

Also, wenn die Spinnen an der Reihe sind weiß ich nicht, ob ich dann daran denken kann, dass sie keine Atommweiler in die Luft sprengen.

Also mal zur Beruhigung: Mit Spinnen und Frauen ist das so eine Sache! Aber da muß ich ein bissl ausholen .... (wie üblich :) - aber mit wenigen Worten geht's in der Natur manchmal nicht. Es ist alles so komplex verwoben .... )

Es gibt des sogenannten Schüttelreflex, den verstärkt Frauen - aber auch Männer - haben und der ausgelöst wird, wenn etwas unerwartet oder etwas Unbekanntes auf der Haut - oder auf sensiblen Körperregionen - kitzelt! Und der ist uralt, angelernt oder genetisch verankert - keine Ahnung! Jedenfalls schützte der früher die Menschen beim Sammeln davor, auf giftige oder sonstwie gefährliche Kleintiere zu greifen .... noch bevor man erkannte was da los war, schüttelte der Körper die Hand reflexartig, und eventuelle Attacken des Kleintieres konnten danebengehen!

Dieser Schüttelreflex wird noch heute ausgelöst bei Spinnen auf der Haut, beim Anblick von Mäusen und/oder Ratten und Schlangen und Fröschen ....

Heute kommt man nur mehr selten mit beißenden Spinnen in Kontakt. Die allseits bekannte Kreuzspinne ist friedlich - ich hab sie schon öfter in die Finger genommen und noch keine hat auf nur versucht zu beißen! Früher hatte ich auch welche im Gurkenglas und sie kamen sogar zur "Fütterstelle" - also auch lernfähig sind sie bis zu einem gewissen Grad!

Und schön sind sie außerdem - man muss sie nur in Ruhe betrachten (können) - aber ich verstehe, wenn manchen einfach unwohl ist beim Anblick. Ich habe aber schon mehrfach Menschen (KollegInnen) dazu bringen können, diese leichte Phobie (Arachnaphobie) abzulegen. Es hilft, über diese Tiere viel zu WISSEN, mit ihnen regelmäßig Kontakt zu haben und zu lernen, wie sie "funktionieren" und weshalb wir uns erschrecken .... eine betroffene Kollegin setzte sich später Spinnen auf die Schulter um SchülerInnen die Ungefährlichkeit zu demonstrieren ...

Hier eine Kreuzspinne von unten gesehen - sie repariert gerade ihr Netz und man sieht, wie sie den Spinnfaden aus der Spinnwarze angeheftet hat und mit dem Hinterbein die Spannung am Faden erzeugt ... repariert muss das Netz übrigens dann werden, wenn Beute dieses zerrissen hat ...

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Es grüßt
cerambyx
 
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