2. Der Samen ist der Speicher männlicher Sexualenergie. Jede Ejakulation enthält
zwischen 200 und 500 Millionen Samenzellen, von denen jede ein potentielles
menschliches Wesen darstellt. Bei einem einzigen Orgasmus werden genügend
Spermatozoen vergeudet, um die gesamten Vereinigten Staaten von Amerika damit
zu bevölkern, vorausgesetzt, daß jede dieser Zellen eine Eizelle befruchtet. Die
Erzeugung einer solch kraftvollen Samenflüssigkeit erfordert bis zu einem Drittel
des täglichen Energieverbrauchs des Mannes, was vor allem das Drüsen-und
Immunsystem belastet.
3. Die Bewahrung der Sexualenergie ist das erste Grundprinzip der taoistischen
Sexuallehre. Vergeudung des männlichen Samens zu anderen Zwecken außer dem
Zeugen von Kindern bedeutet einen empfindlichen Verlust kostbarster Energie.
Auf lange Sicht fuhrt dieser Energieverlust zu einer gesundheitlichen Schwächung
des Mannes und kann bei ihm einen unbewußten Zorn gegenüber Frauen auslösen;
darüber hinaus raubt er dem höheren geistigen Ich des Mannes die Kraft, sich
selbst zu erneuern. Aus diesem Grund verlangen viele traditionelle geistliche
Orden auf der ganzen Welt vom Mann das Zölibat. Die Taoisten betrachten die
geschlechtliche Liebe als etwas Natürliches und Gesundes, wissen aber, daß die
kurze, vorübergehende Freude des Genitalorgasmus mit Ejakulation völlig
oberflächlicher Art ist, wenn man sie mit der tiefen, intensiven Ekstase vergleicht,
die sich bei Vermeidung des Samenverlusts erreichen läßt. Es ist das Geburtsrecht
eines jeden Mannes, volle Beherrschung über seine Körperfunktionen zu erlangen
und diesen Samenverlust verhindern zu lernen.
4. Die Transformation der Sexualenergie ist das zweite Grundprinzip der
taoistischen Liebespraktiken. Während der sexuellen Erregung dehnt sich die in
den Hoden gestaute Sexual-Essenz, das «Ching», schnell aus, und ein gewisses
Quantum an Energie strömt zu den höheren Zentren im Herzen., im Gehirn, in den
Drüsen und im Nervensystem. Dieser Aufwärtsstrom wird durch das Ejakulieren
des Samens (nach außen) unterbrochen, so daß die meisten Männer sich nie der
vollen Kraft ihrer Sexualität bewußt werden. Die taoistische Methode vervoll-
kommnet diese nach oben gerichtete Transformation der Sexualenergie, indem sie
subtile, feinstoffliche Kanäle öffnet, die von den Geschlechtsorganen die Wirbel-
säule entlang zum Kopf und auf der Vorderseite hinunter zum Nabel führen. Die
sich ausdehnende Sexualenergie wird in diesen «Kleinen Energiekreislauf» hinein-
gelenkt, so daß sie an allen lebenswichtigen Organen vorbeiströmt und die ätheri-
schen Energiezentren des Körpers harmonisiert, die von den Taoisten «Tan Tiens» und von den Hindus «Chakras» genannt werden.
Mantak Chia: Tao-Yoga der Liebe