Vier Mongolen, murmelte der Doktor ratlos. Könnte es sein, dass ihr durch unser letztes Abenteuer mit dem Terroristen Mohammed, nun einer Profilierungsneurose erlegen seid?
Ach ihr meint ich übertreibe maβlos? Doktor, fangt nicht schon wieder damit an in eurem Freudschen Psychoalmanach nach Erklärungen zu suchen. Wir müssen so schnell wie möglich aufbrechen und genau das wollen die Gesandten von Dschingis Khan erreichen. Wenn ich mich beschwere, so lachen sie nur und meinen, wir sollten besser schleunigst losreiten, bis in die Mongolei seien wir Monate unterwegs.
Nun, eine Profilierungszuständigkeit bildet die Voraussetzung für eine geniale Selbstdarstellung, für überzeugendes Auftreten und Erfolg in sozialen Situationen, oder nicht?
Bezieht ihr euch auf mich oder die vier mongolischen Männer?
Werte Ali, hm. Das ist alles sehr komplex. Doktor Shrenk kratzte sich am Hinterkopf und legte seine Stirn nachdenklich in Falten. Mal angenommen, wir besuchen tatsächlich Dschingis Khan, in welcher Zeit befinden wir uns dann überhaupt?
Bitte nennt ihn Temudschin, das haben mir die Mongolen aufgetragen, dass er so genannt werden will. Temudschin sieht in uns wertvolle Freunde, die, wie er meint, weltoffen und verständnisvoll gegenüber dem mongolischen Volk seien. Vor allem sagen seine Männer immer wieder zu mir: Einmal sehen ist besser als hundertmal hören. Aber ihr wollt wissen, in welcher Zeit wir dort seien werden. Nun, wie ich es ausgerechnet habe, müsste es sich um das Jahr des Herrn 1215 handeln.
Der Doktor, der gerade am Tee nachschenken war, hielt wie erstarrt inne, blickte Ali entsetzt an und wurde blass. Mit zittriger Hand stellte er die Kanne ab und meinte:
Ich bin einiges bei ihnen gewohnt, werte Ali, aber das übertrifft einfach mein Vorstellungsvermögen!
Na ja ein paar Jahre vorher oder nachher, das sollten wir nicht weiter tragisch nehmen. Aufgrund der Erzählungen der Männer, muss es sich um die Zeit kurz nach der Palastrevolution in Peking handeln. Ich vermute nach der Einnahme von Peking und das war 1215.
Wie soll ich mich plötzlich im Mittelalter zurechtfinden? Da gab es doch noch keinen Sigmund Freud. Diese Reisen mit euch, Ali, die bringen das reinste Chaos!
Ja, aber sie bringen auch Überraschungen und wertvolle Erkenntnisse, Freundschaften und Abenteuer, die sie hier in unserem Fischerdorf niemals erleben könnten.
Schon, wir sind aber gerade erst seit drei Wochen zurückgekehrt und meine Patienten
Ihre Patienten können warten, die sind doch alle nur Therapieabhängig! Wir geben auf der Reise so gut wie kein Geld aus, da wir Temudschins Gäste sein werden.
Der Doktor schwieg, er schien angestrengt nachzudenken, was sich in seiner Mimik äuβerte. Ali kannte ihren Shrenk gut genug und wartete. Er sieht dem Woody Allen inzwischen noch ähnlicher, als im vorigen Jahr, befand sie. Es muss an der neuen Hornbrille liegen und die graumelierte Tweedjacke ganz im englischen Stil, steht ihm ausgezeichnet. Sie wusste, dass es dauern würde mit seiner Antwort und versuchte sich den Doktor gerade in mongolischer Kleidung vorzustellen, mit der Pelzmütze auf dem Kopf, Filzstiefeln und einem knielangen Zottelpelz.
Ali, begann der Doktor. Nehmen wir die Kamele wieder mit?
In diesem Augenblick erklang drauβen die Türklingel von der Praxis des Doktors.
Wer läutet denn da Sturm?, fragte sich der Doktor laut. Er eilte zur Tür hinaus, gefolgt von Ali, die sich schon denken konnte, wer da Sturm läutete. Auf dem Weg zur Tür, versuchte Ali, dem Doktor seine Frage zu beantworten:
Überhaupt kein Thema, Shrenk. Ohne die Kamele, würde ich niemals auf Reisen gehen. Und das habe ich den vier Mongolen auch klar gemacht, worauf einer von ihnen, der Schamane Kökötschü
Ärgerlich riss der Doktor die Tür auf und starrte auf eine Gestalt.
Was?, fragte der Doktor und zeigte ungläubig auf den Mann, der vor seiner Tür stand und hereinkommen wollte. Das mit der Pelzmütze stimmte, seine schwarzen Haare fielen bis über die Schultern, einige dünne Zöpfe zierten seine lange Haarpracht. Das Ledergewandt das er trug, hatte lange Zottelfransen, Ketten mit Tierknochen und irgendwelchen Krallen und Federn hingen um seinen Hals. Und darüber trug er einen dicken Pelzmantel.
Kökötschü!, rief Ali erfreut aus. Was machst du denn hier?
Ist das der Schamane?, fragte der Doktor, noch immer entgeistert. Ali nickte.
Er behauptet Schamane zu sein und heiβt so.
Kökötschü? Doktor Shrenk wich zur Seite und lies den Mongolen eintreten.
Kökötschü, murmelte der Doktor vor sich hin, während er den Fremden in seine Praxis geleitete. Dann rief er entschlossen nach Misses Hazel Dawson und bat um eine weitere Kanne Tee.
Kökötschü, setzte sich zu Füssen von Ali, die erneut auf der Couch Platz nahm. Misses Hazel Dawson erschien mit einer neu gefüllten Kanne Tee und verschwand eiligst aus dem Raum. Der Doktor füllte die Tässchen aus feinem englischem Porzellan und reichte dem Schamanen eine.
Willst du den Wolf verstehen, musst du dir sein Fell überziehen und die Welt mit seinen Augen sehen, sprach Kökötschü höflich und trank dann vom Tee.
Das ist ein mongolisches Sprichwort, erläuterte Ali. Das bedeutet, dass Kökötschü sich selbst ein Bild von euch machen wollte und mir gefolgt ist, nicht wahr edler Kökötschü?
Der Schamane neigte würdevoll ein wenig das Haupt, um anzudeuten, dass Ali seine Beweggründe richtig gedeutet habe. Darauf fuhr er feierlich fort:
Temudschin sagt immer: Vertraue Gott, aber binde dein Kamel gut fest.
Ach ja? Ali lachte. Was Temudschin genau damit meinte, weiβ ich nicht so richtig, denn Akhbar festzubinden, das wissen wir Doktor, dass es nicht funktioniert.
In der Tat, werteste, in der Tat!, rief der Doktor aus. Sein Gesicht war leicht gerötet durch die Aufregung und seine Stimme bebte leicht.
Ich bringe Nachrichten vom groβen Temudschin, dem Herrn des Ozeans, sagte Kökötschü. Er befiehlt uns augenblicklich aufzubrechen!
Jetzt sofort? fragten Ali und der Doktor wie aus einem Mund. Kökötschü nickte.