Als kleine Kinder ist uns die Nacktheit unserer Eltern angenehm. Wir wollen ihre Haut spüren und uns ankuscheln.
Als heranwachsende Kinder, auf der Grenze zur Pubertät, wird uns ihre Nacktheit peinlich. Ihr Körper erscheint uns alt und unschön. Sie sollen uns nicht mehr zwischen den Beinen waschen, und erst recht nicht dabei selbst nackt sein. Da wird sich der junge Mensch seiner Geschlechtlichkeit bewusst, er beginnt, intime Grenzen zu ziehen. Er kann immer noch mit Mama und Papa in die Sauna oder in den FKK-Urlaub, aber er guckt sehr scharf hin und bemüht sich, sich von selber teilweise zu verhüllen.
Ich finde, man sollte diese Scham der Jugendlichen achten.
Nun sind sie erwachsen. Schon lange haben sie Vater und Mutter nicht mehr provokativ nackt gesehen, nur vielleicht mal im Badezimmer, beim raschen Wechsel (es sei denn, sie gehören einer Nudistenfamilie an, aber das sind wohl eher die wenigsten), und dieser rasche Wechsel, na, der wird geschluckt. Nun erwachsen, wollen sie ihre Eltern auch überhaupt nicht mehr nackt sehen. Da ist eine komplette Grenze vollzogen zur eigenen Sexualität, und die sieht für einen selbst nur Schönes und Gleichaltriges vor.
Später dann hat das Kind selber Kinder. Die Frage nach körperlicher Freiheit stellt sich erneut. Die kleinen, neuen Kinder sehnen sich nach Haut und Nacktheit. Bei einem gemeinsamen Strandurlaub mit den alten Eltern, kann das erwachsene Kind auf einmal ihre Nacktheit viel besser ertragen und annehmen als früher.
Mutters Brüste hängen, ihr Rücken ist breit geworden, am Bauch häufen sich Falten und Massen, die am Hintern fehlen, den kneift sie ein.
Vater besteht scheinbar nur noch aus Bauch, auf dünnen Beinen, die jetzt irgendwie breiter voneinander an der Hüfte aufgehängt scheinen... aber die kleinen Kinder lieben diese Körper, küssen und lecken und schmatzen darauf herum, und wenn Vaters Geschlechtsteil versehentlich aus den Boxerschorts bammelt, ist es so rot, und so alt und so seltsam, das die erwachsene Tochter und der erwachsene Sohn lieber wegschaut --- und doch war es da.
Dann werden die Kinder selber älter. Ihre Kinder sind nun Anfang 20 und haben das Haus verlassen. Die Haare der Mutter der zweiten Generation werden grau, regelmäßig lasst sie sie jetzt färben, oder färbt sie selber. Die Haare des Vaters in der zweiten Generation werden auch grau, aber er lässt sie so stehen, schließlich ist er ein flotter Fünfziger.
Mutter hat jetzt Hitzewallungen wegen der Wechseljahre und ihre Figur geht dahin. Vater liebäugelt mit den Praktikantinnen aus seinem Betrieb.
Ein Elternteil der ersten Generation ist inzwischen verstorben, das andere macht sich auf eine erneute Suche. Und dann kommen auf einmal Gespräche zustande, die man sich - nun Anfang 50 - nicht träumen ließ.
Vater oder Mutter leben mit 75, 80 immer noch Sexualität!
Der eine kann nicht, wird vertraulich berichtet, wegen seiner Prostataoperation, die eine kann nicht, sie ist immer so trocken! Man glaubt nicht recht zu hören!
Man muss sich erst daran gewöhnen, dass die Eltern in diesem Alter nicht Sexlos sind.
Und dann wird auf einmal Mutter oder Vater der ersten Generation krank. Egal was es ist, sie pissen in die Buchse und sie pinkeln daneben. Wenn sie eine neues Knie der eine neue Hüfte bekommen haben, beschmieren sie beim Stuhlgang den Toilettensitz mit Kot, einfach weil ihnen keiner half.
Sie können sich nicht mehr allein ankleiden. Auf einmal ist man dem nackten, alten Körper wieder sehr nah und ausgeliefert. Nicht nur dem Körper, auch den Geschlechtsteilen. Wie willst du einen alten Körper sauber kriegen, wenn du nicht in der Lage bist, ihn zwischen den Beinen zu waschen, und ihn von seinen brennenden, juckenden, wund machenden Ausscheidungen zu befreien?
Da haste halt das rote, schrumpelige Glied es Vaters und die trockene, nahezu haarlose Möse der Mutter. Alles vollgeschissen, und obendrauf sitzt ein Kopf, ein Gesicht, und man liebt es doch, obwohl einen bisweilen untendrunter der Ekel schüttelt. Aber man wäscht sie sauber und der gute, geliebte Kopf dankt es einem und man küsst den danach innig, weil man ihn liebt.
Nach einigen Malen ist es auch nicht mehr so schlimm.
Wie sollte man denn in Kriegs- oder Katastrophenzeiten damit umgehen, wenn man die Körper oder Ausscheidungen von Menschen fürchtete?
Deshalb meine ich, akzeptiert die Scham der Jugendlichen in der Pubertät, ihre Abgrenzung hinter geschlossnen Türen, ihr nicht Sehen wollen Eurer Leiber, aber haltet sie selbstsicher nicht im Unklaren darüber, dass auch alternde Körperlichkeit ein Teil unseres Lebens ist.
Es kommt so oder so.
Auch der Sohn wird irgendwann alt.
Es ist besser, er nimmt es früh als gegeben mit, als er steht später vor einen Rätsel, wo er die Eltern nur noch irgendwohin abschieben kann und sich selbst Schönheitsoperationen verschreibt.
Alles Liebe,
Geli